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Moritz Eggert. Foto: Hufner
Moritz Eggert. Foto: Hufner
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Der fließende Übergang

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Absolute Beginners 2018/12
Publikationsdatum
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Für viele Kompositionsstudenten sind die letzten Studienjahre von einer gewissen Unruhe geprägt: Kurz bevor man ins Berufsleben „entlassen“ wird, ist den meisten Studenten nämlich gar nicht klar, wie dieses Berufsleben eigentlich aussehen wird. Ähnlich wie beim Philosophiestudium ist ein Kompositionsstudium ja keineswegs ein Garant für ein gesichertes Berufsleben. Wird man je davon leben können, Musik zu komponieren? Und dann auch noch vielleicht Musik, die keineswegs dem Mainstream entspricht, anders als Filmmusik auch keinerlei „Zweck“ erfüllt, vielleicht auch noch sperrig, schwer zu spielen oder anspruchsvoll ist?

Die Wahrheit ist, dass nur eine/-r von Tausend Studentinnen oder Studenten einmal in der Lage sein wird, „allein vom Komponieren“ zu leben. Ich kenne nur eine Handvoll Kollegen, denen das gelänge, und selbst die machen meistens noch sehr viel anderes, um vielleicht nicht nur zu überleben, sondern auch eine Familie ernähren zu können. Komponieren ist also ein „Beruf“, der nur in einem Kontext aus anderen Tätigkeiten funktioniert, und das ist auch keinerlei Schande, da es absolut allen Komponisten der Vergangenheit auch so ging, mit nur ganz wenigen Ausnahmen. Vielseitigkeit ist also entscheidend. Und hier kommt meine Verantwortung als Lehrer ins Spiel.

Es reicht nicht, meine Studenten allein in ihrem Kompositionshandwerk zu unterrichten, ich muss ihnen auch das Rüstzeug mitgeben, das ihr späteres Überleben sichert. Natürlich hat Deutschland im Vergleich zum Ausland ein bewundernswertes „Auffangnetz“ aus Stipendien und Förderungen, die den meisten ein Überleben nach dem Studium erst einmal ermöglichen, aber es wäre fatal, sich allein hierauf zu verlassen. Nur sehr wenige Stipendien sind nach Erreichen einer gewissen Altersgrenze (meistens 40) möglich, und gerade die Zeit zwischen 40 und 60 ist für viele Komponisten ganz besonders schwer: zu alt, um noch als „junge Hoffnung“ zu gelten, aber auch zu jung, um aufgrund eines umfassenden und häufig aufgeführten „Gesamtwerkes“ eine gewisse Absicherung zu haben.

Zu einer „Überlebensberatung“ meiner Studenten gehören viele Aspekte. Ganz wichtig ist zum Beispiel ein nicht zu später Eintritt bei einer Verwertungsgesellschaft wie zum Beispiel der GEMA. Vielen Berufsanfängern ist zum Beispiel nicht klar, dass die Jahre der Mitgliedschaft bei der GEMA einen direkten Einfluss auf die Wertung und damit auch Geldausschüttungen haben. Als Student mag man also noch jammern über den jährlichen Mitgliedsbeitrag und die geringen Tantiemen bei der GEMA (kaum ein Student hat gleich massenhafte Aufführungen), später wird man sich aber über jedes dieser Mitgliedsjahre freuen, denn sie rechnen sich! Auch eine frühe Mitgliedschaft und aktive Teilnahme bei einem Berufsverband wie dem DKV rate ich allen meinen Studenten, denn die kollegiale Zusammenarbeit im Dienst einer gemeinsamen Sache wird irgendwann die Basis für dauerhafte eigene Netzwerke bilden.

Zur Berufsberatung gehört für mich auch Unterstützung, wenn es um die Verhandlung von Kompositionsaufträgen oder Dienstleistungen wie die Erstellung von Klavierauszügen oder Bearbeitungen geht. Die meisten Studenten verkaufen sich hierbei oft unter Wert, aus Angst, einen bestimmten Job nicht zu bekommen. Dadurch haben sich aber in vielen Bereichen oft viel zu niedrige Honorare eingebürgert. Hier heißt es zu erkennen, dass ein selbstbewusstes Auftreten letztlich nicht nur einem selber, sondern auch den Kollegen nützt – wenn die Honorare fairer sind, kommt das allen zugute. Und überbezahlt sind Komponisten fast nie, meist verdienen sie weniger als einfache Hilfsarbeiter, wenn man die Arbeitszeit auf Stundenlöhne umrechnet (aber das funktioniert in künstlerischen Berufen ohnehin nicht, da Honorare hier einen ideellen Wert darstellen).

Mein wichtigster Tipp ist aber immer: Hört nicht auf, ein Instrument zu spielen (oder zu singen)! Die meisten Komponisten haben einen Background als Interpreten, und es ist fahrlässig, dieses Talent nicht weiter auszubilden oder zu nutzen. Selbst wenn man keine Solistenkarriere anstrebt – mit Klavierunterricht oder Korrepetition hat es sich schon mancher Komponist ermöglicht, künstlerisch unabhängig zu arbeiten. Das ist es auf jeden Fall wert, etwa das Klavierüben nie ganz aufzugeben, wenn man schon einmal ein bestimmtes Level erreicht hat.

Am Ende geht es um eine gute Balance aus freiwilligen Verpflichtungen (oder „Jobs“) und Freiräumen, die einem helfen, „Komponist“ sein zu können. Die ideale Balance wird kaum jemand finden. aber ich freue mich, wenn ich dabei ein bisschen helfen kann.

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