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19.09.2025 | Meili Li, Lubov Karetnikova. Foto: © Christina Iberl
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Zwischen Liebe und Mission – Meiningen macht seinem Ruf (und dem Theaterherzog) mit einer Opernausgrabung alle Ehre

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Beim Schauspiel hatte es der Meininger Intendant Jens Neundorff von Enzberg einfacher, einen Bezug zur laufenden Jubiläumsspielzeit herzustellen. Die ist ja dem Theaterherzog Georg II. gewidmet, dessen Geburtstag sich im April nächsten Jahres zum zweihundertsten Male jährt. Der kunstliebende Fürst hatte zwar „sein“ Schauspiel an die Spitze Europas gespielt, aber dafür das Musiktheater abgeschafft. Selbst für einen regierenden theaterliebenden Fürsten waren die Mittel beschränkt. Die Hofkapelle wurde aber gepflegt und ist auch heute ein Orchester, das diesem südthüringer Ausnahmetheater einen Gutteil seines Renommees sichert. Kirill Petrenko ist von hier aus zu seiner Karriere durchgestartet und sein aktueller Nachfolger Kilian Farrell hat schon seine Anschlussberufung nach Nürnberg in der Tasche. Also begann die Meininger Spielzeit angemessen mit Schillers „Jungfrau von Orleans“, also einem Schauspiel-Klassiker

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Für die Oper musste da schon etwas Besonderes her. Und dazu fand sich im Meininger Schloss Elisabethenburg die Abschrift der Oper eines Händelzeitgenossen, die der Urgroßvater Georgs II., Anton Ulrich, von seinen Wienreisen (größtenteils 1720 bis 1730) mit nach Meiningen gebracht hatte. Dabei handelt es sich um den Dreiakter „Didone abbandonata“ - (Die verlassene Dido) von Domenico Natale Sarro (1697–1744). Dieser Vertreter des neapolitanischen Barocks ist heute so gut wie unbekannt. Anders sein Librettist Pietro Metastasio (1698–1782). Mit seiner Variante der Geschichte von Dido und Aeneas nach Vergil begann eine Karriere, die ihn zum der Star unter den Textlieferanten für die Opern des 18. Jahrhunderts aufsteigen ließ.

In Meiningen nahmen sich der auch komponierende Schweizer Dirigent Samuel Bächli und Regie-Altmeister Dietrich Hilsdorf dieser Ausgrabung an. Bächli lichtete die Partitur hie und da etwas auf, verschaffte so der Abfolge der Arien zusätzliche Prägnanz, kürzte vor allem die Rezitative der Vorlage und strich eine Schlachtenszene. Abgesehen davon, dass das natürlich Aufwand spart, kam so ein Kammerspiel dabei heraus, das in den verbleibenden zwei Stunden vierzig Minuten (inklusive Pause) genügend Einblick in die Gefühlslagen, Motive und Abgründe der handelnden Personen erlaubte.

Um das in der Arien-Abfolge zu verdeutlichen, bewies die Hofkapelle unter Bächlis Leitung, dass sie auch über barocke Kompetenz verfügt. Dass man dabei gelegentlich eine Dosis Furor mehr vertragen hätte, merkte man vor allem dann, wenn sich doch mal die Bläser bemerkbar machten, oder einem der Protagonisten der Kragen platzte. Sarros Musik hat ihren Reiz, gerade bei der differenzierten Zeichnung der Figuren. Ein Händel ist er trotzdem nicht. Muss er ja auch nicht. Gerade die Barockmusik hat viele Facetten, wie ja u. a. Cecilia Bartoli mit den Schwerpunkten ihrer Salzburger Festspielaktivitäten immer wieder bewiesen hat.

Dietrich Hilsdorf hat für die Opera seria von Sarro einen offenen Bühnenraum mit Säulen und Meerblick auf der einen Seite geschaffen. Auf der linken Seite steht für jeden der sechs Protagonisten ein Schminktisch. Christian Rinke hat allen Protagonisten und vier Darstellern der Palastwache den opulenten Kostümschick der Entstehungszeit der Oper verpasst. Der optische Hochgenuss war damit in Zeiten grassierender Secondhand-Ästhetik gesichert. Darüber hinaus deuteten die Kostüme auch auf die Charaktere hin, die hier aufeinandertreffen.

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19.09.2025 | Monika Reinhard. Foto: © Christina Iberl
19.09.2025 | Monika Reinhard. Foto: © Christina Iberl
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Die Geschichte ist im Grunde klar: Die in Karthago allein herrschende Königin Dido verliebt sich in den Trojaner Aeneas, dem sie nach der Niederlage im Trojanischen Krieg Asyl gewährt hat. Es war ein Asyl plus, wie man heute sagen würde. Auch er liebt die Königin. Aber der zögerliche Hamletcharakter, den der Countergast Melli Li mit klangvoller Stimme und passendem Spiel verkörpert, ist eigentlich auf der historischen Mission, um in Italien ein neues Troja zu gründen. Li lässt einmal mit tiefer Stimmlage das Gebot seines Vaters ertönen. Geliebt wird er nicht nur von der Königin, sondern auch von deren Schwester Selene, die Aeneas obendrein beauftragt, Dido seine Abreisepläne beizubringen. Monika Reinhard gibt sich als dieses Selene alle Mühe, Aeneas auch ihre Gefühle anzudeuten, aber in dessen Brust wohnen ja eh schon zwei Seelen. Den großen Rivalen von Aeneas (als Mann) und politischen Gegenspieler von Dido, dessen Reich er sich einverleiben will, gibt Marianne Schechtel als Iarba mit überzeugendem Machohabitus in der Hosenrolle als Maurenkönig. Dieser Iarba versucht mit allen Mitteln, Dido rumzukriegen. Mit Verstellung, mit Schmeicheln, mit Druck, indem er seinen Rivalen töten will, und am Ende indem er Karthago in Schutt und Asche legt.

In der zweiten Reihe des Personaltableaus verfolgt Garrett Evers als Araspe mit markanter Vehemenz ebenso seine eigene Agenda wie Hannah Gries in der auch famos gespielten Rolle der Oberintrigantin Osminda die ihre. Während der Ouvertüre stellen sich alle Beteiligten mit einem Gang vom Schminktisch zur Rampe mit einer vielsagenden Geste und dem eingeblendeten Namen vor. Am Ende wissen wir was dahintersteckte. Aeneas ist weg, Dido am Ende und Karthago zerstört. Das Publikum honorierte diese alte Novität (und auch das eigene Durchhaltevermögen) mit gehörigem Beifall für alle Beteiligten.

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