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Export-Stadt importiert Orchester - Georgisches Kammerorchester seit 20 Jahren in Ingolstadt

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Zwanzig Jahre ist es her, dass 18 Musiker aus dem Kaukasus in Ingolstadt eine neue Heimat fanden. Anlässlich der Audi Sommerkonzerte bittet das Georgische Kammerorchester am 17. Juli mit einem großen Klassik Open Air wieder Tausende von Musikliebhabern in den Klenzepark der Stadt. Für viele Ingolstädter und ihre Gäste ist das Georgische Kammerorchester längst zum Orchester ihrer Stadt geworden.

Im Sommer 1990 befand sich die einst so mächtige Sowjetunion in Auflösung. Auch in Georgien waren die Zerfallserscheinungen offensichtlich, eine Zeit der Wirren und Entbehrungen stand bevor. Liana Issakadze, georgische Geigerin, Schülerin des legendären David Oistrach, und Leiterin des renommierten Staatlichen Georgischen Kammerorchesters ahnte, dass in den nächsten Jahren keine geregelte Arbeit mehr möglich sein würde.

«Es war wirklich eine schwierige Zeit», erinnert sich Konzertmeister Samson Gonashvili. «In dem verarmten und zerrütteten Land gab es keine Chance mehr, reguläre Konzerte zu geben.» Im August 1990 gastierte das Orchester beim Schleswig-Holstein Musik Festival. Unter Vermittlung des damaligen Festivalleiters Justus Frantz kommt damals Issakadze mit dem früheren PR-Chef von Audi in Ingolstadt, Karl-Heinz Rumpf, ins Gespräch. Audi ist einer der Sponsoren des bekannten Musikfestivals im Norden.

Als ihm Issakadze die Nöte der Musiker schildert, setzt Rumpf alle Hebel in Bewegung, um dem Orchester eine zumindest vorübergehende Bleibe in Ingolstadt bieten zu können. «Eigentlich wollten wir nur zwei, drei, vielleicht fünf Jahre bleiben, bis sich die Lage in unserer Heimat normalisiert hat», sagt Gonashvili. Dass daraus ein Daueraufenthalt werden würde, hatte damals wohl niemand unter den Orchestermitgliedern geglaubt.

Zunächst wohnten die Musiker in einem Hotel. Dann fanden sich Proben- und Unterrichtsräume im Kamerariats-Gebäude der alten Universität. Und schließlich auch eine regelmäßige finanzielle Unterstützung durch die Stadt. Die Ingolstädter Stadtväter ließen sich die Chance nämlich nicht entgehen, das Image ihrer zuweilen als nicht immer wohlriechendes Zentrum der Ölindustrie geschmähten Kommune nachhaltig aufzupolieren.

«Wir hatten hier die einmalige Chance, an ein Profiorchester zu kommen», sagt der Geschäftsführer des Orchesters und stellvertretender Kulturreferent der Stadt, Jürgen Köhler, der den Werdegang des Klangkörpers von Anfang an begleitete. 270 000 Euro des Jahresetats in Höhe von 900 000 Euro kommen mittlerweile aus dem Stadtsäckel, der Rest sind Eigeneinnahmen oder Zuwendungen von Sponsoren wie Audi.

Ein 1999 gegründeter Freundeskreis des Orchesters mit mittlerweile etwa 500 Mitgliedern steuert weitere Mittel bei, etwa für die regelmäßigen Orchestertourneen, die die Musiker immer wieder auch in ihre georgische Heimat führen. Trotzdem zählen die Mitglieder des Georgischen Kammerorchesters sicher nicht zu den Top-Verdienern.

Auch künstlerisch hat das Orchester seit seiner Übersiedelung nach Bayern einen weiten Weg hinter sich gebracht. Bis 1995 fungierte Liana Issakadze als temperamentvolle und charismatische Dirigentin und Solistin in Personalunion. Als sie das Orchester verließ, um sich künstlerisch neu zu orientieren, brachen für den Klangkörper vier schwierige, «kopflose» Jahre an. Die Interimszeit endet erst mit der Verpflichtung des jungen Dirigenten Markus Poschner.

Poschner begründete unter anderem eine Ingolstädter Abokonzertreihe mit jährlich rund einem Dutzend Konzerten. Neben dem klassisch-romantischen Kernrepertoire - in der Saison 2004 wurden alle neun Beethoven-Symphonien dargeboten - pflegt er auch Werke georgischer Komponisten und macht mit seinen Musikern Ausflüge in die U-Musik. Zahlreiche CDs, eine zusammen mit der Klezmer-Legende Giora Feidman, sind die Früchte dieser Arbeit. Poschners nächster Karrieresprung führte ihn 2007 als Generalmusikdirektor nach Bremen.

Neuer Chefdirigent des Ensembles wurde der israelische Dirigent Ariel Zuckermann, der auch ein gefragter Mann bei anderen bekannten Orchestern ist, dem DSO Berlin, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks oder dem Israel Philharmonic Orchestra. Unter seiner Leitung gab es im Juni eine Jubiläums-Festwoche, bei der auch ein «Geburtstagsgeschenk» des bedeutenden georgischen Komponisten Giya Kancheli uraufgeführt wurde.

Beim Oper Air im Klenzepark (17.07., 20:30) wird diesmal Maurice Ravels «Bolero» erklingen. Dazu wird das Kammerorchester allerdings auf 50 Männer und Frauen aufgestockt, mit «Ausleihen» aus anderen großen Münchner Orchestern, hinter denen sich die Ingolstädter Musiker mit georgischen Wurzeln sicher nicht verstecken brauchen.

www.sommerkonzerte.de
www.georgisches-kammerorchester.de