Eine Uhr hängt im Torbogen, läuft nicht mehr und aus Kopfhörern ist ein tickender Sekundenzeiger zu hören. In dieser Situation in Robin Minards „The Phrix Soundwalk“ reagiert die Dramaturgie auf Zuhörer: GPS-Signale synchronisieren den eigenen Standort mit dem Verlauf der Komposition. Das Thema von Bewegung und Stillstand, industriellem Erbe, Verfall und Zukunftsinvestition rückt in den Vordergrund und ist Kennzeichen des Programms „Klangkunst trifft Industriekultur“.
Im Rahmen dessen wurden verschiedene Klangkunst-Präsentationen vom Kulturfonds Frankfurt RheinMain initiiert und schließen vorerst im Juli 2015 einen zweijährigen Zyklus ab (vgl. nmz 9/14). Kooperationspartner sind unter anderem der engagierte Künstlerverein Walkmühle e.V und die Phrix-Künstlergemeinschaft Okriftel in Hattersheim. Die Partner unterstreichen die politische Bedeutung des von Julia Cloot kuratierten Programms. Ziel der Initiative ist, die Geschichte besonderer Orte der Industriekultur in der Region hörbar und sichtbar zu machen.
Damit erhalten auch diejenigen Akteure Aufmerksamkeit, die die teils brachliegenden Denkmäler in Eigenarbeit beleben, erhalten und für Projekte diesen Rangs öffnen. Der Künstlerverein Walkmühle arbeitet beispielsweise an Transformationen des lokalen Erbes in ein Areal, zu dem Bewohner auch in Zukunft Zugang haben sollen. Verflechtungen zwischen Bürgerbeteiligung, Daseinsfürsorge und Privatwirtschaft sind dabei wesentlich, wie der Verein professionell dokumentiert (www.walkmuehle.net).
Die Klangkunst-Verortung des Festivals knüpft daran an: ortsspezifische Klangskulpturen, eine sogenannte „minimalinvasive Installation“ von Christina Kubisch im Peter-Behrens-Bau Höchst – einem Glanzstück der Architekturgeschichte – und Minards Soundwalk waren zu hören und zu sehen. Minard äußert die explizite Bitte, mitgebrachte Mobiltelefone einzuschalten. Kopfhörer werden verteilt, die Komposition wird mit dem geeigneten Telefon heruntergeladen und die Freude an flüchtigen Tönen kann losgehen. „The Phrix Soundwalk“ ist ein ortsspezifisches Klangkunstwerk für Smartphones. Diejenigen Besucher, deren Apparate technisch nicht mitspielen, klinken sich bei anderen Besuchern ein, und gehen zu zweit. Die naturgemäße vielschichtige Potenz der Klang-erfahrung ist gesteigert. Hören und Sehen sind am Ort des Geschehens verknüpft, die Verflechtung eröffnet Augenblicke in die Vergangenheit und verkabelt Besucher in der Gegenwart.
Jens Brand richtet in der Walkmühle – ein Ort mit der wechselhaften 270-jährigen Nutzungsgeschichte von Wassermühle über Waisenhaus bis zum heutigen Künstlerverein – eine leere Bühne unter dem Titel „Volumen/Plattform“ ein. Unter Podesten dreht sich Stahl auf Stahl und die Schallwellen des Zahnrads behaupten eine schrille Intervention.
Mit der Arbeit „Tower of Resonance“ von Helga Griffiths erstreckte sich das Programm in 43 Metern Höhe im Wasserturm Rodgau-Jügesheim. Oberhalb des ehemaligen Wasserspeichers sind fluoreszierende Saiten gespannt, die von Besuchern mit Fellkopfschlegeln und Geigenbogen bearbeitet werden. Elektroakustisch verstärkte Schwingungen überlagern sich mit einem aus dem unteren Bassin tönenden reproduzierten Wasserrauschen.