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Elementare Aura und routinierte Animation

Untertitel
Das Künstlerkollektiv Flandern und das Timna Brauer Ensemble präsentierten Kinderkonzerte hautnah
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„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer...“ Leer? Und was ist mit den Rohren, Pfeifen, Rädern, Drehorgeln, Be-cken, Zimbeln, Rasseln, Klappern und Ratschen? All diesen Krimskrams haben die Künstler aus Flandern in den Gärtnersaal des Weikersheimer Schlosses geschleppt.

„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer...“ Leer? Und was ist mit den Rohren, Pfeifen, Rädern, Drehorgeln, Be-cken, Zimbeln, Rasseln, Klappern und Ratschen? All diesen Krimskrams haben die Künstler aus Flandern in den Gärtnersaal des Weikersheimer Schlosses geschleppt.Terra“ heißt ihr Musiktheater, das am Kongress Premiere feiern durfte. Erde, Feuer, Luft und Wasser – die vier Elemente reproduziert mit altbewährten und ext-raordinären Klangerzeugern, einer Tänzerin und Szenografen. Ehe man Zeit bekommt, sich den Klang der Kuriositätensammlung auszumalen, ertönt bereits ein Leierkasten. Das Stück hat begonnen. Zwei junge Schauspieler streifen über die Bühne und ziehen einen Schweif aus Seifenblasen hinter sich her. In ihren Kostümen sehen sie aus wie zwei knuffige Erdwichtel. Gegluckse und Gejohle in den vorderen Reihen, in denen die Kinder sitzen. Die Jagd auf die Schaumkugeln ist eröffnet.

Lisbeth Janssen, die Tänzerin, kommt herein. Sie kommt nicht nur herein. Eine unfassliche Aura. Der Tonmantel der Musiker Yoram, Xenia und Henk Mesuere, die Kulisse, sie zaubern eine Stimmung, die ungezähmt und doch charmant anmutet. Und bevor man sich in der rohen Poesie der Erde verliert, braust einem das nächste Element in und um die Ohren. „...Wir sehen die Luft in andauernder Bewegung.“ Nicht nur die Luft. Mit Bändern und Reifen wirbeln die Darsteller umher, zucken zu dem Trommelfeuer aus Kutu Wapas, Regenmachern und Holzklötzen. Gigantische Windräder verwandeln den Raum in das Zentrum eines Hurrikans. „Der rote Faden durch dieses Labyrinth ist Improvsation und Magie“, schreiben die Künstler über ihr Werk. Muss wohl so sein: Das, wofür der liebe Gott eine komplette Woche benötigte, vollbringen die Mitglieder des Künstlerkollektivs in einer Dreiviertelstunde. Sie schaffen eine Welt voll Mystik, Fantasie und Farbe. Man wünschte sich, Kind zu sein, um hemmungslos abtauchen zu dürfen, ohne sich hinterher dafür genieren zu müssen.

Diese Möglichkeit bot sich später, beim Abschlusskonzert des Kongresses. „Na gut, dann seid ihr eben alle Kinder“, erklärt Timna Brauer, nachdem sie die erdrückende Übermacht der über Dreißigjährigen erkannt hatte. Jene lassen sich nicht lange bitten. Von wegen „Kiddies groove much better“ – „adults groove at least as well“ hätte der Programmtitel lauten müssen.

Die älteren Semester legen eine erstaunliche Flexibiltät an den Tag. Beim Farbenraten sind ihnen die wenigen anwesenden Kinder trotzdem überlegen. Elias Meiri und sein Keyboard kreieren die ganze Pigmentpalette. „Und was ist das für eine Farbe?“, will Timna Brauer wissen. „Gelb“, überplärrt ein Wonneproppen die übrigen zaghaften Stimmchen. „Nein, rot.“ Naja, die paar Frequenzen hin oder her. Ein wenig mehr Spielraum hätte man der Fantasie ruhig lassen dürfen. Mit jener sind Brauer und ihr Ensemble gut bestückt. Cello, Violine, Schlagzeug, Keyboard und nicht zuletzt Timna Brauers wandlungsfähige Stimme führen die Zuschauer durch die Kulturen der Weltmusik. Wiener Walzer, ein Stückchen Kleine Nachtmusik, Klezmer, arabischer Bauchtanz. Mit konventioneller Routine präsentierten sie ihre Interpretation traditioneller Werke. Ein Großteil der gespitzten Lauscher schien bei dem einstündigen Spektakel ihren Spaß zu finden. Besonders bei der unvermeidlichen Schlusspolonaise.

Mit einer Djembe in der Hand mäandert der exotische Percussionist durch Stuhlreihen, vorbei an minder gelösten Zaungästen. Hinter ihm her trampelt die bunte Meute. Und unversehens der Gedanke: der nächste Urlaub geht nach Afrika.

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