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Mit einem „Jubilee“ wurde am 28.6.1997 in der Kölner Philharmonie Joachim Ernst Berendt gehuldigt, dem Mann, der den Jazz in Nachkriegsdeutschland gesellschaftsfähig machte. Zu seinem bevorstehenden 75. Geburtstag (20. Juli) hatte der WDR ein Programm zusammengestellt, das Berendts Lebensweg zwischen Jazz und Nada Brahma musikalisch abschritt. Und so mancher alter Weggefährte war gekommen, um dem „Jazz-Papst“ ein Ständchen zu bringen, ob solistisch oder mit der brillanten WDR Big Band. Nur der Gitarrist Attila Zoller fehlte krankheitsbedingt.
Ausdrücklich gewünscht hatte Berendt sich den Auftritt von Helen Merrill, wegen ihrer „Kultiviertheit und Sensibilität“. Diese Tugenden stellte die Vokalistin denn auch unter Beweis, wenngleich sie stimmlich ihren Zenith überschritten haben dürfte. Faszinierend jedoch die morbide Leidenschaft, mit der sie „He was too good to me“ und einige andere Arrangements von Gil Evans durchdrang.
Immer wieder frappierend auch, welche Klänge Albert Mangelsdorff seiner Posaune abringt – singende, flüsternde, brüllende Polyphonie, sei es in den weiträumig angelegten Soloimprovisationen oder im Zusammenspiel mit dem Saxophonisten Lee Konitz, dem oft mißverstandenen Begründer des Cool Jazz. Das fast blinde Verständnis, mit dem das legendäre Duo improvisierte, ist die Frucht einer Zusammenarbeit seit über dreißig Jahren.
Nicht fehlen durfte an diesem Abend natürlich das Stück, mit dem alles begann, Berendts Jazz-Initiation. Konitz brachte, von Frank Chastenier am Klavier und John Goldsby am Baß kongenial unterstützt, eine so intim-schwüle Version von Benny Carters „Lazy Afternoon“ dar, daß wohl jeder im Saal nachempfinden konnte, wie dieses Stück den Teenager Berendt einst „auf die Droge Jazz“ gebracht hatte.
Und auch die ethnische Musik als klingendes Ambiente der Seinslehren Ostasiens, denen sich Berendt seit den sechziger Jahren immer stärker zuwandte, kam an diesem Abend zu ihrem Recht – schon im eröffnenden und mottostiftenden „J.E.B. Jubilee“ hatte die WDR Big Band orchestralen Sound à la Ellington und Kenton mit balinesischen Skalen verflochten. Solche Kontrastwirkungen bereicherten auch das weitere Programm ungemein. Und dazwischen immer wieder Gratulation, Akklamation, Exaltation.
„Der eigene Name ist ja schon eine schöne Melodie“, kokettierte Berendt, als er irgendwann mit bewundernswert jugendlichem Schwung das Podium erstürmt und dem konfusen Moderator Bert Noglik mit wohltuender Routine das Mikrofon entwunden hatte. Aber Nennung und Belobigung seiner Person seien ihm in dieser Häufung doch fast unangenehm. Er habe immer nur „Katalysator“ sein wollen. Das war Berendt in vielfältigster Weise: als Radiomann beim Südwestfunk, als Produzent der Größten des Jazz von Coltrane bis Miles Davis, als Autor des meistgelesenen Jazz-Buches der Welt, als Initiator der Berliner Jazz-Tage, als Macher der Big Bands Kurt Edelhagen, Eddie Sauter, Clarke/Bolland, als Brückenbauer über unsinnige Genregrenzen hinweg.