Ab 1801 griff das Zarenreich nach Georgien, dessen Fruchtbarkeit und Sommertemperatur verlockend erschienen. Um den Widerstand der Bevölkerung zu brechen, wurde die „Kolonie“ in Grusinien umgetauft, außerdem schaff-te man 1811 die Autokephalie (Eigenständigkeit) der georgisch-orthodoxen Kirche ab, indem man sie der russisch-orthodoxen zuschlug und die farbenfrohen Fresken in Tausenden von Kirchen weiß übertünchte.
Ab 1801 griff das Zarenreich nach Georgien, dessen Fruchtbarkeit und Sommertemperatur verlockend erschienen. Um den Widerstand der Bevölkerung zu brechen, wurde die „Kolonie“ in Grusinien umgetauft, außerdem schaff-te man 1811 die Autokephalie (Eigenständigkeit) der georgisch-orthodoxen Kirche ab, indem man sie der russisch-orthodoxen zuschlug und die farbenfrohen Fresken in Tausenden von Kirchen weiß übertünchte.Auf der Strecke blieb dabei auch die georgische Liturgie, ein musikalisches Ereignis, das weltweit seinesgleichen sucht. Als der liebe Gott die Länder verteilte, fehlten der Legende nach die Georgier, weil sie gerade feierten, also sangen. Aber weil sie so schön sangen, bekamen sie schließlich doch noch ihr bergiges Land zwischen dem Kleinen und dem Großen Kaukasus. Im Jahre 337 wurde das Christentum Staatsreligion, etwa 30 Jahre später als Armenien, was auch heute noch für gewisse Komplexe sorgt. Heilige, Ikonen, Kirchen, Kathedralen und Legenden geben einen Rest von Stolz in Zeiten von Massenarbeitslosigkeit und völliger De-industrialisierung. So ist samstags zur 17-Uhr-Vesper und sonntags um 9 Uhr die kleine Anchiskhati-Kirche am Anfang von Tbilisis Altstadt mit Grundmauern aus dem 6. Jahrhundert hoffnungslos überfüllt. Denn diese Basilika ist die bisher einzige Kirche Georgiens, in der wieder regelmäßig die georgische Liturgie gesungen wird – nicht unter zweieinhalb Stunden, auch für Georgier ein umwerfendes Erlebnis. Die zehn jungen Männer des Anchiskhati-Chores, sind Berufsmusiker und verdienen sich umschichtig ein Zubrot durch das Singen der dreistimmigen Antiphone im Wechsel mit den Geistlichen. Dass sie dabei Jeans tragen, hemdsärmelig singen, tut der Inbrunst keinen Abbruch. Die zahlreichen georgischen Regionen sind in vieler Hinsicht sehr unterschiedlich; von Flora und Fauna über Kochkunst bis zur Folklore herrscht eine große Vielfalt. Aber dreistimmig müssen die Gesänge überall sein, wobei die „georgische Polyphonie“ zu großen Teilen improvisiert gehört. Diese Dreistimmigkeit mag von den orthodoxen Hymnen stammen, die – will man einigen georgischen Wissenschaftlern glauben – aus dem 8. Jahrhundert stammen und damit die europäische Renaissance bei weitem übertreffen. Ernsthafte Belege indes gibt es erst seit ungefähr 1200, auch schon ein frühes Datum für polyphone Musik.Es würde zu weit führen, die abenteuerliche Geschichte der Überlieferung darzustellen. Malkhaz Erkvanidze, Ethnomusikologe und Leiter des Anchiskhati-Chors, hat 1999 eine Sammlung mit 186 Gesängen veröffentlicht, die entfernt an eine Kreuzung von Gregorianik mit alten Codices etwa aus Limoges erinnern. Eine umfangreichere Neuauflage mit CD ist in Vorbereitung. Was die Noten indes nicht wiedergeben, hört man auf der faszinierenden CD „Sacred Music from the Middles Ages“ (1998), nämlich die Kraft der Mikrointervalle. Natürlich singen die Anchiskhati-Männer auch Folklore, so auf „Georgian folk songs“ (2000), wie es sich gehört, nach Regionen sortiert. Bezugsmöglichkeiten erfahren Sie unter der E-Mail-Adresse ardzani [at] ip.osgf.ge (ardzani[at]ip[dot]osgf[dot]ge
Mitte Mai kommt der gesamte Chor erstmals nach Deutschland. Folgende Konzerttermine sind vorgesehen: 22.5. Bad Doberan, 26.5. Potsdam, 27.5., 1. und 2.6. Hamburg, 3. und 4.6. Alsfeld, 5.6. Göttingen, 8.6. Berlin. Details erhalten Sie unter der E-Mail-Adresse marika[at]lile[dot]de
Zu den populärsten Chören gehört das 13-köpfige „Ensemble Georgika“ (makho_@hotmail. com)
), zu dem sich gelegentlich noch drei Instrumentalisten gesellen.Auf der dritten CD (Face Music, Dorfstr. 29/1, CH-8800 Thalwil-Zürich) seien sie dem Ideal der improvisierten Dreistimmigkeit am nächsten gekommen, sagen die Brüder Ushveridze, die neben dem Broterwerb noch Kinderchöre an Volksmusikschulen leiten. Drei weitere folkloristische CDs seien noch genannt: „Soinari“ (Wergo SM 1510-2) bietet neben der namensgebenden Gruppe mit interessantem Instrumentarium die sechs singenden Frauen von „Mzetamze“ und den Männerchor „Mtiebi“. Aus dem WDR-Archiv stammen die Aufnahmen auf „Georgia“ (WorldNetwork 52.985/Zweitausendeins) mit dem Rustavi-Chor und dem Duduki-Trio. Das „Ensemble Riho“ unterhält auf der CD „Géorgie/Svanétie“ mit Gesängen aus Svanetien im Nordwesten (Inédit/PMS W 260090).