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Berliner Intendant: Theater können von Mülheim lernen

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Für Volker Hesse, Intendant des Berliner Maxim Gorki Theaters, könnten sich die Probleme der hauptstädtischen Theater dadurch klären, dass sie sich das "Theater an der Ruhr" zum Vorbild nehmen.

Berlin (ddp). Die hauptstädtischen Theater können nach Auffassung Volker Hesses, Intendant des Berliner Maxim Gorki Theaters, "viel vom Theater an der Ruhr lernen". Das Modell des Mülheimer Ensembles, 1980 von Regisseur Roberto Ciulli und Dramaturg Helmut Schäfer als unabhängiges Theater gegründet, funktioniere seit 20 Jahren erfolgreich, sagte Hesse am Freitag in Berlin. An den Berliner Bühnen sei derzeit nur im künstlerischen Bereich zu sparen, alles andere sei eng festgelegt und damit "sehr problematisch", sagte Hesse mit Blick auf die schwierige Tarifsituation. "Über die Strukturen muss freier nachgedacht werden", forderte der Intendant.

Erstmals seit seinem gefeierten Berlin-Gastspiel von 1996 (mit "Im Dickicht der Städte") kommt das Theater vom 7. bis 10. Februar wieder in die Hauptstadt. Gezeigt werden drei Inszenierungen von Theatergründer und -intendant Ciulli: Carl Sternheims Komödie "Bürger Schippel" (7.2.), Shakespeares "Der Kaufmann von Venedig" (8.2.), "Kaspar" von Peter Handke (9.2.) - seit 1986 in mehr als 30 Ländern gezeigt - und zum Abschluss "Der kleine Prinz" von Saint-Exupery (mit Ciulli in der Titelpartie). Das Gastspiel solle der Beginn einer kontinuierlichen Zusammenarbeit zwischen beiden Theatern sein, betonten Hesse und Ciulli.

Alle Inszenierungen seien "aus der Gegenwart heraus gedacht", sagte Ciulli. So solle mit dem "Kaufmann von Venedig" unter Beweis gestellt werden, wie aktuell dieses noch immer als antisemetisch geltende Stück sei. Ciulli versprach eine "ziemlich klare, aber eigenwillige Interpretation".

Das Theater an der Ruhr erwirtschaftet laut Ciulli die Hälfte seines Etats von jährlich rund 3,22 Millionen Euro selbst - durch den Verkauf seiner Vorstellungen im In- und Ausland auf Honorarbasis. Bis zu 180 Mal pro Jahr spielt das Ensemble in anderen Städten. Es könne aber nur in einer subventionierten Theaterlandschaft existieren, betonte Ciulli.

Von Anfang an sei das Theater dem Gedanken der internationalen Verständigung verpflichtet. So arbeiteten die Mülheimer mit Künstlern in Polen, dem ehemaligen Jugoslawien, Russland und der Türkei zusammen. Zuletzt inszenierte Ciulli in Teheran mit großem Erfolg "Bernarda Albas Haus" mit iranischen Darstellerinnen. Mitte März will er für zwei Wochen erstmals seit dem Golfkrieg wieder im Irak arbeiten.

Hesse kündigte zugleich mehrere neue Projekte des Gorki Theaters an. In Zusammenarbeit mit der Berliner Universität der Künste kommt am 20. März "Hysterikon", ein "humorvolles Kaleidoskop der westlichen Konsumgesellschaft" auf die Bühne, Regie führt Sandrine Hutinet. Die Premiere von Ibsens "Gespenster" - Regie und Ausstattung Kazuko Watanabe - ist für den 26. März angekündigt. Unterschiedlichen und gleichartigen musikalischen Erfahrungen im geteilten Deutschland spürt der Abend "Einheitsblues" (5. April) nach. Mit Moritz Rinkes "Republik Vineta" bringt das Gorki Theater am 31. Mai auch das von Kritikern zum Stück des Jahres 2001 gewählte Werk auf die Bühne (Regie: Stefan Otteni). Als deutschsprachige Erstaufführung wird im Mai im Gorki Studio "9 MM" von Lyonel Spycher zu sehen sein.