Im Jahr 2003 wird hier zu Lande das 100-jährige Bestehen der deutschen musikalischen Urheberrechtsgesellschaft gefeiert. Das soll Gelegenheit sein, sich für den Ursprung dieser segensreichen Einrichtung zu interessieren, der wir Komponisten den Geldausgleich für unsere künstlerische Arbeit verdanken. Die Anfangsgeschichte zu dieser Institution liegt nämlich weit über zweihundert Jahre zurück: im 18. Jahrhundert. Es ist das Jahrhundert der Aufklärung, hier wirkten Goethe, Voltaire, Rousseau, Diderot, Kant, Hume, Pestalozzi, Jefferson, Franklin et cetera, aber auch der erste freischaffende, vom höfischen, musikalischen Frondienst emanzipierte Komponist Wolfgang Amadeus Mozart.
Im Jahr 2003 wird hier zu Lande das 100-jährige Bestehen der deutschen musikalischen Urheberrechtsgesellschaft gefeiert. Das soll Gelegenheit sein, sich für den Ursprung dieser segensreichen Einrichtung zu interessieren, der wir Komponisten den Geldausgleich für unsere künstlerische Arbeit verdanken. Die Anfangsgeschichte zu dieser Institution liegt nämlich weit über zweihundert Jahre zurück: im 18. Jahrhundert. Es ist das Jahrhundert der Aufklärung, hier wirkten Goethe, Voltaire, Rousseau, Diderot, Kant, Hume, Pestalozzi, Jefferson, Franklin et cetera, aber auch der erste freischaffende, vom höfischen, musikalischen Frondienst emanzipierte Komponist Wolfgang Amadeus Mozart.Im 18. Jahrhundert entwickelte sich die Idee von religiöser und politischer Freiheit, vom Fortschritt, die Vernunft begann über den Aberglauben zu siegen, unsere moderne Vorstellung vom individuellen Recht auf Glück formte sich. Der Mensch befreite sich aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit, wie es Kant formulierte. Es war eine der hoffnungsvollsten Epochen unserer neuzeitlichen Geschichte, der Beginn unserer modernen Welt, mit allen Vor- und Nachteilen.In diesem Jahrhundert, nämlich 1732 – im gleichen Jahr wie Joseph Haydn – wurde Pierre-Augustin Caron als Sohn eines „maître horloger“, eines Uhrmachermeisters in Paris geboren. Im kunstliebenden Haus der Eltern erlernte Pierre-Augustin bereits als Kind verschiedene Musikinstrumente, Gitarre, Geige und Flöte, auf denen er bei Hauskonzerten mitwirkte. Mit dreizehn Jahren begann er beim Vater in die Lehre zu gehen und arbeitete sich so intensiv in den Beruf des Uhrmachers ein, dass er mit Anfang zwanzig ein neues System der Ankerhemmung für Taschenuhren entwickelte und dadurch eine präzisere Gangart der damaligen Werke erreichte. Diese Erfindung wurde ihm von Lepante, dem Uhrmacher des Königs, öffentlich streitig gemacht, nachdem Caron ihm seine Entdeckung naiv vorgeführt und detailliert erklärt hatte.
In der damals wichtigsten Pariser Zeitschrift „Le Mercure“ erschien ein Artikel über die neue Erfindung des königlichen Uhrmachers Lepante. Der junge Caron antwortete mit einem offenen Brief ebenfalls in „Le Mercure“ und legte bereits mit großem Formulierungstalent die Entwicklung seiner Erfindung dar. Um es kurz zu machen, die Akademie entschied mittels Gutachter gegen den mächtigen Höfling und der junge Erfinder bekam sein Recht. Aus dem Bürger Caron wurde bald durch Heirat der adlige Höfling Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais, der im königlichen Schloss nach und nach verschiedene Posten innehatte, unter anderem gab er den Töchtern Ludwig des XV. Harfenunterricht, denn inzwischen war er auch auf diesem Instrument ein vorzüglicher Interpret geworden.
Später kaufte sich Beaumarchais das Amt eines königlichen Sekretärs, von einem reichen Gönner finanziert und schließlich avancierte er zum Generalleutnant der Königlichen Jagden, (Capteine général des Chasses), ebenfalls eine gekaufte Stellung, so war es in der Endzeit des französischen Absolutismus üblich. Dieses Amt übte Beaumarchais sogar bis zur Revolution 1789 aus, wenn er nicht gerade zwischenzeitlich auf Auslandsreisen war oder auch im Gefängnis einsaß. Stets war er geschäftlich tätig, handelte mit Holz, Kerzen und Waffen, was gelegentlich mit viel Ärger, Rechtsstreitigkeiten und finanziellen Verlusten endete. Erfolgreich und weltberühmt blieb er schließlich als Theaterautor, 1775 war die Uraufführung seines „Le Barbier de Seville“, 1784 kam „Die Hochzeit des Figaro“ heraus („Le Mariage de Figaro ou la folIe journée“). „Der Barbier von Sevilla“ wurde durch die Vertonung Rossinis ebenso weltberühmt und repertoirebeständig wie Mozarts Fassung von „Figaros Hochzeit“, die sich auch in der Originalfassung als Schauspiel „Ein toller Tag“ bis heute in den Spielplänen gehalten hat.
