Es war einmal in einem Land, in dem viele Jahre große Armut herrschte. Die Staatskasse war leer, die armen Untertanen mussten darben und selbst für kulturellen Glanz war immer öfter kein Geld mehr vorhanden. Die Herrscherin dieses Landes wurde nicht müde immer wieder und wieder darauf hinzuweisen, dass alle Untertanen den Gürtel enger schnallen müssen, dass die Zeiten des Füllhorns endgültig und unwiderruflich vorbei sind. (Vorabveröffentlichung aus „politik und kultur“ 6-08)
Die Untertanen fügten sich in ihr Schicksal. Doch die Untertanen waren pfiffig. Immer mehr von ihnen engagierten sich für die Ehre und selbstverständlich unentgeltlich. Kunst und Kultur blühten weiter, manchmal war es zwar kein opulenter Strauß mehr, aber immerhin blieb ein schönes Gänseblümchen. Die Obrigkeit hatte sich ausgebeten, nicht mehr länger um Geld für Kultur angebettelt zu werden. Also suchten die Untertanen Edelleute, die ihre private Schatulle öffnen mögen. Die Untertanen mühten sich ab, aber es war ein hartes Brot.
Doch dann eines Morgens: unter den Geldverleihern des Königreiches brach das große Wehklagen aus. Viele von ihnen hatten sich verzockt und jahrelang auf zu großem Fuß gelebt. Zuerst klopften sie bei ihren Kollegen um Almosen an, umsonst. Jetzt standen sie vor der Königin und weinten bitterlich. Und die Königin hatte ein weiches Herz und erhörte ihr Flehen umgehend. Sie ging in ihre Schatzkammer und fand, oh Wunder, eine unglaublich große Menge an Gold und Edelsteinen und gab den armen Geldverleihern reichlich.
Die Untertanen waren zuerst sprachlos, dann wütend. Sie klopften an das Schlosstor und baten ebenfalls um Almosen, nicht für sich, sondern für Kunst und Kultur. Doch die Königin weinte bitterlich. Nichts, gar nichts sei übrig geblieben von ihrem herrlichen, heimlichen Schatz. Sie selbst müsse fast Hunger leiden. Die Untertanen müssten den Gürtel jetzt noch enger schnallen, damit wenigsten sie noch ihr standesgemäßes Auskommen hätte. Da wurden die Untertanen wütend, warfen die Königin ins dunkelste Verließ des Königreiches und schworen sich hoch und heilig, nie wieder an das Märchen von den leeren Staatskassen zu glauben.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute...
Die aktuelle Ausgabe von „politik und Kultur“, der Zeitung des Deutschen Kulturrates erscheint am 1. November 2008
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