Abstand der Generationen kann durchaus zu mentaler Nähe der Musikpraxis führen. Wie bei Billy Hart (*1940), nachdem er die erheblich jüngeren Kollegen Ethan Iverson (p), Ben Street (b) und Mark Turner (ts) aus der Jazzszene New York im Jahr 2003 für einen besonderen Gig auswählte. Seitdem firmiert das Quartett unter seinem Namen und stellt mit „All Our Reasons“ die gemeinsame Quintessenz einer Evolution zu moderater Avantgarde vor.
Ein deutlicher Hinweis darauf ist „Ohnedaruth“, eine Paraphrase auf John Coltranes „Giant Steps, deren Kernelemente Ethan Iverson zunächst in einem mäandernden Intro präsentiert, wobei er maximale Spannung durch asynchrone Kontrapunktik von rechter und linker Hand erreicht. Das Original ist zwar nur schwach hörbar, wenn die Band einsteigt, insbesondere Mark Turner verzichtet auf Trane-typisches Vibrato, aber die Hommage ist gelungen.
Ebenso, nur diskreter, ist die mit dem Tenor schürfende Elegie „Nostalgia For The Impossible“ eine Referenz, nämlich an Paul Bley, und an Thelonious Monk erinnert „Duchess“ mit rhythmisch punktgenauem Interplay von Mark Turner und Billy Hart. Ränder des Free Jazz berührt das Quartett bei „Nigeria“ in rasender Tenor-Skalenaristik, doch Ethan Iverson relativiert diesen Energiestrom in kantigen Phrasen und klassischen Reminiszenzen, und Billy Hart ergänzt komplexe, allerdings sublim getrommelte Muster.
Solch freien Stil kontrastiert die fast komplett notierte Ballade „Wasteland“ in karger Klangästhetik, sodass diese Begegnung der Jazzgenerationen ihre Widersprüche optimal versöhnt.