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Das Rheingold 2023. Foto: Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath

Das Rheingold 2023. Foto: Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath

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In Bayreuth wurden die Wiederaufnahmen von „Rheingold“ und „Walküre“ einhellig bejubelt

Vorspann / Teaser

Die kleiner „Ring“-Hälfte (wie die Riesen so schön falsch sagen würden) ist nach dem neuen „Parsifal“ über die Bühne des Festspielhauses gegangen. Vor gefülltem und durchweg begeistert reagierendem Saal übrigens. Eine explizite Reaktion auf die Regie wird man erst nach der „Götterdämmerung“ zu vermelden haben, wenn das Regieteam vor den Vorhang kommt. Aber das diesjährige Publikum, das ja nur zu einem Teil aus „Wiederholungstätern“ bestehen dürfte und sich neuerdings ja auch die Teile einzeln anschauen kann und nicht gleich das ganze Paket erwerben muss, hat offenbar nicht die Probleme wie jenes im letzten Jahr, sondern lässt sich bis jetzt jedenfalls erstmal auf die Erzählung der Ringstory in der Manier einer Familiensoap ein, zu der Valentin Schwarz die Götterwelt auf Menschenmaß heruntergebrachten hat.

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Gravierende Eingriffe fallen nicht auf, sieht man mal davon ab, dass Schwarz ausgerechnet eine seiner pfiffigsten und ganz gut in die Logik seiner Ringerzählung passenden Ideen kassiert hat. Da in diesem Konzept der Nachwuchs als ein potenzieller Erbe mit Machtambition, die metaphorische Bedeutung, die sonst der geschmiedete Ring ausübt, übernimmt, war es schon schlüssig und gewitzt, dass Alberich (im „Rheingold“ in Nibelheim) bei seiner Verwandlung in den Riesenwurm den von ihm entführten (Gold-)Jungen auf die Schulter nimmt, um seinen Gegenspieler Wotan mit der Zukunft zu erschrecken. Jetzt baut er im gläsernen Kita-Kasten (wo der Knabe die Walküren-Mädels traktiert und Farbe an die Wände klatscht) ein LMG auf und ballert damit rum.

Ansonsten bleibt vor allem die Neugier darauf, ob die eigene Erinnerung noch stimmt und wie sich der im vorigen Jahr kurzfristig ausgefallene Dirigent Pietari Inkinen im Graben und die Protagonisten auf der Bühne schlagen. 

Nun hat sich das Debüt-Wunder, das Pablo Heras-Casado mit dem Eröffnungs-Parsifal hinlegte, zwar nicht wiederholt, aber der junge Finne, der im „Rheingold“ wacker durchkam, in der „Walküre“ durchaus zulegte, aber dennoch Raum für Steigerungen ließ, wurde für sein dosiert kalkuliertes Dirigieren des Wunderorchesters an beiden Abenden ermutigend bejubelt

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Das Rheingold 2023. Foto: Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath

Das Rheingold 2023. Foto: Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath

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„Rheingold“

Das „Rheingold“ beginnt mit dem Video der Föten von Alberich und Wotan im Mutterleib, macht einen Zeitsprung in deren Erwachsenenalter, lässt den benachteiligten Alberich am Pool den (Gold-)Jungen entführen und von Clanchef Wotan wieder abjagen. Baufinanzierung mit Kinderhandel – klar, dass das nicht gut geht. Im Schlussbild des Vorabends begeistert sich Wotan allein an seinem Neubau bzw. der Idee davon und lässt seine Sippschaft erstmal hinter der Absperrung warten.

Für den größten Teil der Sänger-Crew ist es eine Wiederbegegnung, die sich durchaus in Spielfreude umsetzte. Bei den Göttern trumpft nunmehr Tomasz Konieczny schon hier als Göttervater mit prachtvollem Timbre und mit dem Habitus des Clanchefs überzeugend auf – bis zu Wotans Abschied in der „Walküre“ hört man sich auch in seine Art zu artikulieren so ein, so dass man seine vokale Prachtentfaltung genießen kann. Von Anfang an ein Muster an Wortverständlichkeit ist (und bleibt auch in der „Walküre“) Christa Mayer als Fricka. Okka von der Damerau kommt mit ihrem kurzen Auftritt als Erda deutlich schneller zu ihren Lorbeeren. Dass sie zwar in Wotans guter Stube immer irgendwie dabei ist, aber Wotan sie dann doch fragt, wer sie eigentlich sei, gehört zu den kleinen Stolpersteinen der Binnenlogik der Inszenierung, die sich bei einer so robusten Überschreibung wie der von Valentin Schwarz nicht vermeiden lassen. 

