In der Schirn in Frankfurt am Main brummt, fiept, säuselt und dudelt es zurzeit. Max Hollein, der neue Direktor, präsentiert gemeinsam mit dem Kuratoren Jesper N. Jørgensen „eine interdisziplinäre Suche nach neuen Hördimensionen“. Musik als physikalische Ereignisse, Sounds als Spiegel gesellschaftlicher Phänomene und vor allem: Klang und sein Verhältnis zum Raum – mit diesen Stichworten im Hinterkopf lauscht, schlendert und tastet man durch die Areale und Nischen, in denen internationale Künstler ihre Beiträge installiert haben, unter anderem Ann Lislegaard (Kopenhagen/New York), Ryoji Ikeda (Tokio) oder Franz Pomassl (Wien). Besondere Beachtung aber fand an den ersten fünf Wochenenden im Februar und März die begleitende Aufführungsreihe „Performances“, zusammengestellt vom Berliner Musiker und Künstler Carsten Nicolai. Dort konnte man erleben, wie einige junge Vertreter neuer elektronischer Musik, geerdet in der Clubkultur und/oder in der mit Sinustönen experimentierenden Avantgarde Mitte des vergangenen Jahrhunderts, ihre Konzerte in diesem Museumskontext gestalten – ihre Musik, ihre Visuals, ihre Person.
In der Schirn in Frankfurt am Main brummt, fiept, säuselt und dudelt es zurzeit. Max Hollein, der neue Direktor, präsentiert gemeinsam mit dem Kuratoren Jesper N. Jørgensen „eine interdisziplinäre Suche nach neuen Hördimensionen“. Musik als physikalische Ereignisse, Sounds als Spiegel gesellschaftlicher Phänomene und vor allem: Klang und sein Verhältnis zum Raum – mit diesen Stichworten im Hinterkopf lauscht, schlendert und tastet man durch die Areale und Nischen, in denen internationale Künstler ihre Beiträge installiert haben, unter anderem Ann Lislegaard (Kopenhagen/New York), Ryoji Ikeda (Tokio) oder Franz Pomassl (Wien). Besondere Beachtung aber fand an den ersten fünf Wochenenden im Februar und März die begleitende Aufführungsreihe „Performances“, zusammengestellt vom Berliner Musiker und Künstler Carsten Nicolai. Dort konnte man erleben, wie einige junge Vertreter neuer elektronischer Musik, geerdet in der Clubkultur und/oder in der mit Sinustönen experimentierenden Avantgarde Mitte des vergangenen Jahrhunderts, ihre Konzerte in diesem Museumskontext gestalten – ihre Musik, ihre Visuals, ihre Person.Im Aufführungssaal der Schirn haben sich die Besucher schnell eingerichtet auf den wenigen Podesten, dem Parkettboden, den Schaumstoffmatten. Die Hörsituation ändert sich mit dem Gestus der Darbietung, die Gesamtatmosphäre mäandert zwischen schummrig murmelnder Chillout-Zone und purer Konzentration inklusive verärgertem „Psst!“. Es gibt keine Begrüßungen, keine Vorstellung der Künstler, keine Ansagen. Manchmal schimmert nur auf ihrem Gesicht der Widerschein der Laptop-Bildschirme.In diesem Widerschein inszenieren sich die Akteure auf verschiedenste Weise. Random Inc. (Sebastian Meissner) beispielsweise verdrückt sich in eine Ecke und steuert von dort aus sein flächig-atmosphärisches Klang- und Bildmaterial. Dabei hat er den Laptop dort, wo er dem Namen nach hingehört: auf dem Schoß. Ebenso wie der Frankfurter Musiker Ekkehard Ehlers. Ihr Klangereignis – digitale und akustische Sounds und Muster gehen in einem großen dramaturgischen Bogen ineinander auf – entsteht live in diesem Moment und will nichts anderes als die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Nach vorne. Dorthin, wo die Musiker spielen.
