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Die Brückenfunktion der Elementaren Musikpädagogik

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Zum zweiten Symposium im Rahmen der „Zukunftskonferenz Musikhochschulen Baden-Württemberg“
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Mit nahezu überwältigender Beteiligung von nah und fern fand Anfang April in Trossingen das zweite Symposium im Rahmen der „Zukunftskonferenz Musikhochschulen Baden-Württemberg“ statt. Es war ausschließlich dem Thema Kulturelle Bildung, Musikvermittlung und Elementare Musikpädagogik gewidmet. Die vom Wissenschaftsministerium initiierte fünfteilige Serie von Veranstaltungen soll nach den massiven Protesten und Debatten der vergangenen Monate der Klärung essentieller Standortfragen zur Neuausrichtung der Musikhochschulen in Freiburg, Karlsruhe, Mannheim, Stuttgart und Trossingen dienen.

Als Hausherrin der Musikhochschule Trossingen eröffnete deren Rektorin Elisabeth Gutjahr die Veranstaltung und wies in ihren Begrüßungsworten mit Bezug zur Tagungsthematik darauf hin, dass sich alle Musikhochschulen in ihren Leitbildern längst zur Musik und deren Vermittlung verpflichtet hätten. Sie bekräftigte diese Positionierung einmal mehr vor dem Hintergrund, dass sich Kultur und Bildung einander mehr denn je bedingen würden und bereits heute das Fundament für den Exzellenzanspruch der Musikhochschulen bildeten.

An diesen Aspekt konnte die Wissenschaftsministerin Theresia Bauer in ihrem Eingangsvortrag unmittelbar anknüpfen, indem sie eine spürbare Emanzipation der Musikpädagogik forderte und deutlich machte, dass der Stellenwert der Pädagogik vor dem Hintergrund einer steigenden gesellschaftlichen Verantwortung zukünftig an allen fünf Standorten gestärkt werden müsse. Dass eine solche Stärkung gegebenenfalls auch zu Ungunsten rein künstlerischer Ausrichtungen vollzogen werden müsse, formulierten sowohl die Ministerin selbst als auch Ulrich Rademacher als Vorsitzender des Verbandes deutscher Musikschulen deutlich.

Ausgelöst durch die auf die „beratende Äußerung“ des Rechnungshofes folgenden Ministeriumseckpunkte war bei der Diskussion um die Zukunft der baden-württembergischen Musikhochschulen insbesondere die Elementare Musikpädagogik (EMP) in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt, weil zunächst die Idee bestand, den Studiengang zusammen mit der Alten Musik ausschließlich in Trossingen zu erhalten. Mittlerweile scheint die Wissenschaftsministerin – diesen Eindruck vermittelte sie jedenfalls in Trossingen – von diesem Vorhaben wieder vollständig abgerückt zu sein. Dass sowohl der EMP-spezifische Fächerkanon als auch die fachpraktische, wissenschaftliche und künstlerische Dimension des Studiengangs zwingend die Umgebung einer vollwertigen Musikhochschule verlangen, steht mittlerweile außer Frage. Die Tatsache, dass eine von fünf solch aufwändiger Veranstaltungen allein dem Thema musikalisch-kulturelle Bildung und außerschulische Musikvermittlung gewidmet war, machte einmal mehr deutlich, welch große Hoffnungen in die EMP seitens des Ministeriums zukünftig gesetzt werden.

Berufliche Situation

Matthias Hinderberger, Vorsitzender des Landesverbandes der baden-württembergischen Musikschulen, beklagte in seinem Statement eindrucksvoll das extreme Missverhältnis von Nachfrage und Angebot an EMP-Lehrpersonen. Allein in Baden-Württemberg werden laut einer aktuellen Erhebung von 2014 in den nächsten 5 bis 10  Jahren zirka 200 Volldeputate für EMP-Stellen benötigt. 40 bis 50 EMP-Absolventen pro Jahr würden den Mangel nur minimal decken. Damit erübrigt sich einmal mehr die Frage nach einer Bündelung der EMP an einem einzigen Hochschulstandort. In diesem Zusammenhang forderte die Ministerin, dass die Definition des individuellen Profils jeder einzelnen Musikhochschule zukünftig noch stärker als bisher mit ihrem jeweiligen regionalen Umfeld zusammenhängen müsse.

