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„Keine neue Entwicklung“ vs. „Beteiligung des SWR zulässig“: Unterschiedliche Bewertungen nach Gespräch zum Stiftungsvorschlag in Sachen SWR SO

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Das Informationsgespräch zum Stiftungsvorschlag des Freundeskreises des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg hat am gestrigen Freitag unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Während SWR-Intendant Peter Boudgoust bei seiner Haltung bleibt, dass aus Sicht des SWR „keine neue Entwicklung im Sinne des Rundfunkratsbeschlusses vom 28. September 2012“ vorliege, betonte Friedrich Schoch vom Freundeskreis, das Stiftungsmodell sei „rechtlich geprüft“, eine „Beteiligung des SWR als Träger der Stiftung öffentlichen Rechts sei zulässig. „Die – allesamt lösbaren – Rechtsfragen“ bezögen sich, so Schoch weiter, „auf die Ausgestaltung, nicht auf die Möglichkeit der prinzipiellen Beteiligung des SWR an der Stiftung“.

Hier die Zusammenfassung des Gesprächs aus Sicht des SWR (Pressemitteilung vom 26.7.2013):


Stuttgart: Die Freiburger Landtagsfraktionsvorsitzende der Grünen, Edith Sitzmann, die südbadischen Landtagsabgeordneten Christoph Bayer (SPD) und Dr. Ulrich Lusche (CDU) sind am Freitag, 26. Juli 2013, in Stuttgart mit SWR-Intendant Peter Boudgoust und SWR-Hörfunkdirektor Gerold Hug sowie Vertretern des Freundeskreises des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg zusammen getroffen, um über die Zukunft des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart des SWR (RSO) und des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg (SO) zu sprechen. Vertreter der "Freunde & Förderer des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg e.V." stellten ihren Vorschlag vor, das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg anstelle des Zusammenschlusses mit dem RSO in eine neue Trägerschaft außerhalb des SWR zu überführen. Der Vorschlag, erläuterte Prof. Dr. Friedrich Schoch, Mitglied der "Freunde & Förderer des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg e.V.", sehe vor, dass das RSO in das vom SWR geplante neue Rundfunksinfonieorchester des SWR ab 2016 übergehe, das SO dagegen in die Trägerschaft einer öffentlich-rechtlichen Stiftung wechsle. Die Unterstützer des von ihm entwickelten Vorschlags wollen erreichen, dass eine Stiftung aus Land, Stadt Freiburg sowie ggf. weiteren Gebietskörperschaften unter Beteiligung des SWR mit  regelmäßigen Zuwendungen ab 2016 das Orchester mit Sitz in Freiburg finanziert.

SWR-Intendant Peter Boudgoust dankte dem Freundeskreis für dessen Einsatz: "Ich sehe die Bemühungen des Freundeskreises und seiner Unterstützer um den Erhalt des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg unter neuer Trägerschaft mit Respekt und Wertschätzung. Dennoch: Aus Sicht des SWR ist eine Mitträgerschaft in einer Stiftung juristisch hochproblematisch. Im Übrigen hat die heutige ausführliche Diskussion gezeigt, dass keine Zusagen für nachhaltige und langfristig gesicherte Zuwendungen etwa des Landes oder von  Gebietskörperschaften vorliegen. Damit aber steht und fällt ungeachtet rechtlicher Fragestellungen die Realisierbarkeit des Stiftungsmodells, die aus Sicht des SWR erfordert, dass nach einer realistischen Modellrechnung mindestens 7 Mio. Euro jährlich von dritter Seite notwendig wären. Diese Summe wird mittelfristig bis auf 11 Mio. Euro anwachsen müssen. Damit liegt aus Sicht des SWR keine neue Entwicklung im Sinne des Rundfunkratsbeschlusses vom 28. September 2012 vor. Dieser Beschluss zum Zusammenschluss der beiden Sinfonieorchester des SWR in Baden-Württemberg ist am Ende einer langen und intensiven Beratungsphase der Gremien des SWR mit mehreren Sitzungen des Hörfunkausschusses und des Rundfunkrates gefallen. Dem Beschluss folgend, stehen zwei Dinge im Vordergrund: Wir wollen mit einem Zusammenschluss beider Klangkörper für den Südwesten ein künstlerisch herausragendes Rundfunksinfonieorchester schaffen und sichern. Und außerdem hat die Sicherheit der Arbeitsplätze der Musikerinnen und Musiker für mich oberste Priorität. Aus Sicht des SWR werden diese Ziele am besten mit dem beschlossenen  Zusammenschluss des RSO und SO erreicht."

SWR-Hörfunkdirektor Gerold Hug wies in dem Gespräch darauf hin, dass es dem SWR entscheidend darum gehe, dass jedes Modell langfristig die Arbeitsplätze der Orchestermitglieder garantieren müsse - unabhängig von der Entwicklung der Haushalte der Gebietskörperschaften. Sollten das Land oder Gebietskörperschaften eine Orchesterstiftung gründen wollen, müsse diese auf langfristige und dauerhafte Finanzzusagen gründen, bzw. mit einem erheblichen Stiftungskapital ausgestattet werden. Sofern sich Zuwendungen des SWR zu einer solchen Stiftung auf eine Übergangsphase beschränkten und im Einklang mit dem  Umbauprozess im SWR stattfänden, sei der SWR bereit, dies juristisch und finanziell zu prüfen. Denn nur bei einer zeitlich begrenzten finanziellen Beteiligung am Stiftungsorchester sei der Ausbau des künftigen neuen Rundfunksinfonieorchesters des SWR überhaupt möglich. (Das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg hat zurzeit ein direktes Jahresbudget von rund 11 Mio. Euro zur Verfügung.)

