Das Jubiläum zum Anlass nehmend, entsprach die Auseinandersetzung mit Kurt Weill wohl eher einem englischen Nachholbedürfnis. Der erstaunlich anpassungsfähige, wenngleich sich auch im amerikanischen Exil durchaus treu gebliebene Musiktheateragitator Weill hatte im britischen Königreich nie recht Fuß gefasst; dass er, bevor er in den Staaten sein Heil fand, hier heimisch werden wollte und für das Savoy Theatre eine englische Variante seiner in Deutschland nie aufgeführten Operette „Der Kuhhandel“ lieferte, die hier am 28. Juni 1935 als „A Kingdom of the Cow“ ihre Premiere erlebte, ist lange vergessen. Als „Arms & the Cow“ sah sie sich in der Barbican Hall in einer neuen Übersetzung und Aufführungsversion einer humorvollen, konzertanten Wiederbelebung ausgesetzt. Bis auf die beiden Klassiker „Die Dreigroschenoper“ und „Mahagonni“, deren Aufführungspraxis hierzulande allerdings viel zu wünschen übrig lässt, stellte erst in den 80er-Jahren die halbprofessionelle Abbey Opera einige Einakter Weills vor, während etwa zur gleichen Zeit der amerikanische Dirigent John Mauceri bei der Scottish Opera mit „Lady in the Dark“ und „Street Scene“ den amerikanischen, von kommerziellen Gesichtspunkten geprägten, doch musikalisch keineswegs weniger fulminanten Weill erfolgreich aufführte. Der BBC lag daran, in acht dicht aufeinander folgenden Konzerten eine repräsentative Auswahl aus Kurt Weills Œuvre chronologisch zu präsentieren, seinen untrüglichen Theaterinstinkt in den Vordergrund zu rücken und den deutschen wie den amerikanischen Weill als eine künstlerische Einheit zu dokumentieren. So standen sich zum Eröffnungsabend dem selten erfolgten Wunsch Weills entsprechend mit „Der Protagonist“ und „Royal Palace“ (englische Erstaufführung in der von Gunther Schuler 1971 rekonstruierten Orchestrierung) dessen erste Operneinakter gegenüber – erfreulicherweise auf Deutsch, doch konzertant und zudem von Andrew Davis und dem BBC Symphony Orchestra derartig bittersüß interpretiert, dass Weills bewusst inkorporierte Gegensätze und Doppelbödigkeiten kaum bewusst wurden. Unter dem gleichen Dirigat litten weitere frühe Werke wie die „Kleine Dreigroschenmusik“, „Der neue Orpheus“, „Vom Tod im Wald“ und die 2. Symphonie. Sicherlich gab es auch eine Reihe von Höhepunkten, darunter vorrangig Kammermusik, so Weills schmales, doch gehaltvolles Streichquartett-Schaffen mit dem Chilingrian Quartett, die Cellosonate, „Recordare“(1923) oder die „Bastille Musik“ aus der Bühnenmusik zu Strindbergs Drama „Gustav III“. Schließlich durften unter anderem „Das Berliner Requiem“ und „Der Lindbergh Flug“ nicht fehlen, während den Vogel die europäische Premiere der Broadway Show „The Firebrand of Florence“ (1944) in der Bearbeitung von Sam Brooks abschoss. Weill, der sich nicht daran störte, von Busoni als ein „Verdi für die Armen“ tituliert zu werden, kam mit der geistvollen und blendend orchestrierten Musicalrealisation des Benvenuto-Cellini-Stoffes Offenbach nahe. Dieses so spritzig servierte Finale konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich Weill nahezu das ganze Wochenende über eine unbefriedigende Nivellierung gefallen lassen musste und sich dessen Theaterinstinkt auf dem Konzertpodium kaum überzeugend entfalten konnte.