Beaumarchais sah sich ständig von den Theatern um sein Geld betrogen. Diese, meist von Schauspielern geleitet, unterschlugen Vorstellungen, rechneten die Besucherzahlen nicht korrekt ab oder verweigerten sogar die vertraglich festgelegten Zahlungen. Durch seinen Rechtserfolg als betrogener jugendlicher Erfinder ermutigt, ging er nun auch als Theaterautor die Angelegenheit mit dem geistigen Eigentum grundsätzlich an. Im Juli 1777 lud er in sein Haus alle Pariser Theaterautoren zu einem Abendessen ein. Einundzwanzig Herren erschienen, einige Kollegen blieben fern. Der Schriftsteller Peter Flügge, dessen interessantes Buch über Beaumarchais’ Leben vor einem Jahr mit dem Titel „Figaros Schicksal“ erschien, vermutet, dass schon damals die Feigheit bei Autoren oft ausgeprägter war als ihre Eitelkeit.
Jedenfalls wurde an diesem Sommerabend in Paris die erste Urheberrechtsgesellschaft der Welt gegründet, die „Societé des auteurs dramatiques“, aus der 1851 die SACEM hervorging – „Societé des auteurs, compositeurs et editeurs de musique“, die als Vorbild für die Gründung der ersten deutschen musikalischen Urheberrechtsgesellschaft im Jahre 1903 diente. Die Franzosen waren um ein halbes Jahrhundert schneller als unsere deutschen Urgroßväter.
Die Popularität der von Beaumarchais erfundenen Bühnenfigur des „Figaro“ zeigt sich noch heute daran, dass dieser Name ganz selbstverständlich als Synonym für den Beruf des Friseurs gebräuchlich ist, abgesehen davon, dass eine der größten Pariser Tageszeitungen diesen Namen trägt. In „Figaros Hochzeit“ stellt die gesellschaftskritische Einstellung des Autors den Adel vor dem „dritten Stand“ (dem einfachen Volk) bloß, sodass Napoleon von dem Theaterstück mit Recht sagte, mit ihm sei die Revolution (1789) anmarschiert. In Wien wurde „Ein toller Tag“ oder „Figaros Hochzeit“ als Schauspiel sofort verboten und Kaiser Josef genehmigte die Mozart’sche Fassung erst nach genauer Lektüre des Librettos durch die Zensoren. Der Kaiser meinte, bei der Singerei höre man eh nicht so recht auf den Text.
Man kann sich das Ausmaß der gesellschaftlichen Grenzüberschreitung im Monolog Figaros heute kaum vorstellen: „Nein, Herr Graf, Sie werden sie nicht kriegen... Weil Sie ein hochgestellter Herr sind, halten Sie sich auch für ein Genie!... Adelstitel, Reichtum, Aussehen, Hofämter; das alles macht Sie stolz! Und was haben Sie tun müssen, um solche Güter zu erwerben? Sie haben die Qual der Geburt erduldet, weiter nichts. Im Übrigen sind Sie ein ziemlich durchschnittlicher Mensch. Ich aber, weiß Gott! Ich kam von ganz untern her, ich musste für meine bloße Existenz mehr Intelligenz und Berechnung aufwenden, als man seit hundert Jahren aufgewandt hat, um ganz Spanien samt all seinen Kolonien zu regieren.“
Natürlich weiß Beaumarchais wovon er Figaro hier reden lässt, von sich selbst, von Pierre-Augustin Caron, dem es bei Hofe passierte, dass ein gebürtiger Adliger, dem der bürgerliche „Emporkömmling“ de Beaumarchais degoutant erschien, diesem seine Uhr hinhielt mit der Bemerkung „Schauen Sie, mein Lieber, meine wertvolle Uhr ist stehen geblieben, Sie sind doch gelernter Uhrmacher, ach würden Sie sich das bitte mal ansehen?“ Beaumarchais nahm interessiert die Uhr zur Hand, ließ sie aufs Parkett fallen, dass es knallte und wendete sich mit Bedauern über das kleine Malheur ab. So schaffte er sich Feinde, deren er sich ständig zu erwehren hatte. Für uns entscheidend ist, dass er im Zuge der französischen Aufklärung das Bewusstsein für das geistige Eigentum erweckte, um das wir auch heute leider noch immer und weiter kämpfen müssen.
Wie mühselig und fast vergeblich das oft ist, zeigte sich jetzt bei der vom Deutschen Bundestag im Frühjahr 2002 verabschiedeten Gesetzesänderung zur Urheberrechtsreform. Der Medienindustrie gelang es durch massiven Druck auf Politiker, die für uns Autoren in zähen Verhandlungen vorgesehenen und längst notwendigen Verbesserungen wieder abzuschwächen und zu verwässern. Das „Handelsblatt“ meldete triumphierend: „Verleger siegen im Urheberrechtsstreit“. Hier zeigte sich überdeutlich, welch unglaublicher Rigorismus vonseiten bestimmter Mediengruppierungen, sehen sie ihre geldwerten Vorteile in Gefahr, uns Urhebern entgegenschlägt. Nicht die Angst vor Repressionen muss bei uns Autoren größer sein als unsere Eitelkeit, sondern unser Mut, sich gegen die Repressionen aufzulehnen, sollte mit der uns unterstellten Eitelkeit konkurrieren können.
Beaumarchais’ beständiges Unabhängigkeitsstreben, das schließlich zu unserem heutigen Urheberpersönlichkeitsrecht führte, sollte uns Autoren Vorbild sein. Trotz aller Widrigkeiten, die er sich damit einhandelte, war sein Leben als Uhrmacher, Musiker, Compositeur, begehrter Liebhaber, Geschäftsmann, Höfling, Familienvater und gefeierter Theaterdichter bis zuletzt spannend, gefahrvoll, aber auch hoffnungsfroh. Ihm verdanken wir den Begriff „geistiges Eigentum“, die Gründung der ersten Autorenvereinigung und die Erkenntnis, sich nicht nur zur Wehr zu setzen, um seine Interessen durchzusetzen, sondern auch aus Selbstachtung.