Manchmal dachte ich, ich stumpfe ab. Zu viel gehört, zu viel gequatscht, zu viele Konzerte, zu viele Töne. Vielleicht ist es Ihnen auch schon einmal so gegangen, liebe Kollegen/-innen? Ich erinnere mich dann immer wieder an den zahnlosen Jungen, er ist Teil meiner Abstumpfungsvermeidungsstrategie, die ich Ihnen gerne empfehlen möchte:
„Il mondo è di mille colori“ – das Lied lernte meine Tochter an der Schweizer Schule in Rom, auf die sie für ein Jahr ging. Die Melodie dieses Liedes – mit recht fragwürdigem Text – hat sich in unser Hirn gebrannt.
Imaginieren Sie bitte eine kleine zum Konzertsaal umfunktionierte Turnhalle in einem, nennen wir es, charmanten Gebäude, das mal eine Villa war. Wenn Sie mutig sind, imaginieren Sie vor Ihrer Nase eine Mischung aus Käsefondue (Schweizer Schule, wie gesagt) und eben: Turnhalle. Gefühlte 2.000 Kinder versammeln sich, durch enorm rückkoppelnde Mikrofonanlagen-Ansagen aufgefordert, zu einem Chor mit Digitalpiano-Begleitung. Für einen Musiker ist das ein Worst-Case-Szenario. Dann: „Il mondo è di mille colori“ – es folgen die Solo-Strophen. Jener zahnlose Junge in der ersten Reihe freut sich auf sein Solo – und: er versagt jämmerlich. Textschwund in Vollendung. Er explodiert, geht in die Knie, wankt, weint, schluchzt – ist völlig am Ende. Wären wir im frühen 17. Jahrhundert, der Chor hätte „Lasciate mi morire“ angestimmt. Und ich, etwas trockener Westfale? Ich bin auch völlig fertig.
Mein Herz ist gebrochen, für immer. „Ohime. Aiuto!“ Wer immer du bist und wer immer du wirst, textloser Junge, endlich habe ich Puccini verstanden! Und italienischen Fußball. Und es kommt endlich wieder etwas durch.