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Der Mikado in Passau (c) Peter Litvai

Matthias Bein, Peter Tilch und Albin Ahl in „Der Mikado“ am Landestheater Niederbayern. Foto: Peter Litvai

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Köstlich! „Der Mikado“ von Gilbert & Sullivan am Landestheater Niederbayern in Passau

Vorspann / Teaser

Interkulturelles Feingefühl gehörte wohl nicht zu den Stärken des viktorianischen, kolonialistischen Großbritannien. Dass „Der Mikado“ von 1885, eines der vielen Erfolgsstücke des genialen Theaterteams William Schwenk Gilbert und Arthur Sullivan, dennoch nicht in die Mottenkiste der Musikgeschichte gehört, zeigte die gelungene Produktion des Landestheaters Niederbayern, die in Passau Premiere feierte.

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Die heikle Frage, ob hier nicht vielleicht doch zweifelhafter Ulk auf Kosten von Japanern gemacht werde, räumt Regisseur Simon Butteriss – als Sänger selbst ein erfahrener Interpret der „Savoy Operas“ – gleich zu Beginn ab: Ein Plakat kündigt die Ausstellung des „Japanese Village“ an, die als fragwürdiger Höhepunkt der englischen Japan-Mode von Januar 1885 bis Juni 1887 im Londoner Stadtteil Knightsbridge stattfand. Sieben Einheimische (die Herren des Chors) schlüpfen in die exotischen Gewänder und bevölkern fortan das pittoreske Dorf (Bühne und Kostüme: Charles Cusick Smith und Philip Ronald Daniels). Klar ist also: Hier werden keine fernöstlichen, sondern englische Zustände aufs Korn genommen.

Im zweiten Akt versucht der stimmlich markante Albin Ahl als Pish-Tush dann, peinlich berührt, die Chornummer mit japanischem Text (die eine zweideutige Zeile enthält) abzuwinken. Eine tiefschürfende Auseinandersetzung mit den Untiefen des Stücks ist das natürlich nicht, aber es reicht, um die nötige historische Distanz aufzubauen und sich an einer vor Tempo, Spielwitz und musikalischer Finesse überbordenden Aufführung zu erfreuen, bei der man aus dem Grinsen nicht mehr herauskommt.

Dabei bewährt sich die Mischung aus deutschen Dialogen und englischen Gesangstexten aufs Köstlichste. Die Steilvorlage, für die Exekutionsliste des neu bestellten Oberscharfrichters Ko-Ko ausnahmsweise in deutschen Gesang zu wechseln, wird trefflich genutzt. Als Kandidaten, die sicher „nicht vermisst“ würden, werden unter anderem Gegner des Theaterneubaus in Landshut (eine der drei Spielstätten des Landestheaters) und jene genüsslich aufgezählt, die den Musikunterricht an Grundschulen kürzen…

Peter Tilch zieht in dieser dankbarsten Rolle alle Register mitreißender Komödiantik und singt auch hervorragend. Seine Szene, in der er die eigentlich als künftige Schwiegertochter des Mikado auserwählte Katisha umgarnt, um das makabre Durcheinander aus Hinrichtungen und Scheinhinrichtungen zu entwirren, ist auch dank der grandiosen Sabine Noack ein Glanzstück ausgefeilten Duettierens.

Edward Leach als schmachtender Liebhaber Nanki-Poo verströmt tenoralen Schmelz, Yitian Luan als seine Angebetete Yum-Yum zelebriert ihre vergleichsweise große Arie „The sun, whose rays“ souverän und sorgt mit eitlem Minenspiel für herzhafte Lacher. Matthias Bein füllt die multifunktionale Rolle des Ämterhäufers Poo-Bah (Minister für alles Andere) stimmlich und darstellerisch perfekt aus, Kyung Chun Kim gibt der eher kleinen Titelrolle überzeugende Präsenz.

Hätte GMD Basil H. E. Coleman den „Three little maids“ (bei der zweiten Aufführung am 10. März) eine Spur mehr Zeit und Luft zum atmen gelassen, die ausgezeichneten Sarah-Léna Winterberg und Anna Reijter als Yum-Yums Schwestern hätten auch in diesem berühmten Trio charmant brillieren können. Wenn der Dirigent es hier und an anderen Stellen mitunter in Sachen Rasanz auch ein wenig übertreibt, so ist doch bewundernswert, wie gut er die Niederbayerische Philharmonie auf Arthur Sullivans hinreißend abwechslungsreiche, mit inspirierten Melodien nur so um sich werfende Partitur eingestellt hat. Ein Sonderlob gebührt dem Chor des Landestheaters. Was die gerade einmal 15 Damen und Herren in der Einstudierung von R. Florian Daniel in den vielen Ensemble-Einwürfen und eigenen Nummern abliefern, macht einfach Laune.

Wie diese (von einem exzellenten Programmheft begleitete) Produktion insgesamt. Sie zeigt, wie die hierzulande sträflich vernachlässigten Meisterwerke von Gilbert & Sullivan auf deutschsprachige Bühnen zu bringen wären. Mehr davon!

Zum Weiterlesen: Geniales Kreativteam – Die „Savoy Operas“ von Gilbert & Sullivan sind hierzulande immer noch zu entdecken (aus: Oper & Tanz 2023/04)

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