Christian Thielmann ist wieder mit dabei und landet bei den Bayreuther Festspielen 2025 den erwarteten Lohengrin-Coup.

Lohengrin. I. Akt. Elza van den Heever (Elsa von Brabant), Chor der Bayreuther Festspiele.
Lohengrin-Blau in Bayreuth, nach Art des Hauses Thielemann
Man glaubt es kaum, aber es gab tatsächlich ein paar Buhs, als Neo Rauch und Rosa Loy beim Schlussbeifall für die erste Lohengrin-Reprise der Festspiele vor den Vorhang traten. Das Leipziger Künstlerehepaar steht zwar gar nicht für die Regie, die, wenn es denn überhaupt Unmutsäußerungen gibt, die Buhs in der Regel abbekommt. Die beiden stehen gemeinsam „nur“ für Bühne und Kostüme dieser Produktion aus dem Jahre 2018. Dass die beiden sich dem (natürlich überwiegenden Beifall) stellten, ist aber keine Anmaßung – sie prägen tatsächlich diese Inszenierung.
Der ins Riesenhafte vergrößerte Pinselstrich des Malerstars, die putzigen Kostüme seiner Frau, die ganze traumverloren in die Wirklichkeiten einer somnambulen Erinnerung blinzelnde Metaphorik. Wenn man mit seiner Bildästhetik einigermaßen vertraut ist, liegt es auf der Hand, jenseits jeder Korrektheit, das Ganze einen Neo-Rauch-Lohengrin zu nennen. Gedacht ist er von der Farbe einer Stimmung aus. Auf das berühmte Romantikblau sei er hörend intuitiv als Maler gekommen, gab er zu Protokoll.
Dieses Sicheindenken der Künstler in eine bestimmte märchenhafte Stimmung und daraus eine Welt bauen, in der gesungen wird und die Musik dann doch das eigentliche Ereignis ist, das kann man als gelungen zugestehen. Eine Personenführung, die nicht über ein szenisches Weh und Ach mit ausgestreckten Armen oder die aufgescheucht wirkenden Ausbrüche einzelner aus der Formation etlicher Auf-Nummer-sicher-Tableaus hinausgeht, bleibt mehr Arrangement. Manchmal wirkt das unfreiwillig komisch. Da Yuval Sharon als Regisseur dankenswerterweise kurzfristig eingesprungen war, darf man ihm wohl alles, was an nachvollziehbarem Agieren vorkommt, zurechnen.
Zum Raum gewordener Malerei
So bleibt das Ganze eher eine Folge sich üppig behauptender, zum Raum gewordener Malerei. Die mischt Romantisches (in den Kostümen) und technisch Modernes in den Bauten (wie das eine Trafohäuschen). Die meisten Zweibeiner werden dabei auch zu Zweiflüglern, was immerhin erklärt, wieso Telramund und Lohengrin einen Luftkampf ausfechten. Elsa und Ortrud dürfen prachtvolle Kostüme zur Schau stellen. In Orange und Weiß die gute Seite, in Schwarz die Böse versteht sich. Der König sieht immerhin so aus,, dass man auf seine herausgehobene Rolle käme, würde man ihn nur sehen. Und nicht auch stimmgewaltig hören. Andreas Bauer Kanabas als einspringender, auf Anhieb würdevoller König Heinrich hat mit Michael Kupfer-Radecky einen Heerrufer mit tadelloser Eloquenz an seiner Seite. Wie der den Gunther hatte auch der Telramund Olafur Sigurdarson schon am Vortag in der „Götterdämmerung“ einen Alberich hinter sich gebracht. Es gehört zur Festspielrendite immer mal in Echtzeit die Wandlungsfähigkeit der Künstler in ihren unterschiedlichen Rollen zu bestaunen. Bayreuth-Debütantin Miina-Liisa Värelä war vor kurzem in Barcelona die Ortrud in Katharina Wagners zweiter Lohengrin-Inszenierung. In Bayreuth kann sie immerhin vokal vom Leder ziehen, schauspielerisch muss auch sie nur andeutungsweise ran. Bleibt das Traumpaar, das sich wieder trennen muss, als es sich gerade gefunden hat. Lohengrin ist eine ideale Partie für Piotr BeczaĆa – besonders im dritten Aufzug verwöhnt er im Brautgemach und mit der Gralserzählung Elsa und den gebannt und ohne auch nur einen deplatzierten Zwischenhuster lauschenden Saal mit seiner auch in der Mittellage substanzreichen Strahlkraft. Hügelneuling Elza van den Heever, mittlerweile eine weltweit geschätzte Wagnersängerin, ist eine Elsa mit leuchtendem Stimmglanz und einer Portion trotzigem Selbstbewusstsein in ihrer Stimme und ihrem Habitus. Am Ende steht sie mit dem von Lohengrin ernannten neuen „Führer“ an der Rampe und legt den Arm um das Ampel-, Messe- auf jeden Fall aber grüne Männchen. Das zweibeinige und zweiflüglige Volk ist da zu Boden gegangen, der König dem nochmal aufgeschichteten Scheiterhaufen einfach entstiegen. So endet ein Lohengrin-Blau mit phantastischem Drumherum.

Lohengrin. II. Akt. Michael Kupfer-Radecky (Der Heerrufer des Königs), Chor der Bayreuther Festspiele. © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath
Natürlich war das Ganze dennoch ein Fest, fast schon ein Grabenweihfestspiel, denn Christian Thielemann war nach zwei Jahren Pause wieder dort, wo er (wenn auch nicht immer und bei allem, aber immer mal und dann prägend) hingehört: am Pult im verdeckten Graben des Festspielhauses. Was er bot, war hinreißend, betörend. Er lieferte schon bei noch geschlossenem Vorhang das klingende Gralssilber und steuerte traumwandlerisch sicher die Romantik an – inklusive dessen von Thomas Mann so benanntem Gipfelpunkt, den pp-Trompeten vor „In Lichter Waffenscheine“. Natürlich verschaffte er auch den von Thomas Eitler-de Lint präzise einstudierten Chören ihren großformatigen Auftritt, ließ das Dunkle im mittleren Akt dräuen, platzierte Generalpausen genau da, wo sie zu Spannungshöhepunkten wurden, schmeckte mit dem Orchester auch mal genüsslich nach, ließ es dann aber beim Hochzeitsmarsch zwar nicht krachen, aber sehr vital schäumen.
Die auf Jubel und Wiederhörensfreude gestimmte Gemeinde bekam, was sie erwartete: Lohengrin-Blau, nach Art des Hauses Thielemann. Das Festspiel, das dabei herauskam, wurde enthusiastisch gefeiert. Die Lohengrin-Liebhaber (die gerne auch mal mit ihrer Lieblingseinspielung oder -erinnerung vergleichen) kamen hier jedenfalls voll auf ihre Kosten.
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