Die Diskussion darüber, ob und wie eine Neuausrichtung der bestehenden EMP-Studiengänge in Kooperation mit anderen Profilbereichen der jeweiligen Musikhochschulen neue Potenziale mit bundesweit attraktiven Alleinstellungsmerkmalen eröffnen könnte, blieb in den Diskussionen weitgehend auf der Strecke. Umso deutlicher wurde darauf verwiesen, dass eine angemessene künstlerische Qualität eines EMP-Studiums maßgeblich vom zweiten instrumentalen oder vokalen Hauptfach abhängt, was ein umfassendes Studienangebot in Musik- und Instrumentalpädagogik unerlässlich macht. Ob EMP-Studiengänge ohne instrumentale oder vokale Lehrbefähigung – ein Spezifikum an baden-württembergischen Musikhochschulen – den Mindestanforderungen an bundesweite Qualitätsstandards gerecht werden können, wurde im Rahmen des EMP-Podiums kontrovers diskutiert. Dies war insbesondere vor dem Hintergrund bemerkenswert, dass eine gewisse Berufsunzufriedenheit sowohl von mehreren Podiumsdiskutanten als auch von einigen Fachleuten im Plenum explizit artikuliert wurde.

Die Zukunftskonferenz war ausschließlich der baden-württembergischen Diskussion gewidmet, betraf aber zahlreiche grundlegende Aspekte, die auch für andere Musikhochschulen von Bedeutung sind oder es verstärkt sein werden. Ähnlich wie das Thema Exzellenz an den baden-württembergischen Musikhochschulen im Dreischritt von künstlerischer, pädagogischer und wissenschaftlicher Expertise stringent vorangebracht werden soll, wird die Diskussion in absehbarer Zeit sicher auch in anderen Bundesländern eröffnet werden. Als besonders erfreuliche Erkenntnis kann in diesem Zusammenhang festgestellt werden, dass die Elementare Musikpädagogik mit ihrer zentralen Brückenfunktion zwischen institutionalisierter musikalischer Bildung und außerschulischer kultureller Bildungsarbeit in der Politik angekommen ist.

Langfristiger Prozess

Weiterführende Entscheidungen zur Zukunft der Musikhochschulen in Baden-Württemberg werden offensichtlich nicht unwesentlich von der EMP, der allgemeinen Musikpädagogik und der Musikvermittlung abhängen. Daran, dass die EMP-Bereiche dafür durch langfristige Umverteilungen und Umschichtungen wissenschaftlich und forschungsorientiert vorangebracht werden müssen, schien zum Ende der Veranstaltung kein Zweifel mehr zu bestehen, auch wenn deutlich wurde, dass dies ein längerer Prozess werden wird, der Jahrzehnte dauern kann.

Wann von der Diskussion um gesellschaftliche Bedarfe zukünftig die eigentlich zu erreichenden Zielgruppen, nämlich Kinder und musizierende Laien, profitieren werden, wird die Zukunft zeigen. Dass Ministerin Bauer dafür an allen fünf Musikhochschulen offene, kompetente und zukunftsorientiert denkende Gesprächspartner braucht, sollte in Trossingen deutlich geworden sein. Wie sich diese eingangs deutlich formulierte Forderung der Ministerin konkret auf die Ausrichtung der zukünftigen Kern-, Profil- und Exzellenzbereiche der fünf Musikhochschulen auswirken wird, lässt sich nach der Trossinger Konferenz nur erahnen. Einmal mehr bleibt zu hoffen, dass die drei weiteren Tagungen den Weg zu einer Konkretisierung der künstlerischen, wissenschaftlichen und pädagogischen Exzellenz ein weiteres Stück werden ebnen können. Der Tag in Trossingen hat dazu vermutlich bereits einen wichtigen Beitrag geleistet.

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