Ganz anders verhält es sich mit den im Club verankerten Musikern wie dem jungen Dänen Thomas Knak, hier solo als Opiate, oder dem Berliner Duo Monolake. Sie musizieren mit motivischen Bögen über angenehme technoide Beats in Form von DJ Sets, führen in die Welt des sorgfältig arrangierten Klicken, Knacken und Rauschens. Sie spielen die Musik sozusagen zwischen die Leute, die sich dazu unspezifisch im Raum orientieren, oft die Augen schließen oder, bei Monolake, hin und wieder in den Flow der die Beats begleitenden Videobilder blinzeln.
Die Musik zwischen die Leute spielen, das tun die beiden Musiker Marc Behrens und Achim Wollscheid ganz konkret. Sie haben die Tische mit ihren Instrumenten quer im Raum vis-a-vis aufgebaut. Von ihren Geräten winden sich lange dünne Kabel zu kleinen Lautsprechern, die zwischen den kreuz und quer sitzenden Zuhörern platziert sind. So entsteht eine Landschaft, die den Soundscapes des Duos entspricht. Von allen Seiten klacken, zischeln, quaken und brummen Samples und Tonfolgen, mit Assoziationen an Natur und Industrie, an Erde und All, an Mensch und Technik. „Eine kolossal behagliche Hörsituation“, meint ein Zuhörer im Anschluss.
Andere Künstler positionieren sich dort, wo bei gewöhnlichen Konzerten „der Mixer“, der Mann am Mischpult steht, mit der gleichen Blickrichtung auf die imaginäre Bühne wie die Zuhörer. Anstelle des „Stars im Spotlight“ ist da eben der Raum, in den Ecken vielleicht die Boxen – oder es werden Visuals gezeigt wie bei dem britischen Künstler, der sich „Disinformation“ nennt. Sowohl er als auch der in Tokio lebende Franzose Christophe Charles performen nach dem Prinzip, im dynamischen Wechselbad tieffrequentes Rumpeln und Dröhnen mit grellem Klackern und Rauschen zu kontern, wobei das Publikum versucht, den Bildern, Schrifttafeln und Filmen zu folgen, um Visuelles und Akustisches in Beziehung zu setzen. Da das aber aufgrund der Abstraktion und Verschlüsselung kaum funktioniert, wird das individuelle Erleben erneut zu einer Raumerfahrung. Der Blick schweift zwischen den Projektionen hin und her, die Musik ist in den lauten Passagen körperlich spürbar. Und wer da raus will, hat vielleicht das Pech, erst einmal den gesamten Saal durchqueren zu müssen…
Den letzten Abend beendet schließ-lich Jens Massel alias Senking mit einem halbstündigen Abschlussfeuerwerk – nur ohne visuelle Beigabe. Er organisiert paukenähnliche Schläge, laute Knackser und viel Gezischel in einer dichten, aber nicht einem Beat vollends verpflichteten Track-Abfolge – und plötzlich kehrt das Gefühl der klassischen Konzertsituation wieder in den Raum zurück: Nach seinem finalen Tusch spricht der Künstler gar. Er sagt „danke“ und verbeugt sich. Wie ein Reflex folgt darauf nicht nur Applaus, sondern großer Beifall mit Jubel.
Auch wenn diese Konzertreihe eher konventionell beendet wird, so hat man eine neue Sensibilität mit auf den Weg bekommen. Und wer sich nun noch einmal in die eigentliche Ausstellung wagt, der profitiert davon: Das Verhältnis der Klänge und Räume scheint sich neu und leichter zu erschließen. Dabei spielt es keine Rolle, wie sehr dieses Verhältnis hier oder dort intendiert ist. Sowohl die „Performances“ als auch die Ausstellung offenbaren ihren Wert sowieso vor allem in dem Moment, in dem man die teils banalen, teils unnahbaren und teils sinnesfreudigen Einzelteile als ein Ganzes erfasst. Wie so oft lohnen die einzelnen Facetten nicht immer, aber das gesamte Ereignis ist durch-aus in der Lage, einem ein paar Augen und Ohren mehr zu öffnen.
Die Ausstellung „Frequenzen (Hz)“ läuft noch bis 18. April 2002
www.schirn.de