Was haben der 5. Februar 1975, der 19. März 1987 und der 24. Februar 2002 gemeinsam? Diese drei Daten dokumentieren jeweils den Beginn eines neuen Rings in München und damit den Beginn einer der größten Herausforderungen, der sich ein Opernhaus stellen kann.
Was haben der 5. Februar 1975, der 19. März 1987 und der 24. Februar 2002 gemeinsam? Diese drei Daten dokumentieren jeweils den Beginn eines neuen Rings in München und damit den Beginn einer der größten Herausforderungen, der sich ein Opernhaus stellen kann.Die Namenspaare Rennert/Sawallisch, Lehnhoff/Sawallisch und Wernicke/Mehta dokumentieren, dass sich die musikalischen Chefs der Bayerischen Staatsoper in zehn- bis fünfzehnjährigen Perioden jeweils persönlich mit diesem großen Stück Musikgeschichte auseinandergesetzt haben. Es wird vielerorten diskutiert, ob die im Ring des Nibelungen, in seinem Vorabend und den drei folgenden Tagen zum Ausdruck kommende Gedankenwelt des 19. Jahrhunderts Relevanz für uns Heutige besitzt; ob Wagners Endzeitordnung mit Riesen und Göttern, Zwergen und Helden, mit unserem scheinbar entmythologisierten 21. Jahrhundert Beziehungen aufweisen kann. Unbestritten ist jedenfalls die musikalische Potenz und Zeitlosigkeit der Musikdramen, und diese rechtfertigen und verlangen eine aktuelle Auseinandersetzung.Wenn man die letzten zwei Inszenierungsreihen und die soeben neu begonnene miteinander vergleicht, die dahintersteckenden Regieansätze in Beziehung bringt, ist festzustellen, dass jeder Ring, der von 1975 genauso wie der 1987 gestaltete und auch der neueste, trotz der unterschiedlichen Persönlichkeiten ihrer Regisseure, eine Gemeinsamkeit mit dem anderen aufweist: Er ist ein Kind seiner Zeit. In den 70er-Jahren, der Nach-Wieland-Zeit, steht das Licht als gestalterisches Element der Bühnendramaturgie im Vordergrund. Kostüme und Requisiten befinden sich in einem Zwischenreich von Abstraktion und Verfremdung. Neu Bayreuth hat die Konkretheit des Bühnenbilds verbannt, und dies war Vorgabe auch für München.
Die 80er-Jahre mit ihrem Turbokapitalismus und protzigen Aufsteigertum brachten München die Opulenz der Bühnengestaltung wieder, freilich gleichzeitg verfremdet als Cyber-Space-Landschaft. Nach Chereau war der gesellschaftlich-sozialkritische Ansatz gefragt, und so spiegelte sich in Lehnhoffs Visionen das Ende der bürgerlichen und postbürgerlichen Gesellschaft wieder. Und heute, am Beginn des 21. Jahrhunderts, kehren wir scheinbar zurück zu den Wurzeln Bayreuths.
Herbert Wernicke, der für Inszenierung, Bühne und Kostüme verantwortlich zeichnet, will zusammen mit der als Produktionsdramaturgin verpflichteten Nike Wagner einen sozialkritischen und mythologischen, aber auch gesellschaftskritischen Ansatz verfolgen. Dazu hat er ein Einheitsbild entworfen, das den Zuschauerraum des Bayreuther Festspielhauses auf die Bühne bringt; diese Verdoppelung der Zuschauerräume erzeugt ein starkes kammerspielartiges Ambiente. Wenn vor und auf (hinter) der Bühne der Zuschauer erscheint, bleibt den Akteuren lediglich ein kleiner Streifen Rampe.
Dass Wernicke vom Schauspiel kommt, ist diesem Münchner Rheingold sehr gut bekommen. Glänzend in der Personenführung, wird vor allem Wert gelegt auf Deutlichkeit der Artikulation und klare Darstellung der psychologischen Hintergründe. Ein Beispiel für viele mag genügen: wenn Freia – zart gesungen von Anja Harteros – von den Riesen wieder nach Wallhall gebracht wird, um gegen die Goldbeute eingelöst zu werden, zeigt Wernicke, was sich in der Zwischenzeit ereignet haben muss. Fasolt ist in Liebe zur schönen Göttin entbrannt, aber auch diese will sich nicht sofort von tollpatschigen, aber doch menschlich anrührenden Riesen verabschieden.
Die musikalische Seite des Abends brachte klare und perfekte Präzision aus dem Orchestergraben. Zubin Mehta, der mit dem Bayerischen Staatsorchester bereits mehrmals den gesamten Ring realisiert hatte, war auch für die Sängerinnen und Sänger ein kongenialer Begleiter: Da gab es keine Wackler oder verpatzten Stellen. Besonders hervorzuheben sind die drei Rheintöchter Woglinde/Margarita De Arellano, Wellgunde/Ann-Katrin Naidu und Floßhilde/Hana Minutillo, die persönliche Eleganz mit musikalischem Können ideal verbanden. Neben den sehr präzise agierenden Jan-Hendrik Rootering (Fasolt) und Kurt Rydl (Fafner) wirkte die derzeit erste Wagnergarde auf Münchens Bühne.
Im Sommer geht es weiter mit der Walküre und in einem Jahr dann wollen uns die Nornen verkünden, wie dies alles wird.