Als Zwillingsbruder Wotans (so die Ausgangsthese dieser Inszenierung) imponiert Olafur Siguardson wieder (auch vokal) mit der Vehemenz, mit der er sich in seine Rolle als Benachteiligter wirft. Zur Stammcrew gehören Arnold Bezuyen als markant jammernder Mime ebenso wie Daniel Kirch, der seinen Loge wieder bewusst ins Schmierige übertreiben muss. Hügel-Debütantin Hailey Clark als Freia hat hier vor allem mit dem Trauma ihrer Entführung zu tun. Nach Fasolts (Jens-Erik Aasbø) Ermordung will sie nicht mehr leben. Göttinnen sind halt auch nicht mehr, was sie mal waren. 

Offensichtlich hat sie tatsächlich die Pistole abgefeuert, die sie sich beim Schließen des Vorhangs an die Schläfe gehalten hat. Denn in der „Walküre“ beginnt der zweite Akt mit einem Trauerspektakel um ihren aufgebahrten Sarg.

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Walküre 2023. Foto: Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath.

Walküre 2023. Foto: Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath.

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„Walküre“

In der „Walküre“ ist das biographische Desaster für das Personal genauso durchschlagend, wie der Jubel, der die Interpreten nach jedem Akt und dann am Ende traf. Inklusive der Zustimmung für den Dirigenten Pietari Inkinen, der den dankbar in den verdeckten Graben an die Musiker weiterleitete.

Der erste Akt, in der die Zwillinge Siegmund und Sieglinde zueinander finden, spielt sich eh fast von selbst. Das gilt auch in der prekären Kellerwohnung, in der Hunding und die hier schon hochschwangere Sieglinde hausen, als Siegmund reinschneit. Wobei es schon einen ziemlichen Effekt macht, wenn sich zum „Winterstürme wichen dem Wonnemond“ nicht einfach nur die Beleuchtung ändert oder eine Kulissenwand öffnet. Diesmal finden sie sich beide in ihren noblen Kinderzimmern von einst wieder.

Im zweiten Aufzug wird die Aufbahrung von Freia zu einer komödiantischen Show, weil es den kondolierenden Walküren vor allem um den eigenen großen Auftritt geht. Überhaupt bleibt die Frauentruppe auch danach fürs Komödiantische zuständig. Der Walkürenritt ist als Blick in einen Beauty-Salon, in dem sich die Upperclass-Damen verschönern, respektive umbauen lassen, auch eine Show für sich, die das, wovon sie singen, konterkariert.

Ernst wird es, wenn Fricka mit Hunding im Schlepptau dessen Sache als von den Wotanskindern betrogenem Ehemann vertritt und ihren Mann in die Enge treibt, bis der seiner energiegeladenen Lieblingstochter Brünnhilde die Anweisung gibt, Siegmund seinem Schicksal zu überlassen. Wenn der ihn dann letztlich eigenhändig erschießt, trifft er sich damit gleichsam selbst ins Herz. (Hier ist es sogar so, dass Wotan auch der Erzeuger von Sieglindes Kind ist – so jedenfalls ihre Fieber-Vision, wenn Hunding und Siegmund kämpfen). Am Ende liegt er einsam am Boden. Brünnhilde schreitet erhobenen Hauptes (mit Grane) in die Straf-Verbannung. Als Fricka ihren Triumph auskosten will, hat sie – wie zum Hohn für Wotan – das Schlussfeuer als Kerze zu einem Glas Wein auf dem Servierwagen dabei. Diesen Triumph gönnt er ihr nicht. Er rafft sich auf, gibt ihr demonstrativ seinen Ehering zurück, nimmt seinen Hut und geht….

In diesem Jahr hielt auch der Eames-Designersessel. Man würde sich nicht wundern, wenn Tomasz Konieczny ihn vor der Vorstellung noch mal überprüft hätte, denn im vorigen Jahr hatte er sich ernsthaft verletzt, als er damit zusammenkrachte. Es war einer der großen Vorzüge dieser Wiederaufnahme, dass man diesmal seine imponierende Kondition für Wotans Abschied miterleben konnte. Wie erwartet sicherten Georg Zeppenfeld (als hausmeisternder Hunding) und Christa Mayer auch hier das Referenzniveau an wortverständlicher Eloquenz. Als Liebespaar wurden (wie im vorigen Jahr) Klaus Florian Vogt und (neu und höchst überzeugend mit ihrer leuchtenden Leidenschaft und tiefen Verzweiflung) Elisabeth Teige bejubelt. Wobei Klaus Florian Vogt (das ist jetzt Nörgeln am hohen Niveau) seinen Siegmund eher von außen mit Blick auf die zu platzierenden Töne ansetzte und anfangs tatsächlich wie in die Szene hineinspringend wirkte. Er sorgte natürlich dennoch für einen erstklassigen Siegmund. Ins Staunen kam man aber vor allem über die neue (eigentlich alte, weil im Castorf-Ring schon phänomenale) Brünnhilde Catherine Foster. Was sie bot war überwältigend. Ihrer geradezu jugendliche Energie, mit der sie ihre Präsenz (zu der von Konieczny passend) ausstattete, kamen imponierende Piani, deren Substanz dennoch das Auditorium erfüllte und eine Freiheit im Spiel, wie man sich nicht oft erlebt. Diesmal schon.

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