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Interreligiös auf doppelter Ebene

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Zur Uraufführung des Requiems von Christina Messner beim Acht Brücken Festival Köln
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Ob das Schöne im Hässlichen gedeiht, gedeihen kann, ist eine alte Frage. In Köln hat man sie jetzt noch einmal aufgeworfen, unfreiwillig. Vermutlich war es einmal mehr Gedankenlosigkeit, mit der man die Uraufführung des in jeder Hinsicht anspruchs­vollen Requiems von Christina Messner zusammen mit drei weiteren Kammermusik-Aufführungen in einen Disco-Schuppen verlegt hatte.

Nicht so wichtig? – Diesen Eindruck musste der Besucher tatsächlich gewinnen. Worauf Veranstalter heutzutage ja vor allem achten, das sind die Logos, unter denen ihre Events segeln. Inhalte? Passen die nicht überall hin? Für den „ON@Acht Brücken“-Abend gab’s jedenfalls weder Konzertsaal, weder Kirche noch sonst eine kölnisch-musikaffine Räumlichkeit. Eigentlich konnte der Veranstalter von Glück sagen, dass zum Aufführungszeitpunkt trockene Witterung herrschte. Andernfalls hätte sich das verkraterte Schmuddel-Bahngelände von seiner morastigsten Seite gezeigt.

Die Aufführungslokalität selbst mochte passend sein für einen dort aus vollen Kannen ausgeschütteten Rock, für alles andere, zumal für ein klangsensibles Musiktheater, war es die betongewor­dene Antiakustik. Dazu durfte sich, dank offen gebliebener Eingangstüren, eine in der Umgebung zu vermutende Partymusik dazumischen; und in direkter Nachbar­schaft zum (nicht vorhandenen) Podium sorgte eine Batterie Mammut-Kühlschränke für herrliches Dauer-Brummen.

Um so beeindruckender, wie sich die Ausführenden gegen die Widrigkeit der Umstände stemmten, um einem ambitionierten Stück Musiktheater zum Erfolg zu verhelfen. Das Getrennte, das Auseinanderliegende zusammenbringen, eine Linie markieren, auf der es zusammenkommen kann –so ließe sich der Anspruch formulieren, dem sich Christina Messner mit diesem „interreligiösen Requiem“ gestellt hat. Und zwar auf doppelter Ebene. Schon nach der Seite der Besetzung war das Ambitionierte mit Händen zu greifen. Einerseits Professionalität im kleinen, feinen Vokal- und Instrumentalensemble, wo man sicher und präzise war und zugleich bereit war, an Grenzen zu gehen. Counter Daniel Gloger, Sopranistin Irene Kurka wären hervorzuheben.

Andererseits hat sich Komponistin Christina Messner in die Kölner Laienchorszene gestürzt, um die Basis dessen, wo Musik und Religion zusammen­kommen, ins Konzept einzubinden. So riskant ein solches Unternehmen ist, was zurückblieb, war der Eindruck, dass hier tatsächlich auf den Klangleib geschrieben worden ist. Die Aufführung selbst, von Susanne Blumenthal mit sehr markierenden Händen zusammengehalten, vermied kraft angedeutet Szenischem jede Oratorien-Steifheit. Kinderchor der Universi­tät, Kammerchor musica mundi, Frauenschola St. Agnes, Projektchor der Melanchthon-Akademie mit choreographi­schen Anteilen zum Chorpart. Darin viel authentischer Ton, Einfach­heit der Mitteilung mit berührenden Momenten. Etwa beim zwei­stimmi­gen, xylophon-begleiteten Repeti­tionslied „Sei Sonne, sonst bleibst du Fleder­maus“ des Kinderchors. Wo Großes, wo vor allem Disparates zusammentreten soll, muss es einfach werden.

Dass es dabei nicht platt wurde, dafür sorgte die Entscheidung, nicht nur Texte aus den Büchern der Weltreligionen, sondern auch Dichtung der Weltkulturen aufzuneh­men. Damit kamen die Fragezeichen hinein, vielleicht mit das Wichtigste dieses „interreligiösen“ Musiktheaters, das mit einem gestockten „dass ich nichts weiß“ und Atemgeräuschen endete. Ein auskomponiertes Fragezeichen, das mutig operierte gegen den Alleinvertre­tungs­anspruch der Religionen, die Quelle für den Hass, die Gewalt gegen sich, gegen andere. Dagegen leuchtete, für einen Moment im Disco-Einerlei, das Welt-Ethos dieses so sonderbar geschriebenen „re!quiems“. Das Ausrufungs­zeichen hier wohl einfach nur das Zeichen dafür, wenn wir sagen: Glauben und Denken.

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