Wie man so abgehen könne, fragte mich mein Trainer. Er hatte mich erwischt: Ich hörte Tschaikowskys Fünfte, Norrington dirigierte – und ich auch, allerdings im Auto auf dem Aldi-Parkplatz um die Ecke. Ich kann nicht anders, meine Ohren sind direkt mit meinem Bizeps verbunden, ohne Umwege über das Gehirn. Muss das bescheuert aussehen, wenn ich im Opel Einsätze für die Trompeten in Richtung Scheibenwischer winke und mich erschöpft vor der Zapfsäule an der Tankstelle verbeuge, die mir immerhin „super!“ zuruft.
Nun beginnt wieder die Festivalsaison und Leute mit großen Hüten erfreuen sich daran, entsprechende Tickets für Fantastilliarden ergattert zu haben. Was bin ich neidisch, ich will ein eigenes Festival! Und hier ist es schon – machen Sie mit, es braucht keine Tickets, keine Hüte und Sie können danach auch gerne Currywurst essen: Öffnen Sie Ihre Autofenster, drehen Sie die Anlage unverhältnismäßig laut auf und dirigieren Sie mit. Ich will Pathos, ich will Emphase – Sie sind Bernstein! Schnaufen Sie celibidachesk und benehmen Sie sich jeweils so verrückt, wie die Musik, die Sie gerade hören. Die Anfänger drehen Tschaikowsky auf, die Feinnervigen Debussy, die Fortgeschrittenen versuchen es mit Xenakis, damit hängt man jeden BMW ab! Das wird ein Klassik Echo!
Hurra, Ihr Corsa ist ein Festival! Und wenn sich vier Autos mit verschwitzt dirigierenden Gestalten an einer Kreuzung in Recklinghausen treffen und plötzlich alles nach Ives klingt, dann erblassen diesmal die Intendanten vor Neid.