Bei einer Probe meldete sich der Kollege an der ersten Oboe: dass hier der Kollege an der zweiten Oboe das Solo spiele und er nicht, müsse ein Fehler sein. Ich verneinte und entgegnete: „Das ist solidarische Instrumentation!“ und alle kicherten. Natürlich hatte er recht, ich war in der Zeile verrutscht.
Gordon Kampe. Foto: privat
Solidarische Instrumentation
Es ist ein Gemeinplatz und dennoch richtig: Komponistinnen und Komponisten haben die instrumentalen „Komfortzonen“ stets erweitert, Erstaunliches verlangt und damit Standards gesetzt, die die Musik bis heute voranbringen. Allein... die Einbahnstraßenmentalität, die ausschließlich die eigenen, genialen Visionen im Sinn hat – ist das noch zeitgemäß? Wenn ich sage, ich schreibe gern für dieses Orchester, weil es einen warmen Streichersound hat, ich schreibe für diese Stimme und ändere noch etwas, damit es gut liegt, ich schreibe noch drei Takte, weil die Regie hier 30 Sekunden braucht... dann ahne ich den Vorwurf, man beliefere „nur“ den Betrieb. Mag sein. „Gut gemacht“, heißt es dann – oder „musikantisch“...
Das ist das Todesurteil im Entscheiderdeutsch. Was aber, wenn die eigene Vision wirklich eine ist, die das Gegenüber im Blick hat und dann vielleicht von dort aus denkt? – Freundlich, kollegial, solidarisch. Man müsste aus der eigenen Routine ausbrechen und vielleicht ohne erprobte Standardmagie auskommen.
Ich habe mein Lieblingszitat, es stammt von der wunderbaren Tänzerin Tsai-Wei Tien, schon einmal gebracht und es scheint mir weiser, je länger ich es mit mir herumtrage: „I try to make them shine on stage.“ Wäre es nicht mal eine Idee, nicht nur die Hör-, sondern auch die Haltungsgewohnheiten zu ändern?
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