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Die uramerikanische Rock-Ikone: Bruce «The Boss» Springsteen wird 70

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Aus der ärmlichen US-Provinz in den Rock-Olymp: Die Karriere von Bruce Springsteen ist eine atemberaubende Heldensaga, hier wurde ein «American Dream» wahr. Jetzt feiert der weltweit verehrte Musiker seinen 70. Geburtstag. Happy Birthday, Boss!

Berlin - Nur wenige Rockmusiker sind so bedeutsam, dass ihre Songtexte zwischen Buchdeckel gepresst werden. Bruce Springsteen, der am Montag (23. September) 70 Jahre alt wird, hat - wie auch Literaturnobelpreis-Träger Bob Dylan - diesen Ritterschlag schon zu Lebzeiten erhalten.

Und wer hätte es mehr verdient als dieser Songschreiber, der das Alltagsleben in den USA und deren ganz normale Bewohner, ihre Träume und Illusionen so sensibel porträtiert hat. Seit dem Jahrhundertsong «Born To Run» (1975) findet Springsteen die richtigen Worte - übrigens auch für politische Kritik, etwa an Polizeigewalt und Rassismus in «American Skin (41 Shots)».

Der kürzlich erschienene 100-Songtexte-Band «Like a Killer in the Sun» zementiert den Ikonen-Status eines Mannes, den Millionen Fans respekt- und liebevoll «The Boss» nennen. Fast gleichzeitig lief im August der auf einer wahren Geschichte basierende Film «Blinded By The Light» in den Kinos. Er schildert die kraftspendende Wirkung von Springsteens aufrüttelnden Liedern auf einen jungen Außenseiter im eisigen Großbritannien der Thatcher-Jahre.

Denn das ist die zweite Seite des neben Paul McCartney derzeit wohl berühmtesten und populärsten Rocksängers der Welt: Die mitreißende, auch mal bombastische Musik (von manchen als simpler «Stadionrock» bekrittelt) macht seinen Reiz ebenso aus wie die oft an großes Kino erinnernde Songpoesie. Zudem fasziniert Springsteen mit seinem menschenfreundlichen Charisma - als Verkörperung des «guten Amerikaners», der jeden einzelnen Zuhörer auch in der größten Arena ganz persönlich warmherzig anzusprechen scheint.

Während der 78-jährige Dylan - neben Woody Guthrie, Pete Seeger, den Beatles und Johnny Cash ein Vorbild Springsteens - vor allem als rätselhafter Folk-Dichter wahrgenommen wird, bietet der Singer-Songwriter aus dem US-Bundesstaat New Jersey das ideale Gesamtpaket. So ideal, dass Springsteen in einer gut 45-jährigen Karriere geschätzte 130 Millionen Tonträger verkaufen konnte, 50 Mal für den Grammy nominiert wurde und ihn 20 Mal gewann.

«Ich komme aus einem Küstenstädtchen, in dem fast alles einen leichten Anstrich von Lug und Trug hat. Genau wie ich.» So lauten die ersten Worte in der oft schonungslos ehrlichen Autobiografie «Born To Run» (2016). Springsteen - am 23. September 1949 in eine italienisch-irische Arbeiterfamilie hineingeboren - tut gar nicht erst so, als hätte er auch nur einen Teil seiner Song-Storys vom kleinen Mann am eigenen Leib erlebt: Er sei ja stets Musiker gewesen.

Aber «ein loderndes Feuer in dir», das müsse halt immer da sein, um es als junger Gitarrist und Bandleader aus der tiefsten US-Provinz an die Spitze zu schaffen - und sich dort zu halten. Dieses Feuer gefiel auch Jon Landau - einem Journalisten, der 1974 einen viel zitierten Satz über den damals noch unbekannten Musiker schrieb: «Ich sah die Zukunft des Rock 'n' Roll, und sein Name ist Bruce Springsteen.»

Landau wurde bald Manager des nach zwei mäßig erfolgreichen Alben noch ungeschliffenen Diamanten. Und Springsteen zahlte den Vorschuss schnell zurück: Ein Jahr später kam das vor Sehnsucht nach Größe geradezu berstende «Born To Run» heraus, eine der besten Rockplatten aller Zeiten voller epischer Lieder. Dieses Album mit der noch jungen E Street Band ermöglichte den Durchbruch in die Superstar-Liga.

Auch mehrjährige Vertragsquerelen konnten ihn nun nicht mehr stoppen. Mit seiner aus Folk, Soul, Blues und Rock gebauten, uramerikanischen Musik wurde Springsteen «The Boss» - ein Künstler, dem die Menschen vertrauten. Es folgten Albumklassiker wie «Darkness On The Edge Of Town» (1978), «The River» (1980) und das als platt patriotisch missverstandene «Born In The U.S.A.» (1984). Mit schweißtreibenden Marathon-Liveshows füllte Springsteen gigantische Hallen.

In den 90er Jahren wurde es ruhiger um ihn. Springsteen war nie ganz weg, aber er nahm sich nun mehr Zeit fürs Privatleben. 1991 heiratete er die Sängerin Patti Scialfa, mit der er drei inzwischen erwachsene Kinder hat. Seine nächste große Stunde als Songwriter schlug 2002, kurz nach den Terroranschlägen in den USA. Mit dem Album «The Rising» schaffte Springsteen das Kunststück, die Trauer einer zutiefst verletzen Nation in emotionalen, kitschfreien Liedern ohne Rachegefühle zu bündeln.

Bis heute ist Springsteen ein (staunenswert gut durchtrainierter) US-Volksheld geblieben, der seine linksliberale Haltung auch mal mit Wahlhilfe für die Demokraten zeigt. «Ich bin der Präsident - aber er ist der Boss», sagte Barack Obama 2009 bei einer Ehrung für seinen Freund Bruce. Überraschender als dieses Lob des ersten schwarzen US-Präsidenten war für die meisten Leser der Autobiografie, wie sehr Springsteen unter Depressionen litt und was er manchen Mitmenschen deswegen zeitweise zumutete.

Trotz dieser lange kaum bekannten Probleme blieb Springsteen als Künstler immer integer, mit starken Alterswerken wie «Devils And Dust» (2005), «Wrecking Ball» (2012) und der jüngst auf Platz 1 der Albumcharts gesprungenen grandiosen Folkpop-Platte «Western Stars». Einen weiteren Triumph erlebte «The Boss» 2017/18 bei über 230 ausverkauften Shows im Walter Kerr Theatre am Broadway, wo er zu Gitarre, Piano und Mundharmonika über sein Leben sang oder erzählte.

Für 2020 hat der dann 70-Jährige ein neues Album mit der längst legendären E Street Band in Aussicht gestellt. Die Springsteen-Saga, eine der besten Heldengeschichten der US-Rockmusik, kann weitergehen.

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