Seit Jahren veranstaltet die British Broadcasting Corporation Ende Januar in Londons Barbican Centre ein ausschließlich einem Komponisten gewidmetes verlängertes Intensivwochenende. Eine solche Tour de force, für die in England allein der BBC die nötigen Ressourcen zur Verfügung stehen, sucht nicht die Konfrontation; vielmehr will sie mit der Hoffnung auf eine Langzeitwirkung animieren. Schade ist, dass dieses alljährliche Minifestival neben einer gewissen kaum umgänglichen Subjektivität in der Werkauswahl keinerlei übergeordnete Vision besitzt. Klang das letzte Jahrhundert mit Messiaen aus, was durchaus programmatisch verstanden werden konnte, so nahm das neue Jahrhundert wohl nur deshalb mit Kurt Weill seinen Auftakt, weil wir in diesem Jahr dessen 100. Geburtstag gedenken. Wäre unsere Vermarktungsmaschinerie nicht auf Jubiläen vorprogrammiert, so dürfte musikgeschichtlich eine Konfrontation mit Weills Lehrer Ferruccio Busoni sinnvoller gewesen sein. Er stand sein Leben lang im Zwiespalt zwischen Bewahrung der Überlieferung und revolutionärer Neugestaltung der musikalischen Zukunft einer Thematik, die für die unmittelbare Gegenwart höchste Brisanz besitzt. Das Jubiläum zum Anlass nehmend, entsprach die Auseinandersetzung mit Kurt Weill wohl eher einem englischen Nachholbedürfnis. Der erstaunlich anpassungsfähige, wenngleich sich auch im amerikanischen Exil durchaus treu gebliebene Musiktheateragitator Weill hatte im britischen Königreich nie recht Fuß gefasst; dass er, bevor er in den Staaten sein Heil fand, hier heimisch werden wollte und für das Savoy Theatre eine englische Variante seiner in Deutschland nie aufgeführten Operette „Der Kuhhandel“ lieferte, die hier am 28. Juni 1935 als „A Kingdom of the Cow“ ihre Premiere erlebte, ist lange vergessen. Als „Arms & the Cow“ sah sie sich in der Barbican Hall in einer neuen Übersetzung und Aufführungsversion einer humorvollen, konzertanten Wiederbelebung ausgesetzt. Bis auf die beiden Klassiker „Die Dreigroschenoper“ und „Mahagonni“, deren Aufführungspraxis hierzulande allerdings viel zu wünschen übrig lässt, stellte erst in den 80er-Jahren die halbprofessionelle Abbey Opera einige Einakter Weills vor, während etwa zur gleichen Zeit der amerikanische Dirigent John Mauceri bei der Scottish Opera mit „Lady in the Dark“ und „Street Scene“ den amerikanischen, von kommerziellen Gesichtspunkten geprägten, doch musikalisch keineswegs weniger fulminanten Weill erfolgreich aufführte. Der BBC lag daran, in acht dicht aufeinander folgenden Konzerten eine repräsentative Auswahl aus Kurt Weills Œuvre chronologisch zu präsentieren, seinen untrüglichen Theaterinstinkt in den Vordergrund zu rücken und den deutschen wie den amerikanischen Weill als eine künstlerische Einheit zu dokumentieren. So standen sich zum Eröffnungsabend dem selten erfolgten Wunsch Weills entsprechend mit „Der Protagonist“ und „Royal Palace“ (englische Erstaufführung in der von Gunther Schuler 1971 rekonstruierten Orchestrierung) dessen erste Operneinakter gegenüber – erfreulicherweise auf Deutsch, doch konzertant und zudem von Andrew Davis und dem BBC Symphony Orchestra derartig bittersüß interpretiert, dass Weills bewusst inkorporierte Gegensätze und Doppelbödigkeiten kaum bewusst wurden. Unter dem gleichen Dirigat litten weitere frühe Werke wie die „Kleine Dreigroschenmusik“, „Der neue Orpheus“, „Vom Tod im Wald“ und die 2. Symphonie. Sicherlich gab es auch eine Reihe von Höhepunkten, darunter vorrangig Kammermusik, so Weills schmales, doch gehaltvolles Streichquartett-Schaffen mit dem Chilingrian Quartett, die Cellosonate, „Recordare“(1923) oder die „Bastille Musik“ aus der Bühnenmusik zu Strindbergs Drama „Gustav III“. Schließlich durften unter anderem „Das Berliner Requiem“ und „Der Lindbergh Flug“ nicht fehlen, während den Vogel die europäische Premiere der Broadway Show „The Firebrand of Florence“ (1944) in der Bearbeitung von Sam Brooks abschoss. Weill, der sich nicht daran störte, von Busoni als ein „Verdi für die Armen“ tituliert zu werden, kam mit der geistvollen und blendend orchestrierten Musicalrealisation des Benvenuto-Cellini-Stoffes Offenbach nahe. Dieses so spritzig servierte Finale konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich Weill nahezu das ganze Wochenende über eine unbefriedigende Nivellierung gefallen lassen musste und sich dessen Theaterinstinkt auf dem Konzertpodium kaum überzeugend entfalten konnte. Die böseste Entgleisung leistete sich Ute Lemper mit ihrem nächtlichen Kabarettprogramm. Ihre überzogene, marktschreierische und allzu oft nicht einmal notengetreue Interpretation trivialisierte Weill und ergoss sich in Arroganz und extrovertierter Selbstbeweihräucherung.Humorvolle und konzertante Wiederbelebung
Untertitel
Englisches Nachholbedürfnis: Die BBC widmete Kurt Weill ein Wochenende
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