Prof. Dr. Schoch: "Das Stiftungsmodell ist - auch von dritter Seite - rechtlich geprüft; eine Beteiligung des SWR als Träger der Stiftung öffentlichen Rechts ist zulässig. Die - allesamt lösbaren - Rechtsfragen beziehen sich auf die Ausgestaltung, nicht auf die Möglichkeit der prinzipiellen Beteiligung des SWR an der Stiftung. Die Finanzierung der Stiftung durch die anderen Träger sowie durch externe Dritte (z.B. Sponsoren aus der Wirtschaft, Spenden aus der Zivilgesellschaft) ist im Falle der Beibehaltung beider Orchester auf der Grundlage der Zahlen des SWR zum geplanten Einsparpfad für das große fusionierte Orchester möglich: Nach der `konservativen Berechnung'` des SWR müssten 2,7 Mio. Euro im Jahr 2020 und 4,7 Mio. Euro im Jahr 2025 substituiert werden; die `Middle Case Berechnung' sieht für das Jahr 2020 einen Betrag von 4,2 Mio. Euro und für 2025 eine Summe von 6,1 Mio. Euro vor. Aus meiner Sicht sollte es nun darum gehen, in einem konstruktiven Dialog auszuloten, ob und wie diese sowie zusätzliche Mittel für den Erhalt beider Orchester aufgebracht werden können, damit der SWR seine Einsparziele erreicht und dennoch beide Orchester erhalten bleiben können."

Das Gespräch zwischen dem SWR und Vertretern des Freundeskreises des SO kam auf Initiative der südbadischen Abgeordneten Edith Sitzmann (Grüne), Gabi Rolland bzw. Christoph Bayer (SPD) und Ulrich Lusche (CDU) zustande. Das Sinfonieorchester Freiburg-Baden-Baden genieße im Bereich der Neuen Musik weltweites Renommee und wirke in der Region
Südbaden nicht nur durch seine Konzerte, sondern auch durch verschiedene Projekte kultureller Bildung und das Engagement der einzelnen Musiker. Ziel der Abgeordneten war es daher, auszuloten, ob es Möglichkeiten des Erhalts des SO Freiburg/Baden-Baden etwa im Rahmen eines Stiftungsmodells gibt.

Die anwesenden Abgeordneten erklären, dass aus ihrer Sicht alle Möglichkeiten geprüft werden sollten, um das SO zu erhalten. Es könne allerdings nicht sein, dass der SWR aussteige und die öffentliche Hand mit Steuermitteln übernehme. Angesichts eines Gesamtvolumens von 11 Millionen Euro für die gesamte baden-württembergische Orchesterförderung im Landeshaushalt (davon rund 5,5 Millionen aus Steuermitteln und rund 5,5 Millionen aus dem Wettmittelfonds), der Unterfinanzierung vieler Kultureinrichtungen und der grundgesetzlich verankerten Schuldenbremse sei keine alleinige, sondern bestenfalls eine
anteilige Beteiligung des Landes wahrscheinlich. Darüber müsse letztlich der Landtag befinden. Immerhin gehe es nach heutigem Stand um ein jährliches Zuschussvolumen von 11 Millionen Euro. Wünschenswert wäre die Gründung einer Bürgerstiftung und das Engagement weiterer Unterstützer.

SWR-Intendant Peter Boudgoust wies in dem Gespräch auch darauf hin, dass die Zusammenführung nicht nur die Vorgaben im Rahmen des für den gesamten SWR geltenden Sparprozesses erfülle, sondern zudem dringend benötigte Spielräume für künstlerische und musikalische Belange schaffe. Der gesamte Einspar- und Umbauprozess im SWR sichere den Erhalt des enormen kulturellen Engagements des SWR mit einer Vielzahl von Klangkörpern und Festivals, darunter der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern, dem SWR Vokalensemble, der SWR Big Band, dem SWR Experimentalstudio und den Donaueschinger Musiktagen wie auch den Schwetzinger SWR Festspielen.

Der SWR hat allen Orchestermitgliedern zugesichert, im Zuge des Fusionsprozesses keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen. Diese Zusage ist uneingeschränkt weiterhin gültig. Die Planungen des SWR sehen vor, die Abonnement-Konzertreihen in Freiburg und Stuttgart zu erhalten, genauso wie die Beteiligung an den Donaueschinger Musiktagen und den Schwetzinger SWR Festspielen. Zudem sind mehrere längere Aufenthalte des neuen Orchesters in Freiburg geplant, die Raum für Musikvermittlung und unterschiedliche Konzertformen bieten. In seiner ersten Saison wird das neue Orchester weniger Konzerte spielen als organisatorisch machbar wären, stattdessen sollen mehr Probenzeiten das Zusammenwachsen und präzises Arbeiten am Klang ermöglichen. Ziel des SWR ist es, das neue Orchester in der Spitze der Orchesterlandschaft zu positionieren.

 

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