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Singen am Rande des Limits - Kreuzkantor Kreile leitet auch künftig einen des berühmtesten Knabenchöre der Welt

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Dresden - Glasklare, reine Knabenstimmen in Alt und Sopran erfüllen den Probenraum des renommierten Dresdner Kreuzchors. Kreuzkantor Roderich Kreile kommentiert scherzhaft einen "Querschläger", der in den Tenor abschmiert. Beim zweiten, spätestens aber dritten Versuch wird er jedoch ernst und verlangt von den Chorknaben auch bei der abendlichen Probe nach einem anstrengenden Schultag volle Konzentration.

Die Neun- bis Zwölfjährigen enttäuschen ihren Chorleiter nicht, einige von ihnen glänzen mit Soli. Kreile ist am Ende sichtlich zufrieden. Die Leitung der Kruzianer sei für ihn auch nach 15 Jahren im Amt noch immer täglich eine reizvolle Herausforderung, sagt er später. Eine Herausforderung, der er sich auch in den nächsten Jahren stellen wird. Erst vor wenigen Tagen verlängerte der Dresdner Stadtrat den Vertrag des 54-Jährigen um weitere zehn Jahre. Kreile will der Tradition des Kreuzchors treu bleiben. "Wir gelten als eher konservative Institution", sagt er. Dabei stellt er klar, dass die heutigen Chorknaben aber keineswegs weltfremd seien, sondern im Gegenteil den modernen Dingen durchaus aufgeschlossen.

Ein Lächeln als Ansporn

Die Einflüsse einer immer schnelllebigeren Zeit würden jedoch den mehr als 700 Jahre alten Kreuzchor wohl auch in den nächsten 100 Jahren nicht grundlegend verändern. Die hohe Qualität der Aufführungen des Chors könnten nur mit der intensiven Gesangs- und Instrumentalausbildung gewährleistet werden. Nötig sei neben dem Talent vor allem Disziplin. Tatsächlich ist das Pensum enorm: "Mit mehr als 100 Konzerten in Dresden, Deutschland und der ganzen Welt singt der Chor mit einem der größten Repertoires am Rande des Limits." "Die Frage, ob das alles noch kindgerecht ist, kann ich mit 'Ja' beantworten", sagt Kreile, ohne danach gefragt worden zu sein.

Die Chorknaben begegnen ihrem Kreuzkantor mit Respekt und einer gewissen Bewunderung. Er schätze die offene und weltgewandte Art, sagt der 15-jährige Gregor Bromme. Kreile könne mit einem Lächeln die Sänger zu Höchstleistungen anspornen. Der elfjährige Franz Ungermann sagt, der Kantor sei "weder sonderlich streng noch überaus locker". Er verstehe es mit seiner Art, bei Proben und Auftritten den Spaß am Gesang zu vermitteln.

Viele Fans in Asien

Die Zeit im Kreuzchor soll auch eine Vorbereitung auf das Leben sein. Dazu gehören strukturierte Tagesabläufe mit engem Terminkalender ebenso wie Konflikte zwischen Jungen verschiedenen Alters im Alltag. Auch die ständige Konkurrenz lehre, dass das ganze Leben "aus gesundem Wettbewerb" bestehe, sagt Kreile. Trotzdem fällt es auch dem Chorleiter nicht leicht, wenn er in der 10. Klassenstufe jedes Jahr einige Jugendliche nach mehrmaligem Vorsingen aus dem Chor entlassen muss, weil sonst zu viele Bässe die jüngeren Knabenstimmen übertönen würden.

Die meisten Jugendlichen, die danach in der 11. und 12. Klasse nicht mehr im Kreuzchor singen können, bleiben dem Chor jedoch mindestens bis zum Abitur, oftmals aber ein Leben lang verbunden.

Höhepunkte und Ansporn für die Sänger jeden Alters sind die Konzertreisen, besonders nach Asien und Südamerika. In Japan haben die Kruzianer sogar Fans, die von Konzert zu Konzert mitreisen. "Der Kreuzchor ist eine Marke der Dresdner Kultur", sagt Kreile. Trotzdem drohte im Jahr 2003 eine Lücke im Etat, die nach seiner Einschätzung das Ende des Chors bedeutet hätte. Um den Missstand öffentlich zu machen, ließ der alte und neue Kreuzkantor die Chorknaben damals zur Christmette in Zivilkleidung singen - offiziell, um die Reinigungskosten für die Anzüge zu sparen. Schließlich besserte die Stadt in ihrem Haushalt nach.

 

Der Dresdner Kreuzchor

Dresden - Der Dresdner Kreuzchor gilt als einer der weltweit renommiertesten Knabenchöre. Er wurde im Jahr 1300 erstmals als Chorknabenvereinigung erwähnt. Zu den wichtigsten Aufgaben des städtischen Chors gehört es, die Vespern und Gottesdienste in der Kreuzkirche am Dresdner Altmarkt musikalisch zu gestalten. Zum Repertoire gehört neben kirchlichen Werken auch weltliche Musik verschiedenster Epochen. Mehrmals im Jahr begibt sich der Dresdner Kreuzchor auf nationale und internationale Konzerttourneen.

Zudem veröffentlicht der Chor regelmäßig CDs mit neuen Aufnahmen. Der Chor besteht aus rund 150 Mitgliedern und erneuert sich alle neun Jahre vollständig. Die ausgewählten Chorknaben treten in der vierten Klassenstufe in den Chor ein und müssen ihn im Alter von 18 Jahren verlassen. Sie besuchen zwingend das Kreuzgymnasium, auswärtige Sänger wohnen im Alumnat.

Roderich Kreile ist der 28. Kreuzkantor seit der Reformation. Der Chorleiter war 1997 aus München nach Dresden gekommen. Das Amt des Kreuzkantors entspricht dem eines städtischen Intendanten. Es ist üblich, dass formal neben dem Stadtrat auch der Vorstand der Kreuzkirche sowie die evangelisch-lutherische Landeskirche der Personalentscheidung zustimmen.

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