Schon amüsant: da zeigt die in Dänemark lebende Sängerin Indra Rios-Moore wie beliebig man das Motto des diesjährigen BMW Welt Jazz Awards auslegen kann – und trägt trotzdem einen Punktsieg davon in diesem „Inspired By Legends“ übertitelten Wettbewerb, der bisher viele Erwartungen enttäuschte. Das Publikum wollte am Ende gar nicht aufhören zu applaudieren.
Selbst die, die wir als Götzen verehren, sind von irgendwas und meist auch von irgendwem beeinflusst. Indra Rios-Moore scheint einer ganzen Reihe von Idolen für die Inspiration danken zu wollen: alten Bluesbarden, Joni Mitchell, Nancy Wilson, Neil Young, David Bowie, Johnny Hartmann, Louis Armstrong, Pink Floyd. Wer nun nicht beim Matinee-Konzert im Doppelkegel der BMW Welt dabei war, der könnte aufgrund dieser Liste vermuten, dass die in der Lower Eastside aufgewachsene Tochter einer Puertorikanerin und eines afroamerikanischen Jazzmusikers bei ihrem Auftritt ein heilloses stilistisches Kuddelmuddel angerichtet hat. Weit gefehlt. Auf die denkbar natürlichste Weise hat die in Dänemark lebende Sängerin ihre Einflüsse durch die eigene Persönlichkeit gefiltert – irgendwann denkt man nicht mehr darüber nach, wem sie da huldigt, ob sie gerade einen Jazzstandard intoniert, den Candomblé-Gottheiten Oshun und Legba ein musikalisches Opfer bringt, sich zum Heulen schön auf Bluegrass-Wurzeln beruft oder eine Hymne des Psychedelic Rock aufleben lässt. In Konzerten wie diesem merkt der sensible Zuhörer schnell, wie unnötig Trennlinien zwischen den Genres und wie sehr die unterschiedlichsten Klang-Kulturen doch miteinander verwandt sind.
Eine Aussage ihres großen Vorbilds, des Crooners Johnny Hartmann, beherzigt Indra Rios-Moore zwei göttliche Sets hindurch. Der plädierte stets dafür, dass Sänger ganz nah bei dem Song bleiben sollten, dem sie sich gerade widmen, eng an der Melodie – ohne großes Tralala, ohne Mätzchen. Auf große Koloraturen wird man bei Indra Rios-Moore lange warten – auch wenn sie die sicher draufhat. Sie gibt ihrer Musik Raum, obwohl die Stücke so kompakt und kurz sind. Sie gleitet elegant, ohne Hast und beseelt durch die Lagen, mit einem sanften Flackern in der schönen Altstimme. Sie erzeugt eine Intimität, der man sich kaum entziehen kann. Das gelingt ihr auch, weil sie ein bestens abgestimmtes Trio dabei hat, das Einfaches mit viel Pfiff und Herz ausstattet: ihren Ehemann, den Saxofonisten Benjamin Traerup, den für Grundierungen und das Gefüge zuständigen Bassisten Thomas Sejthen und vor allem den Gitarristen Uffe Steen, einen Linkshänder, bei dem die tiefe E-Saite des Instruments unten und die hohe oben liegt. Wie er auf seiner von Gebrauchsspuren gezeichneten Stratocaster Feeling mit leisem Witz paarte, war atemberaubend.
Auch wenn Indra Rios-Moore allen Erwartungshaltungen an den Kreativitätssinn von Jazzmusikern trotzt und nicht sonderlich originell oder ambitioniert mit den Legenden verfährt, die ihr Leben musikalisch prägten, ist sie ihnen doch würdig. Weil sie bei sich selbst bleibt. Die Frau gehört ins Finale des BMW Welt Jazz Awards.