Unter dem Motto „freiheit wagen“ präsentiert sich das internationale musikfestival heidelberger frühling nunmehr zum 19. Mal der musikinteressierten Öffentlichkeit. Nach der Notwendigkeit eines Themas für sein Festival gefragt, antwortet Intendant Thorsten Schmidt mit seinem Selbstverständnis von Festivalkultur.
Der heidelberger frühling versteht sich als Ganzes, das ja bekanntlich mehr als die Summe seiner Teile ist, und so will man nicht nur erstklassige Konzerte mit internationalen Künstlern bieten, sondern Eindrücke und Anregungen ermöglichen, die unsere Gesellschaft aktuell bewegen.
Dass dies seit 1997 gelingt gehört zum Erfolgsrezept dieses Festivals, das sich inzwischen zum größten in Baden Württemberg gemausert hat. Nach Angaben des Deutschen Musikinformationszentrums hat sich die Zahl der Musikfestivals und Musikfestspiele in den letzten 20 Jahren vervierfacht und übersteigt jetzt inzwischen 500 Veranstaltungen. Vor diesem Hintergrund ist jeder Festivalmacher gut beraten, sich um Alleinstellungsmerkmale zu kümmern.
In Heidelberg ist dies der Akademiegedanke. Zu den bereits bestehenden für die Bereiche Lied (Künstlerischer Leiter: Thomas Hampson, die nmz berichtete bereits) und Kammermusik (Künstlerischer Leiter: Igor Levit, Klavier), gesellte sich der Bereich Kulturjournalismus. Unter der Leitung von Eleonore Büning, FAZ, erarbeiteten die Stipendiaten mit ihren Mentoren Manuel Brug, Die WELT, und Sophie Diesselhorst, www.nachtkritik.de, was es heißt, tagesaktuell zu berichten. In der Osterwoche erschienen drei sechsseitige Publikationen, die vom Porträit/Inteview, über die Konzertkritik bis zum Kultur-Feature alle journalistischen Gattungen bediente.
Mentoren und Stipendiaten des Bereichs Kammermusik präsentierten ihre „Ergebnisse“ in einem Konzertmarathon von beeindruckender Quantität (über vier Stunden Musik) und verblüffender Qualität. Die Vielfalt der Musikgenres im Finale der festival akademie reichte von solistischer Darbietung bis zum großen kammermusikalischen Ensemble. An den Konzerten beteiligten sich unterschiedslos Stipendiaten und Mentoren und so erreichten Igor Levit und seine Kollegen ein zu Herzen gehenden con-zertieren.
Das Besondere am diesjährigen heidelberger frühling war die Anwesenheit des amerikanischen Pianisten und Komponisten Frederic Rzewski, der die Stipendiaten an seinen reichhaltigen Musikerfahrung teilhaben ließ. Rzewski, 1938 in Westfield Massachusetts geboren, ist hierzulande vor allem durch seinen 50-minütigen Variationszyklus The People United will Never Be Defeated! bekannt. Und so war es ein ganz besonderer Moment, als Igor Levit, der sich mit diesem Zyklus bereits mehrere Male auf der Bühne präsentiert hat, Rzewskis jüngstes, halbstündiges Werk „Dreams 2 (#5-8)“ in Heidelberg uraufführte
„Dreams“ basiert auf dem gleichnamigen Film des Regisseurs Akira Kurosawa, der das Leben eines Menschen in acht Episoden nachzeichnet. Mit den Teilen BELLS, FIREFLIES, RUINS und WAKE UP schließt der Zyklus. Die Monumentalität des Werkes zu verdeutlichen, gelang Levit vor allem dank seiner enormen technischen Fähigkeiten und dem Nachspüren dessen, was uns der Komponist in der Abendsonne seines Lebens vermitteln will, nämlich dass trotz aller „Runien“ des Lebens, immer Grund zur Hoffnung besteht.
Erwartungsvolles Hoffen begleitete den Pianisten auch im zweiten Teil des Konzerts, der den Bachschen Goldbergvariationen gewidmet war. Levit, der dieses Werk in Heidelberg erstmals öffentlich aufführte, merkt man seine Vertrautheit mit dem Spätwerk Beethovens an. Seine Einspielung der späten Sonaten weist interessante Bezugspunkte auf, die sein Verständnis des barocken Variationswerkes prägen. Er nimmt sich Zeit für Bach und verdeutlicht durch die Wiederholung der jeweiligen Variation, dass auch der Zuhörer Zeit braucht, um diesen Bach wirklich zu begreifen.
Der Preis des heidlberger frühling ging in diesem Jahr an den Pianisten und zukünftigen Intendanten der Salzburger Festspiele Markus Hinterhäuser. Im nächsten Jahr feiert Heidelberg ein rundes Jubiläum um man kann heute schon gespannt sein, welche Freiheiten zukünftig ausgelotet werden.