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Die Präsidentin des Goethe-Instituts Jutta Limbach zum Karikaturenstreit

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»Deshalb brauchen wir das Goethe-Institut«
Der Karikaturenstreit hat vor Augen geführt, wie schwierig der Umgang mit anderen Kulturen, Religionen und Traditionen ist. Die Präsidentin des Goethe-Instituts, Jutta Limbach, bezieht Stellung zum Karikaturenstreit und zur Pressefreiheit und warnt vor westlicher Ignoranz.

Das Goethe-Institut hat seit 2002 seine Arbeit in islamisch geprägten Ländern intensiviert. Mit Hilfe von Sondermitteln des Auswärtigen Amtes wirbt es für Verständnis und für das Gespräch auf Augenhöhe.

Die Präsidentin des Goethe-Instituts Jutta Limbach warnt im Karikaturenstreit vor einem einseitigen westlichen Blick. Die westliche Kultur habe, so Limbach, bereits eine große Kritikverträglichkeit entwickelt. Und wörtlich fügt sie hinzu: „Wir können uns deshalb die Verletzlichkeit anderer Kulturen bzw. Religionen kaum vorstellen.“ Andererseits seien Meinungs- und Pressefreiheit Grundrechte einer Demokratie. „In den westlichen Demokratien, namentlich in Deutschland, schützt die Pressefreiheit auch die ignorante und unsachliche, ja, mitunter dumme Kritik oder Satire, damit sich die gute und sachliche Kritik ans Licht wagt“, so die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts. Ausschlaggebend dafür seien die „bitteren Erfahrungen im Nationalsozialismus“. Allerdings sieht sie hier auch den größten Kulturunterschied, der sich deutlich in der aktuellen Diskussion um die Karikaturen widerspiegele: Im Westen, so Limbach, werde die Toleranz aus der Verfassung heraus begründet, im Orient hingegen aus der Religion. Weniger also aus presserechtlicher Sicht, als aus dem Ethos einer verantwortlichen Presse heraus, hält Jutta Limbach die Veröffentlichung der Karikaturen für bedenklich: „Es ist eine Geschmacklosigkeit höchsten Grades, wenn man Menschen dort trifft, wo sie, weil es um das ihnen Heilige geht, am verletzbarsten sind.“

Vor dem Erfahrungshintergrund der langjährigen Kulturarbeit, die das Goethe-Institut in der islamischen Welt geleistet hat, rät Limbach zu mehr Einfühlungsvermögen und Toleranz im Umgang miteinander. Es sei beunruhigend zu erleben, dass durch Ignoranz ein „Zusammenprall der Kulturen“ ausgelöst werden könne.

Das Goethe-Institut sei, so Limbach, von vielen Menschen in der islamischen Welt aufgefordert worden, sich im Kulturaustausch nicht vom Weg abbringen zu lassen, den es schon seit fünfzig Jahren auch in Krisenzeiten verfolgt. Das große Interesse und die Offenheit gegenüber der Sprach- und Kulturarbeit gerade auf Seiten der islamischen Jugend unterstützten den Anspruch des Goethe-Instituts, „die Menschen von Kindesbeinen an im Umgang mit anderen Kulturen zu schulen.“ Denn „Toleranz ist eine Tugend, die sich entwickeln muss“, so Limbach. Das Goethe-Institut transportiere nicht nur Sprache, sondern auch Kultur und das, was man unter einem modernen Verfassungsstaat verstehe. „Kulturarbeit“, betont sie, „setzt einen langen Atem und ein Gespräch auf gleicher Augenhöhe voraus. Kulturaustausch wird vom Goethe-Institut nicht in bevormundender Weise gepflegt, sondern als ein gemeinsames Projekt unter Partnern: Dafür brauchen wir die Goethe-Institute.“

Goethe-Institute in der islamisch geprägten Welt:
Das Goethe-Institut hat seit 2002 seine Arbeit in der islamischen Welt verstärkt. Mit Sondermitteln des Auswärtigen Amtes, aber auch mit Unterstützung der Kulturstiftung des Bundes konnten eine Vielzahl von Projekten und Programmen verwirklicht werden, so das Stadtschreiberprojekt „MIDAD“, das Kulturprogramm zur Buchmesse in Kairo und die deutsch-arabische Jugendwebsite Li-Lak (www.goethe.de/li-lak). Über die dialogischen Formate wie Symposien, Konferenzen, Podiumsdiskussionen hinaus, hat das Goethe-Institut in Nahost/Nordafrika auch im genuin künstlerischen Bereich das „Gespräch auf Augenhöhe“ gesucht: „Die sanfte Kraft der Kultur“ sollte überzeugen durch Schriftstellerbegegnungen, Ausstellungen, gemeinsame Konzerte, arabisch untertitelte deutsche Filme, ins Arabische übersetzte Bücher und eine Vielzahl von Theaterinszenierungen. An elf Orten der Region Nordafrika/Nahost wurden so genannte Dialogpunkte eingerichtet. Goethe-Institute in der islamischen Welt gibt es in Abdijan, Algier, Almaty, Amman, Ankara, Bandung, Beirut, Dakar, Damaskus, Dhaka, Istanbul, Izmir, Jakarta, Kabul, Kairo/Alexandria, Karachi, Kuala Lumpur, Lomé, Rabat/Casablanca, Ramallah, Taschkent, Tunis, Yaoundé.

Pressemitteilung 10/2006 17.02.06