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Unverstellt neoromantisch

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Jürg Baurs „Konzertante Suite für Violoncello und Orchester“
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Zur Kieler Woche kam im Kieler Schloss in Anwesenheit des 83-jährigen Komponisten die „Konzertante Suite für Violoncello und Orchester“ zur Uraufführung – als Auftragskomposition des Philharmonischen Orchesters Kiel.

Zur Kieler Woche kam im Kieler Schloss in Anwesenheit des 83-jährigen Komponisten die „Konzertante Suite für Violoncello und Orchester“ zur Uraufführung – als Auftragskomposition des Philharmonischen Orchesters Kiel.In Frauke Rottler-Viam, seit 1996 stellvertretende Solocellistin der Philharmoniker, hatte Baur eine Idealinterpretin für seinen in großen Teilen melodisch geprägten, oft genug aber auch virtuos ausgreifenden Solopart. Gekonnt lud sie jede Phrase mit Spannung auf. Im besten Sinne „Tiefe“ und „Schönheit“ stellte sich im ersten und vierten Satz ein. Gleich die empfindsame „Improvisation“ des Beginns, deren Thema Baur auf die vor zwei Jahren in Kiel uraufgeführte „Sinfonia sine nomine“ zurückschauen lässt, zelebriert ein wundersames Auf- und Abtauchen des Soloparts in Einzeltönen oder Mischklängen anderer Instrumente.

Die Kieler Philharmoniker unter dem Dirigat ihres von ihnen ungeliebten Generalmusikdirektors Ulrich Windfuhr bewerkstelligten diese Nahtstellen mit adäquater Hellhörigkeit. Ähnlich bezaubernd und unverstellt neoromantisch fällt die „Hommage à Carl Philipp Emanuel Bach“ aus – das schwelgerische Herzstück des Werks. Die Wirkung beider langsamer Sätze lebt nicht zuletzt vom hektischen Kontrast, den die anderen drei bieten. Hier wäre sogar eine Steigerung des Effekts durch eine noch größere Präzision im Tutti denkbar gewesen. So rasant die Philharmoniker den zweiten Satz, das „Perpetuum mobile“, auch angingen, die vom Komponisten intendierte „Jagdszene“ litt unter Unschärfe. Vor allem aber fehlte dem „Scherzo“-Mittelsatz mit seinen koketten Dialogsplittern und seinem frech das freitonale Werk unterlaufenden Schmonzetten-Schlussakkord noch jene Prise von hintersinnig-grimmigem Humor, der den Komponisten und den Menschen Baur auszeichnet.

Seine Tücken birgt auch das Finale. Es ist gefährlich knapp, beinahe aphoristisch geraten, fordert absolute Perfektion, um die Spannung, die sich im vierten Satz und erst recht in der überleitenden, von Frauke Rottler-Viam wunderbar in ihrer Mehrstimmigkeit aufgefächerten „Cadenza“ auf-gestaut hat, wieder zu entladen.

Zu Beginn des Konzerts hatte Windfuhr ein saisonales Projekt zu Ende geführt, das im Publikum nicht wenig Widerspruch herausgefordert, aber doch auch zu einem Abbau von Schwellenängsten geführt hat: Igor Strawinsky wurde ein vorerst letztes Mal mit den „Dances concertantes“ gedacht bevor Beethovens „Fünfte Symphonie op. 67“ für viel Beifall sorgte.

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