„In Frisco ist der Teufel los“ erlebte die Endfassungsuraufführung 1962 im Ostberliner Metropoltheater, war bis zur Wiedervereinigung in der DDR mit über 60 Inszenierungen ein Repertoire-Hit, verschwand und wurde in der müden Aufführung der Musikalischen Komödie Leipzig 2015 zum 101. Geburtstag des wenige Monate später verstorbenen Komponisten Guido Masanetz leider kein Ruhmesblatt. In der Reihe der Komischen Oper Berlin mit Werken aus dem Heiteren Musiktheater der DDR erntete die Premiere der semikonzertanten Aufführung einen vollen Erfolg. Kai Tietje am Pult und Martin G. Berger als Regisseur zeigten: Mit Fantasie und Respekt vor dem subtilen Entstehungs- und Profilhintergrund ist das Hauptwerk von Guido Masanetz höchst lebendig und lebensfähig.
In Frisco ist der Teufel los. Foto: Monika Rittershaus
So klingt Kapitalismuskritik: Guido Masanetz’ Operette „In Frisco ist der Teufel los“ im Schillertheater Berlin
Sie ist stahlblond, eisenhart, kaltblütig und immer perfekt gestylt: Xonga Miller, genannt Mrs. X oder Xonga Stalin. Solche machiavellistischen Finanzmogulinnen – hier souverän verkörpert von Christoph Marti - gibt es natürlich nur in der (ostdeutschen) Operette. Das bestätigen mit Augenblinzeln auch der zu Xongas Entourage gehörende Irrenpfleger mitsamt Krankenschwestern (Yauci Yanes Ortega, Jan-Frank Süße). Trotz der im Sommer 2025 wegen Finanzloch abgesagten Produktion von Gerd Natschinskis „Mein Freund Bunbury“ hat die Komische Oper seit dem sprichwörtlichen Titel „Messeschlager Gisela“ im Theaterzelt am Roten Rathaus und Barrie Koskys epochalen Operetten-Revivals ein neues, äußerst ergiebiges Betätigungsfeld: Das in der DDR mit über 200 Titeln akkumulierte Heitere Musiktheater! Musicals und Operetten also nicht wie im Westen auch aus dem freien Theater, sondern entstanden in der dichtesten Theaterförderlandschaft der Welt. Der ideologische Überbau und Gehirnwäsche-Appeal wurden vom Publikum und den Kulturschaffenden der DDR schon in den 1960ern fast nie ernst genommen. Nach der Wende war die Gattung des Heiteren Musiktheaters mit Ausnahme weniger Experten-Plädoyers trotzdem weg – auch deshalb, weil die ostdeutschen Protagonisten der Branche selbst deren Vergessen beschleunigten und trotzdem über die Vernachlässigung ihres stellenweise in den Schlager-Volksmund eingedrungenen Kulturguts lamentierten. Titel wie „Irene und die Kapitäne“ oder „Mein schöner Benjamino“ sollen also endlich wieder auf den Prüfstand und ins kulturelle Gedächtnis.
Ansätze gab es in den letzten Jahren zwar einige, blieben bis vor kurzem allerdings im überregional wenig Lust machenden Ostalgie-Rahmen. So bremste die Etablierung der überraschenden wie aufschlussreichen DDR-Musicals als gesamtdeutsches Kulturphänomen. Das ist ab jetzt anders.
In Frisco ist der Teufel los. Foto: Monika Rittershaus
Wenn Sophia Euskirchen als Bar-Bedienung Virginia mehr freche Lebenserfahrung spielt als das früher bevorzugte Klischee des „frischen Ostmädels“, wird die respektvoll raffinierte Haltung der Aufführung deutlich. Berger klopft den Text auf den Kern hinter der auf den ersten Blick konformen Handlung ab. Mit pointierten Dialogen, pfeilscharfen Setzungen und Gespür für das Wesentliche macht Berger in nur 90 Minuten das Happy End glaubhaft. Alexander von Hugo bringt als positiver Held Anatol Brown ein bisschen „Fluch der Karibik“-Flair in die etwas naive wie moralisch richtige Haltung. Videoprojektionen zeigen den Alex und den Kanal bei Friedrichshain und Nobelhotels der DDR, damit die Assoziationen dem jüngeren Publikum klar werden.
In Frisco ist der Teufel los. Foto: Monika Rittershaus
„Das kommt so nur in sozialistischen Operetten vor“ heißt es wahrheitsgetreu in der Bearbeitung. Aber es bleibt doch minimal beklemmend, wie dicht sich an dem immer wieder von Jauchzen und Beifall durchsetzten Premierenabend Feindbilder des deutschen Ostens und gegenwärtige Befindlichkeit annähern. Prachtvolle Figuren setzt das Ensemble mit der in knapper Probenzeit perfektionierten Choreographie von Martina Borroni und Marie-Christin Zeisset (Stepptanz). Tobias Joch ist als Matrose Kay ein bisschen smart, aber auch ein bisschen „Querelle“. Alma Sadé – was für eine Übereinstimmung von Plot und New Yorker Oberbürgermeisterwahl – gibt als Chica eine wunderbare Gewerkschaftsvertretung. Christoph Späth als korrupter Kapital-Exekutive Ben Benson und Hans Gröning als für den Altersruhesitz reife Arbeitsleiche Jonas agieren im Sinne des Stücks mit pikantem Aktualitätsbezug, der alte Operette jung macht. Genau wie Kai Tietjes intelligente musikalische Durchdringung: Das Orchester der Komischen Oper unterzieht die melodramatische Verdickung der DDR-Einspielung unter Robert Hanell einer superben Verschlankung - mit gepfefferten Bläsersätzen und prima Choreinwürfen (Leitung: Inge Diestel) nicht nur beim Kampfsaufen um den Oppositionshotspot Hotel Nevada.
Ohne Berührungsängste gewinnt die bisher ambivalent betrachtete Werknische des Heiteren DDR-Musiktheaters reelle Repertoire-Chancen. Wie bei jeder guten Operetten- und Musical-Produktion fällt neben der Musiklust die Intelligenz und Sensibilität von Szene und Ensemble ins Gewicht. Der Superhit „Seemann, hast du mich vergessen“ und Xonga Millers Klage über den Mangel an Kerlen mit dem Härtegrat ihres Vermögens passen voll gut in die explosive Vitalität einer gespaltenen Gegenwart.
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