In den letzten Wochen mussten viele Städte spezielle „Feier-Plätze“ ausweisen, um der vielfach spontan losbrechenden Lust auf gemeinsames Trinken, Essen und Musikhören ein bisschen Rahmen zu geben. Ein ungeschriebenes neues „Grundrecht auf Spaß und Party“ schwebte umher. Vor rund 400 Jahren gab es Ähnliches, darauf bot jetzt Münchens anderes Opernhaus einen theatralischen Blick.
Wer historisch genauer hinschauen will, findet in Regisseur Gérard Corbiaus Film „Der König tanzt“ herrlich opulente Bilder des höfischen Kulturlebens um Ludwig XIV. Doch „Fest“ und „Feiern“ gab es auch in Städten und Dörfern; Künstler jeglicher Couleur nutzten Erzählungen und Anlässe um zu musizieren, singen und tanzen. Aus der Fülle musiktheatralischer Überlieferung formte nun Gärtnerplatz-Ballettchef Karl Alfred Schreiner ein damals übliches „Pasticcio“: eine Zusammenfügung von Verschiedenem – also: in der Abfolge von „Herbst“, „Winter“, „Frühling“ und „Sommer“ ist der Schlossherr auch Bacchus, der Diener auch Amor, Cupido auch die Unvernunft, die Frühlingsnymphe auch die Vernunft, der Tod auch ein Hirte, eine trauernde Nymphe auch die Hirtin Clori… und sogar ein Nihilist spielt und singt mit.
Diese barocke Vielfalt ließ Choreograph Schreiner nun stilistisch bunt vertanzen; die Sänger waren akzeptabel eingefügt; die Drehbühne kreiste; Kunstbäume und Kunstschnee wurden dazu herumgewirbelt. Tanztheatralisch wirklich gelungen war die Projektion noch nicht erwachter Waldlandschaft, aus deren dunklen Stämmen auf der Bühne dann langsam der zum Dichter reifende Diener und die klagende Nymphe samt übrigen „Wesen“ zu einem „Frühlingserwachen“ sichtbar wurden. Doch auch der reichlich kunterbunte Rest fand im Publikum begeisterte Zustimmung.
Die hatte vor allem Howard Armans musikalische Leistung verdient. Aus größtenteils unbekannten Werken offerierte er mit dem ein bisschen um straff unsentimentalen Klang bemühten Orchester des Hauses barocke Fülle aus den Jahren 1567 bis 1744: Aus André Campras „Les fètes venitiennes“, aus Matthew Lockes „Cupid and Death“, aus Claudio Monteverdis Madrigalen „Lamenti“, aus Sebastián Duróns „Selva encantada de amor“ – da wurde zwischen Flöten-Flug, Lauten-Süße, Truhenorgel-Klage und Castagnetten-Geknalle eine rhythmische Turbulenz entfacht, dass es eine überbordende Hörfreude war. Ein in vielerlei Hinsicht „bunter Abend“ nach langer Theater-Abstinenz – dazu ein maskenfreier Genuss – Theater-Herz, tanz‘ mit!