Auf dem Empfang, den die Neue Musikzeitung zu ihrem fünfzigjährigen Bestehen in Regensburg für zahlreiche Persönlichkeiten des Deutschen Musiklebens, für ihre Mitarbeiter und Freunde gab, hielt Bernhard Bosse, Gründer, Herausgeber und langjähriger Chefredakteur der nmz, die Festrede, die zu dem umfassenden Resümee einer Lebensleistung wurde, die identisch ist mit dem Aufstieg der Zeitung, auf die auch die nachfolgende Generation mit dem heutigen Herausgeber und Chefredakteur Theo Geissler weiter aufbauen kann. Aus Bernhard Bosses Rede zitieren wir im folgenden die informativsten Passagen über den „Lebensweg” der nmz.
Auf dem Empfang, den die Neue Musikzeitung zu ihrem fünfzigjährigen Bestehen in Regensburg für zahlreiche Persönlichkeiten des Deutschen Musiklebens, für ihre Mitarbeiter und Freunde gab, hielt Bernhard Bosse, Gründer, Herausgeber und langjähriger Chefredakteur der nmz, die Festrede, die zu dem umfassenden Resümee einer Lebensleistung wurde, die identisch ist mit dem Aufstieg der Zeitung, auf die auch die nachfolgende Generation mit dem heutigen Herausgeber und Chefredakteur Theo Geissler weiter aufbauen kann. Aus Bernhard Bosses Rede zitieren wir im folgenden die informativsten Passagen über den „Lebensweg” der nmz. Nach dem verlorenen Krieg erhofften sich die Menschen in Deutschland Einbindung in internationale Gemeinschaften, sie orientierten sich neu in Europa und der Welt. Ende 1950 war ich voller Tatendrang von einem langen USA-Aufenthalt zurückgekehrt. In meinem Verlag aber lagerten fast unverkäuflich die von Gustav Bosse und mir verlegten Titel für die Buchreihen „Deutsche Musikbücherei“ und „Von Deutscher Musik“ sowie die traditionsbefrachtete „Zeitschrift für Musik“ – 1837 gegründet von Robert Schumann, gestaltet von Autoren, die mir misstrauisch bis feindlich begegneten, die noch immer ihrem großen 1943 verstorbenen Idol Gustav Bosse nachtrauerten.In dieser tristen Situation traf mich die Musikalische Jugend Deutschlands. Vor mir lag ein Prospekt, in dem sie ihre Zielsetzungen vorstellte, ihre Arbeitsmethoden und ihre Organisation: Junge Komponisten und Neue Musik, zeitgenössische Musik für Laienorchester und Chöre, Jazz in der Schule, internationaler Austausch junger Künstler und vieles mehr.
So schrieb ich den schon oft zitierten Brief an die Musikalische Jugend Deutschlands, in dem ich das Angebot unterbreitete, für sie eine Zeitschrift zu gestalten und herauszugeben. Es war meine erste eigene Entscheidung als Verleger, es war die schwerste Entscheidung und es war die folgenreichste. Die Zeitschrift ergab im Zusammenspiel mit einem neu konzipierten Buchverlag ein Unternehmen. Das Blatt wurde zum Zentrum des Verlags in der jede Idee, alle Produktionen, alle Mitarbeiter ihre Anlauf- und Ausgangsposition fanden.
Mit der Musikalischen Jugend Deutschlands trat Eckart Rohlfs 1951 – also vor 51 Jahren – als 20-jähriger Student der Publizistik und Musikwissenschaft in die Vorbereitungen für die geplante Zeitschrift und die gesamte Verlagsarbeit ein. Die Herausgabe der Zeitschrift wurde beschlossen. Sie wurde „Musikalische Jugend – MJ“ getauft. Der Titel war einerseits Programm, andererseits war der Verband angesprochen, für den wir im besonderen tätig sein wollten. Den Regensburger Musikkritiker Severin Maria Wiemer wählten wir zum Chefredakteur. Er schrieb für die Startausgabe der „MJ“ 1/1952 einen Leitartikel, in der er unsere Haltung und Zielsetzung in der „MJ“ als auch fürderhin für den Verlag unter der Überschrift „Musik-Journalismus“ fixierte.
Ein bemerkenswerter Leit-Begriff. „Wenn wir der Musik wieder je ganz inne werden wollen“, schrieb Wiemer, „müssen wir sie aus dem Frieden des Feierabends an die Brennpunkte des Tages holen und sie als gesellschaftsbildende Kraft unmittelbar neben uns stellen. Musik in solchem Sinn als Tagesfragen, das ist eines der großen Anliegen, der Jeunesses Musicales und des Verlages“.
