Am Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe geht eine Ära zu Ende. Der Leiter des Instituts für Musik und Akustik, Johannes Goebel, folgt demnächst einem Ruf in die Vereinigten Staaten, um den Aufbau des „Experimental Media and Performing Arts Center“ am Polytechnic Institute in Renssela (New York State) zu leiten. Goebels Weggang nahm man nun zum Anlass, die Arbeit am ZKM unter seiner Regie gewissermaßen Revue passieren zu lassen: Bisher haben dort mehr als 80 Gastkünstler ihre Projekte im Bereich der experimentellen Musik realisiert; einige davon waren jetzt im Rahmen eines dreitägigen Musikfestivals zu hören.
Am Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe geht eine Ära zu Ende. Der Leiter des Instituts für Musik und Akustik, Johannes Goebel, folgt demnächst einem Ruf in die Vereinigten Staaten, um den Aufbau des „Experimental Media and Performing Arts Center“ am Polytechnic Institute in Renssela (New York State) zu leiten. Goebels Weggang nahm man nun zum Anlass, die Arbeit am ZKM unter seiner Regie gewissermaßen Revue passieren zu lassen: Bisher haben dort mehr als 80 Gastkünstler ihre Projekte im Bereich der experimentellen Musik realisiert; einige davon waren jetzt im Rahmen eines dreitägigen Musikfestivals zu hören.Johannes Goebel wollte diese Veranstaltung jedoch keinesfalls als Abschied verstanden wissen. Für ihn ist Musik weder Rückblick noch Ausblick, sondern immer ein pures Gegenwartserlebnis, das im besten Falle neue Herausforderungen an die menschliche Wahrnehmung stellt. Dies gilt eben gerade auch für die Produktionen aus der Steckdose, bei denen man sich ohnehin nicht bequem auf ein „Gefühlspolster“ zurücklehnen kann, da die Klänge nicht emotional besetzt sind. Und so ist eigentlich alles erlaubt, was der Musik eine neue Dimension hinzufügt: Die Elektronik soll idealerweise als Instrument, nicht als reines Glutamat (das heißt als Geschmacksverstärker) verwendet werden. Zumindest ist das der offizielle Anspruch, den Goebel an seine Gastkünstler stellt. Experimentiert wurde bislang viel am Institut für Musik und Akustik, und die meisten Arbeiten sind im Bereich Kammermusik mit Live-Elektronik entstanden. Bei vielen Stücken ist es aber beim reinen Klangexperiment geblieben, oftmals fehlt es an Architektur und Dramaturgie: Über den Kompositionsbegriff an sich kann man demnach streiten.Zwar hat beispielsweise Erik Ona für seine erstmals in Deutschland aufgeführten „Euler-Sonaten“ eine spezielle Signalverarbeitungsmethode entwickelt, die es ermöglicht, mit den einzelnen Bestandteilen des Klangs in Echtzeit zu spielen. Allein der Begriff „Sonate“ ist hier nicht angemessen. Onas Klangspielereien lassen jeden- falls keinerlei formale Prinzipien erkennen, sondern es geht lediglich darum, die aktuelle Musik durch einen Filter zu schicken, die den drei Celli ganz neuartige Klänge entlocken. Und um das Farbenspektrum zusätzlich zu bereichern, sind die Instrumente auch noch mikrotonal gegeneinander verstimmt. Das Ganze soll nun das „faszinierende und ungewöhnliche persönliche Leben“ dieses großen Mathematikers – so der Anspruch laut Programmhefttext – reflektieren.
Generell wird in den dargebotenen Stücken viel gefiltert, rhythmisch aufgezogen, geschichtet, verfremdet oder einfach als Echo wiedergegeben.
Jörg Mainka ist einer der wenigen Klangkünstler, die wirklich im traditionellen Sinne komponieren. In seinem „Skalenwirbel“ (allerdings schon 1992 entstanden) setzt er den Computer tatsächlich als zusätzliches Instrument ein, das mit dem Hauptinstrument – dem Saxophon – in einen regelrechten Dialog tritt. Die Elektronik greift hier live gespielte Passagen auf, und das Repertoire des Computers kann wiederum durch den Saxophonklang beeinflusst werden: So ergibt sich sogar während des Stücks noch Raum für freie Improvisationen.
Einen eher kleinen Anteil machen dagegen reine Tonbandkompositionen aus. Da ist die Auftragslage hier zu Lande nicht so groß; die Akzeptanz im Konzertsaal eher gering. Allerdings kann man diese Art von Musik ebenfalls sehr wirkungsvoll in Szene setzen, auch wenn keine lebendigen Akteure auf der Bühne zu sehen sind, und die räumlichen und dynamischen Möglichkeiten sind fast unbegrenzt.
Ludger Brümmer spielt in seinem „Inferno der Stille“ für Achtkanal-Tonband mit historischem Material: dem Introitus aus Mozarts Requiem. Zwar handelt es sich hierbei wieder eher um eine Collage als um ein durchkomponiertes Stück – höchst imposant ist allerdings, wie Brümmer mit den einzelnen Geräuschpartikeln umgeht. Da werden zunächst Metallklänge geschichtet, bis sie eine ungeheure Tiefenwirkung entwickeln, dann wie durch einen Sog mit großem Getöse emporgerissen, und plötzlich scheint unter diesen dicht zusammengeballten Klangwolken das Original durch: Der Hörer erkennt auf einmal vertraute harmonische Felder.
Dass die Elektronik den am ZKM produzierten Werken allerdings eine neue Dimension hinzufügt, gilt keineswegs in allen Fällen. Heinrich Taubes Stücke für Diskklavier – zum einen Impressionen einer längeren Zugfahrt und zum anderen eine Fantasie über die amerikanische Volksweise „Amazing Grace“ – kann man genauso gut auf einem normalen Konzertflügel spielen. Und bei Laurie Schwartz’ Performance „The shoes“ für eine zu hörbaren Tanzschritten deklamierende Sängerin (die sich lange über die Sinnlichkeit der italienischen Kochkunst auslässt und dabei mit ihrem Alter Ego, ihrer eigenen Stimme von CD, ständig kommuniziert) hängt die Wirkung im Wesentlichen von der Präsenz der Darstellerin ab. Allerdings befriedigt das ZKM mit seinen interaktiven Klanginstallationen durchaus den Spieltrieb mancher Computerfreaks. Dies gilt für die CD-ROM „Small Fish“ – bei der man als Benutzer mittels Mausklick die projizierten Objekte auf der Leinwand nicht nur beliebig hin- und herbewegen, sondern sich dabei auch noch seine ganz eigene Klangkomposition schaffen kann – wie für die aufwändigere 3D-Produktion „Sonomorphis“. Das Ganze beruht auf offenen Systemen im Bereich der Computertechnologie.