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Theater Altenburg Gera, Serenadenkonzert zum Sommertheater 2020, Philharmonisches Orchester Altenburg Gera unter Leitung von GMD Laurent Wagner. Foto: Ronny Ristok
Theater Altenburg Gera, Serenadenkonzert zum Sommertheater 2020, Philharmonisches Orchester Altenburg Gera unter Leitung von GMD Laurent Wagner. Foto: Ronny Ristok
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Abschied von Laurent Wagner und Plan B für das Theater Altenburg Gera 2020/21

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Während des Lockdowns ist es im ostthüringischen Fünfsparten-Kulturbetrieb Altenburg Gera gelungen, zwei Corona-kompatible Spielzeit-Konzepte 2020/21 zu erarbeiten, die politisch akzentuierte Inhalte mit anspruchsvoller Unterhaltung und mehrere Uraufführungen verbinden. GMD Laurent Wagner verlässt nach sieben Spielzeiten auf eigenen Wunsch das Philharmonische Orchester Altenburg Gera kurz vor dem Jubiläum 150 Jahre des Theaterbaus in Altenburg.

Generalintendant Kay Kuntze benutzt nur optimistische Wetter-Apps. Auch am 2. Juli: Angesagt war kurzer Regen und stabile Aufhellung für das gemäß Hygienekonzept aufgezogene Sommertheater neben der Bühne am Park und dem Restaurant des Theaterhauses Gera, das während des Pächterwechsels gerade renoviert wird. Das Philharmonische Orchester Altenburg Gera unterm Plastikdach, das Publikum in Zweiergrüppchen unter freiem Himmel.

Ein besonderer Abend, denn es hätte der Abschied von GMD Laurent Wagner sein sollen. Nach sieben Spielzeiten gab es von dem gebürtigen Lyoner kein letztes Symphoniekonzert mit einer in den Herbst verschobenen Uraufführung von Steffen Schleiermacher und keine italienische Openair-Operngala „Merci, Laurent!“, sondern ein siebenmaliges Serenadenkonzert „Orchesterklänge von Herzen“: Strawinskys Konzert für Orchester Es-Dur „Dumbarton Oaks“, Tschaikowskys C-Dur-Streicherserenade und Haydns am 2. Juli nur bis zur Hälfte des ersten Satzes erklungene Sinfonie „Le matin“.

Ein Großteil des zum starken Regen vom Haus mit Regenponchos versorgten Publikums kommt zum Ersatztermin (6. Juli) wieder, so wie es Kay Kuntze und Laurent Wagner bei ihren spannenden Spielplan- und Konzert-Positionen begeistert, neugierig und treu begleitet hatte. Vor wenigen Tagen erschien der Mitschnitt von Mieczysłav Weinbergs sechster Sinfonie unter Laurent Wagner mit dem Philharmonischen Orchester Altenburg Gera auf CD. Kuntzes und Wagners Zusammenarbeit bei Weinbergs „Die Passagierin“ wurde zum Theaterpreis Der Faust 2019 nominiert. Bahnbrechend war die Wiederentdeckung der Oper „Rübezahl und der Sackpfeifer von Neisse“ (2016), vor der Kuntze und Wagner drei Tage lang die Oper des vor allem als Lied-Komponist wiederentdeckten Spätromantikers Hans Sommer auf Relevanz und Aufführungsmöglichkeit untersuchten. Auch dieses aus dem Ensemble eindrucksvoll besetzte Werk ist als Weltersteinspielung erhältlich. Das 20. Jahrhundert war mit bemerkenswerter Fülle präsent: „Jenufa“, „Peter Grimes“, „Lady Macbeth von Mzensk“ wurden, zum Teil in mehreren Wiederaufnahmeserien, echte Publikumserfolge – gekrönt von Enescus mit Bravour bewältigtem „Oedipe“ (2018), bei dem die nicht in den Graben passenden Musiker*innen in Logen, auf der Seitenbühne und Nebenräumen spielten.