Mit dem leitmotivischen Terminus „Musik-Journalismus“ verbanden sich Stilfragen, die neu im deutschen Musikleben waren. Zum einen die – ich sage einmal bewusst: journalistische „Schreibe“ als Gewähr für Verständlichkeit des jeweiligen Inhalts der Artikel. Und zum andere das Format der Zeitschrift: Das Zeitungsformat. So wurde der Typ der Nicht-Zeitschrift geschaffen, ein Musik-Periodikum – für jeden erkennbar – zum unmittelbaren Verbrauch bestimmt, durch das Format deutlich aktualitätsbezogen, unprätentiös, spontan. Ulrich Dibelius testierte uns: „Eine eigene Skala von Wertungen, Urteilen und Tonlagen, welche die Zeitung unverwechselbar machen.“
Zurück zur Sache, Eckart Rohlfs erläutert, wirbt, schreibt über und für die MJD, versucht Verständnis für diese international verankerte Gruppe junger Menschen im Nachkriegs-Deutschland zu gewinnen, Widerstände und Vorbehalte zu entkräften. Aus seiner nur ihm eigenen Art mit dem spröden Thema „Verbandsarbeit“ umzugehen, entwickeln wir später einen Stil, mit dem es im Lauf der Jahre gelingen sollte, die Zusammenarbeit mit vielen Musikverbänden aufzunehmen. Es ging stets darum, dem Verband und dem einzelnen Mitglied sein Wirken und seine Tätigkeit, seine Position im Gesamtfeld Musik bewusst zu machen. Viele Verbände formierten sich um die „MJ“, weil sie auch als das Oppositionszentrum gegen den Deutschen Musikrat verstanden wurde. Dessen einseitige Fixierung auf nur wenige Gruppierungen unter seinen Mitgliedern, waren Anlass für diese Frontstellung.
Kulturpolitik! 1966 sprach mich Klaus Bernbacher erstmals darauf an. In einer ausführlichen Debatte erläuterte er mir seine Vorstellung von Kulturpolitik und empfahl in der „MJ“ zumindest in den tragenden Aufsätzen und Berichten auch diesen Aspekt mitspielen zu lassen. Er wollte so ein breiteres Spektrum der Gesellschaft ansprechen und eine vertiefende Wirkung in puncto Gesellschaftsbildung und -formung erreichen.
1969, nachdem ich die Chefredaktion der Zeitung selbst übernommen hatte und sie in „Neue Musikzeitung – nmz” umgetauft hatte, wurde Kulturpolitik bewusst betrieben und zu einem zentralen Thema.
Das außergewöhnliche Engagement der „nmz“ für die Berichterstattung, die Pädagogik, die Verbände – nächst der MJD vor allem dem Verband Deutscher Musikschulen - , für Jazz/Rock/Pop, für Neue Musik, Junge Komponisten und Interpreten, für Neue Geistliche Lieder, für Musikverlage und Instrumentenbauer und für die Kulturpolitik und damit der Umfang des Blattes forderten nun eine vermehrte Zahl ständiger Mitarbeiter. Gerhard Rohde, Peter Fuhrmann, Klaus Hashagen, Helmuth Hopf, Diethard Wucher, um nur die Wichtigsten zu nennen, wurden 1969/70 als Redakteure für die Hauptsparten gewonnen.
Gleichzeitig eröffnete ich im Gustav Bosse Verlag die Sparte Musikpädagogik mit der Herausgabe der „Musikalischen Früherziehung“, dem bedeutenden Unterrichtswerk des Verbandes Deutscher Musikschulen. Für den Verlag und die „nmz“ erwies es sich in dieser Situation als glückliche Fügung, dass mein junger Freund Theo Geißler dem Fernsehen den Rücken kehrte. Ich hatte Theo Geißler schon als Schüler, als wortgewandten Redakteur in meiner Regensburger „Theater der Jugend-Redaktion“ kennengelernt, hatte ihn als geschickten und um Argumente nie verlegenen Diskussionspartner erlebt. Manchmal wiederholt sich die Geschichte: Hatte ich 1950/51 dem Programm Gustav Bosses den Abschied gegeben, so wiederholte sich der Prozess 1987 nach meinem Austritt aus dem Verlag. Theo Geißler schied mit der „nmz“ aus dem Verlagsverbund Gustav Bosse – Bärenreiter und gründete den eigenständigen Verlag „Neue Musikzeitung“.
Er verabschiedete sich aus einer Bindung, die ihm Fesseln auferlegte, die er nicht mehr tragen konnte. Dennoch: die „nmz“ heute ist im Geiste der „nmz“ von gestern eng verwandt. Das Spektrum aber ist enorm erweitert. Die Präsenz in den neuen Kommunikationsebenen ist frappant. Ich sehe eine Zeitung neben der Zeitung, das Druckbild neben dem Bildschirm. Die „nmz“ wird über diesen Weg des schnellen Zugriffs auf ihre Inhalte zum totalen „Tagesereignis“. Das Ziel, das wir uns in der Ausgabe 1/1952 gesetzt hatten, ist erreicht.