Composer in residence auf einem pulsierenden Sommerfestival zu sein, hat nichts mit Komponierhäusl-Abgeschiedenheit und beschaulicher Komponistenwerkstatt zu tun. Olga Neuwirths Tagesablauf ist gedrängt: Morgens an einer neuen Oper komponieren, dann die Proben für die Luzerner Inszenierung von „Bählamms Fest” besuchen, die Proben für die weiteren Instrumentalaufführungen überwachen, Werkeinführungen und Interviews geben, und nicht zuletzt mit den Musikern an einer adäquaten Uraufführung ihres Auftragswerks für das Festival arbeiten.
Composer in residence auf einem pulsierenden Sommerfestival zu sein, hat nichts mit Komponierhäusl-Abgeschiedenheit und beschaulicher Komponistenwerkstatt zu tun. Olga Neuwirths Tagesablauf ist gedrängt: Morgens an einer neuen Oper komponieren, dann die Proben für die Luzerner Inszenierung von „Bählamms Fest” besuchen, die Proben für die weiteren Instrumentalaufführungen überwachen, Werkeinführungen und Interviews geben, und nicht zuletzt mit den Musikern an einer adäquaten Uraufführung ihres Auftragswerks für das Festival arbeiten. Verfremdung/Entfremdung” ist dieses etwa elfminütige Stück für Flöte, Klavier und 6-Spurband betitelt: Neuwirth brachte hier zwei Instrumente zusammen, die sich eigentlich nur schwer verbinden lassen. Zusätzlich werden beide Instrumente mit sich selbst, genauer mit bis zu hundert „falschen“ Solisten an Flöte und Klavier konfrontiert, die vom Band zugespielt werden. Wie oft bei Neuwirth hat das Werk auch Programm: „Das Stück handelt von der Identität, von der Entfremdung der beiden Solisten im Verhältnis zueinander, wie auch – im Spiegel des Tonbands – zu sich selbst.“ Eva Furrer, Bassflöte, und Marino Formenti, Klavier, verhalfen den Klangverfremdungen und Klangspiegelungen zu lebendiger Spannung und räumlicher Präsenz, zogen den Zuhörer gleichsam ins Innere des elektronisch erweiterten Klangraums. Trotz eruptiver Ausbrüche, insbesondere von Formenti am Klavier, und des die Instrumente multiplizierenden Einsatzes von Elektronik, ist „Verfremdung/Entfremdung“ introvertierte Kammermusik. Den Kontrast dazu bot die 45-minütige Fassung des Orchesterstücks „The long rain“, einer aggressiven und bedrohlichen Musik. Das Werk für vier Solisten, vier Ensemblegruppen, Live-Elektronik und Film, nach einer Erzählung von Ray Bradbury (Film Michael Kreihsl) hatte Olga Neuwirth für Luzern als reines Instrumentalstück eingerichtet. Sie wollte ihre Musik vom dominanten Bild emanzipieren – was dem um das Publikum herum postierten Mitgliedern des Klangforums Wien unter Peter Rundel auch ohne Abstriche gelang.Neuwirth fühlt sich nach eigenen Worten angezogen und herausgefordert von einer französisch geprägten Komponiertradition: Sie zählt sich zu „Klangsuchern“ wie Claude Debussy, oder im zeitgenössischen Sinn zu den „Klanguntersuchern“ wie Gérard Grisey, Tristan Murail, Pierre Boulez und Luigi Nono. Neben Neuwirths Uraufführung erklangen deshalb folgerichtig Werke des Spektralisten Tristan Murail („Feuilles, à travers les cloches“), der für einige Jahre Lehrer von Olga Neuwirth war, sowie von Luigi Nono („A Pierre“, 1985).
Diese Korrespondenz zwischen Klanglichkeit und Komponist zog sich auch durch die übrigen Aufführungen von Modern Lucerne, in denen sich Olga Neuwirth als Composer in residence präsentierte. Ihren „Klassiker“ „Photophorus“ für zwei E-Gitarren stellte sie etwa in einen Zusammenhang mit Hardcore-Trio-Improvisationen von Koch, Schütz und Studer und „Keqrops“, einer Komposition von Iannis Xenakis für Klavier und 92 Musiker. Ihre beiden Stücke „settori“ und „Akroate Hadal“ nahmen an einem weiteren Konzertabend bezug auf Nonos „Fragmente – Stille, an Diotima“ und Helmut Lachenmanns „Streichquartett Nr. 3 ‘Grido’“.