Rechtzeitig zu den großen Ferien war es wieder einmal so weit. Die sommerliche Flaute nutzend, mischte sich die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeber (BDA) mit einem Thema in die Bildungsdebatte, das für Aufregung hätte sorgen können – wäre es von den Adressaten zur Kenntnis genommen worden. Unter dem Titel: „Führungskraft Lehrer“ legten die Arbeitgeber im Juli ein Papier vor, in dem sie „Empfehlungen der Wirtschaft für ein Lehrerleitbild“ formulieren. Wir erinnern uns: Bereits im letzten Jahr hatte Arbeitgeberpräsident Hundt das mediale Sommertheater belebt, indem er Computerkurse für Lehrer und die Verpflichtung zu Weiterbildung während der Ferien gefordert hatte. Doch während die vorjährigen Einlassungen des BDA einen Sturm im Wasserglas ausgelöst hatten, verpufften die diesjährigen Vorstellungen nahezu unbemerkt. Zu Unrecht – geben sie doch einen Eindruck davon, mit welchen Zumutungen Schule und Bildungssystem zukünftig zu rechnen haben werden.
Rechtzeitig zu den großen Ferien war es wieder einmal so weit. Die sommerliche Flaute nutzend, mischte sich die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeber (BDA) mit einem Thema in die Bildungsdebatte, das für Aufregung hätte sorgen können – wäre es von den Adressaten zur Kenntnis genommen worden. Unter dem Titel: „Führungskraft Lehrer“ legten die Arbeitgeber im Juli ein Papier vor, in dem sie „Empfehlungen der Wirtschaft für ein Lehrerleitbild“ formulieren. Wir erinnern uns: Bereits im letzten Jahr hatte Arbeitgeberpräsident Hundt das mediale Sommertheater belebt, indem er Computerkurse für Lehrer und die Verpflichtung zu Weiterbildung während der Ferien gefordert hatte. Doch während die vorjährigen Einlassungen des BDA einen Sturm im Wasserglas ausgelöst hatten, verpufften die diesjährigen Vorstellungen nahezu unbemerkt. Zu Unrecht – geben sie doch einen Eindruck davon, mit welchen Zumutungen Schule und Bildungssystem zukünftig zu rechnen haben werden.Nun kann, dies vorweg, einigen Thesen der Arbeitgeber in ihrer ausformulierten Allgemeinheit kaum widersprochen werden. Wer wollte ernsthaft bestreiten, dass der „Unterricht der Zukunft“ stärker auf selbstständiges Handeln ausgerichtet sein müsste? Dass Schulen verstärkt das „Unterstützungssystem der Kommune“ mit den Angeboten der Jugendhilfe oder kultureller Einrichtungen nutzen könnten? Und dass das Referendariat dringend einer Reform, das gesamte Bildungssystem einer Finanzspritze bedürfte?Doch so richtig die verhaltene Kritik an der Institution Schule und den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auch sein mag, so täuscht sie nicht darüber hinweg, dass das gesamte Papier von einer verlogenen, geradezu inhumanen Perspektive beseelt ist. Kern der Forderungen ist die Leitbildorientierung. Und der Maßstab für dieses Leitbild ist unschwer zu erraten: „In Zukunft wird die Qualität des Bildungswesens mehr denn je über die Chancen des Wirtschaftsstandortes Deutschland entscheiden.“ Bildung als Ressource für den Wettbewerb – diese Prämisse zieht sich durch das gesamte Papier. Lehrerinnen und Lehrer werden als Manager fürs Lernen propagiert. Im Unternehmen Schule sei auf die Bildung homogener Lerngruppen, auf ein leistungsorientiertes und lernfreudiges Klima zu achten. Dafür soll die „Führungskraft Lehrer“ – übrigens mit den Fähigkeiten der Eier legenden Wollmilchsau – intern und extern evaluiert und nach Leistung honoriert werden. Nicht zuletzt wird, als Ausgleich zur erkalteten Welt der New Economy, die obligate Wertevermittlung gefordert, die aus keiner Diskussion über Bildung und Jugend heute mehr wegzudenken ist. Und bei der auch diesmal nicht begründet werden kann, woher Werte wie Solidarität und gesellschaftliche Verantwortung eigentlich genommen werden sollen, wenn allzu offensichtlich sämtliche Bereiche des Lebens dem Primat der Ökonomie und damit dem Wert „Geld“ unterworfen werden.
Wie absurd sich das technokratische Credo der Arbeitgeber auf die Schule, auf die praktizierten Inhalte und Methoden des Unterrichts auswirken kann, wird besonders deutlich angesichts von Fächern, die zum Standort zunächst einmal nur wenig beizutragen haben. Welche Begründungen müssten denn noch angestrengt werden, um Kunst, Musik und andere verwertungsfreie Fächer auch noch fürderhin im Curriculum zu belassen? Mehr als bisher wird der Stellenwert von Musikpädagogik sich an seinem Gebrauchswert für andere Felder messen lassen müssen – zu erinnern ist an die unsäglichen Diskussionen, ob Musikunterricht nun klügere Kinder heranzieht oder nicht. Welche elitären Zusammenschlüsse einerseits, welche Ausgrenzungen andererseits würden produziert, wenn Musikunterricht nach homogenen Lerngruppen sortiert würde? Nach welchem Kunstbegriff, welchen Ansprüchen, welchen ästhetischen Theorien sollte Musikpädagogik sich evaluieren lassen? Wird es hier um Effizienz gehen? Oder um die Widerständigkeit von Kunst, ihre subversive Kraft auch, ihren Erfahrungsreichtum?
Dennoch: Die Vorstöße der Arbeitgeber zu ignorieren – wie bislang geschehen – bedeutet eine fatale Blickverengung. So zugespitzt und tendenziös die Rede vom Unternehmen Schule, von Management der Lernprozesse, von pädagogischer Führungskraft und Qualitätsverbesserungsverfahren auch sein mag, so sehr spiegelt sie doch gesellschaftliche Entwicklungen wieder. Eigensinnige Bildung, die sich zuerst an die Subjekte selbst wendet und mit verwertbarem Wissen nicht gleichzusetzen ist, hat es unter zunehmendem wirtschaftlichen Druck immer schwerer, ihre Stellung zu behaupten. Die Legitimationsdecke für „nutzlose“ kulturelle Errungenschaften ist dünn geworden. Hier könnte sich gerade die Musikpädagogik ihrer subversiven Kraft bewusst werden: Indem sie Kunst als widerständiges Medium erfahrbar macht, das sich instrumentalisierenden Attitüden entzieht. Und indem sie die Erkenntnis fördert, wie arm und kalt eine Welt beschaffen sein müsste, die sich allein an den Erfordernissen des Marktes orientiert und in der Schule auch nicht mehr als Lebensraum, sondern nur noch als Durchlauferhitzer für den Standort Deutschland gedacht werden kann.