Plan B und Plan C

Nach dem Lockdown modifizierte man die GMD-Suche. Im Geraer Konzertsaal wurde die Parkett-Bestuhlung ausgebaut, um (Arbeits-)Proben mit maximal 35 Musiker*innen zu ermöglichen. Das funktionierte auch ohne Publikum. Aber sonst lagen die Nerven in den letzten Monaten und bei Zoom-Konferenzen mit täglich neuen Änderungsmaßnahmen blank. Das fertige Jahresheft 2020/21 für Theater und Philharmonie Altenburg-Gera sollte vor dem Lockdown in Druck, war aber komplett hinfällig. Ende Juni erschien eine zweite Programm-Version, für die der Vorverkauf zum 1. September 2020 beginnt. Also nur eine Woche vor Spielzeitbeginn in Gera und Altenburg, wo man bis zum Ende der Renovierungsarbeiten am Theater in einem Zelt spielt. Durch den verzögerten Start des Kartenverkaufs will die Leitung im Fall von Änderungen den Aufwand für Umstellungen so gering halten wie möglich. Ein komplett ausgearbeiteter Plan C liegt vor mit außergewöhnlichen Anforderungen für alle Mitarbeitenden: Alternative Produktionen aus Plan B und Plan C werden vorerst parallel geprobt ohne Gewissheit, ob Vorstellungen tatsächlich stattfinden können. Für ausgefallene Auftritte von Gästen und in der Pandemie unhaltbare Vertragsbindungen wurde ein gestaffeltes Verfahren von prozentualen Erstattungen, Zusicherungen und Verschiebungen gemäß der aktuellen Situation eingeleitet.

Eine Position bleibt unangreifbar, egal wie: Die Jubiläumsfeier für das Theater Altenburg am 16. April 2021 und die von Chefdramaturg Felix Eckerle mit Harald Müller vorbereitete Festschrift zum 150-Jahre-Jubiläum des Theaters Altenburg, das von der Leitung und den Trägern ebenso gewürdigt wird wie das 100-Jahre-Jubiläum des Theaterchors Gera 2020. Sofern keine Änderungen eintreten, bewegt sich das Spektrum zwischen Philip Glass‘ „In der Strafkolonie“ bis zum bisher einmaligen Musical-Festsommer (17. bis 25. Juli 2021) mit ambitionierter Spannweite vom DDR-Musical „Mein Freund Bunbury“ bis „Hedwig and the Angry Inch“

Corona-Inkompatibilitäten

Die offenen Themenreihen „Wider das Vergessen“, „Denk ich an Deutschland – 30 Jahre Einheit“ und „Der konstruierte Mensch – Mensch und Maschine“ werden fortgeführt, zwangsläufig in Stücken mit kleineren Besetzungen. Wie andernorts kommt es zu einer ‚Nachlieferung‘ der vor dem Lockdown fast ganz oder halb-fertigen Neuproduktionen. Nicht viel hält Kuntze von Korrekturen an Inszenierungen betreffend körperliche Distanz und Hygieneschutz. Er lässt unter aktuellen Bedingungen unmögliche Inszenierungen lieber pausieren als ihre Aussage zu verwässern. Als Regisseur ist er selbst davon betroffen. Mehrere Szenen seiner Sichtweise auf den „Vetter aus Dingsda“ sind alles andere als Corona-kompatibel.

Kleine Besetzungen bedeuten sicher keinen ästhetischen oder künstlerischen Verlust. Mit dem Thüringischen Staatsballett gibt es Jean Renshaws Choreographie von Mahlers „Lied von der Erde“ in der Kammerfassung von Arnold Schönberg und als choreografisches Ensembleprojekt Gottfried von Einems „Alpacher Tanzserenade“ op. 17.

Nicht ganz einfach würde es im Falle von nötig werdendem Plan C in den Sinfoniekonzerten, bei denen sowohl der Beethoven-Schwerpunkt als auch die Uraufführungen von Sarah Nemtsov und Steffen Schleiermacher gefährdet wären. Erwähnenswert am Theater Gera-Altenburg ist die musikalische Ausrichtung des Schauspiels in Musicals und vor allem auch bei einer Uraufführung wie Manuel Kressins „Liebe macht frei“ über die Verfolgung Homosexueller im Hitler-Deutschland mit Musik von Olav Kröger.

Inhaltliche Ambition bescherte dem Theater Altenburg-Gera in den letzten Jahren einen kontinuierlichen Anstieg der Besucher*innen um fast 25.000 auf 156.000 in der Spielzeit 2018/19. Die abrupte Zäsur Mitte März und Ausfall fast der ganzen Spielzeithälfte 2019/20 bringt eine Unterbrechung. Altenburger, Geraer und Ostthüringer spendeten mit Verzicht auf Rückerstattungen von Karten und Gutscheinen für entfallene Vorstellungen ca. 41.000 Euro. Das ist in Relation zu den moderaten Ticketpreisen enorm. Auch nach dem unerwartet heftigen Regen über dem Sommertheater am Küchengarten Gera kann man sicher sein: Die Neugier auf die Vorstellungen im Herbst ist ungebrochen. Egal ob diese im großen Haus vor 140 oder im Konzertsaal vor mehr als 180 Plätzen stattfinden können.

  • https://www.tpthueringen.de/ mit Jahresheft 2020/21 (Stand Juni 2020 zum Download) – Vorverkaufsstart: 1. September 2020 (Änderungen wegen COVID-19 vorbehalten. Deshalb verzichtet diese Ankündigung auf präzise Terminangaben)

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