Dramaturgen und ihre Arbeit – beide sind oft nicht direkt sichtbar. Es sind eher die Theaterfreunde, die dann wissen, welche Köpfe beispielsweise hinter den Regie-Größen namens Peymann, Kupfer, Dorn, Konwitschny, Herheim oder Katharina Wagner einflussnehmend „zugearbeitet“ haben. Dieses Schattendasein hat einen der „Überväter“, den an der Theaterakademie August Everding sowohl präsidierenden als auch Dramaturgie lehrenden Klaus Zehelein nicht ruhen lassen.
Zusammen mit einer Corona von 25 weiteren Vertretern der Zunft hat er einen Sammelband herausgegeben, in dem über Theorie, Praxis und Ausbildung des Berufsfeldes berichtet und reflektiert wird. Offensichtlichster Nutzen des Bandes ist der über 65 Seiten umfassende Schlussteil. In ihm werden sieben Dramaturgiestudiengänge zwischen Hamburg und London vorgestellt. Da ist Vororientierung möglich, bevor ein künftiger Student eine „Schnupper-Reise“ nach Zürich oder Leipzig antritt.
Auf 200 Seiten wird zuvor der Versuch unternommen, Umrisse und Anforderungen an einen „unmöglichen Beruf“ darzustellen. Das gelingt mit unterschiedlichem Gewinn. Wohl um den Titel von der „Kunst“ der Dramaturgie zu rechtfertigen, gibt es auch einiges intellektuelles „Geschwurbel“, vom „Lesen des Körpers“ in zeitgenössischer Tanz-Dramaturgie bis hin zur Selbstdramaturgie um einen Solitär wie Jan Fabre oder die Schwierigkeit, eine Performance von Marina Abramoviććdramaturgisch zu begleiten oder zu erfassen.
Die weitaus „bodenständigere“ Arbeit des Dramaturgen wird dann aber in seiner heute enormen Spannweite deutlich: vom Stadttheater (Björn Bicker) zum Staatstheater (Sergio Morabito), der sich enorm erweiternde Bereich der Dramaturgie im Medientheater, also von Medienkunst im Hörspiel über den verkabelten Theaterraum bis zur Hereinnahme von Video und Film ins Theater. Dem neuen, letztlich „sozialpolitisch“ fundierten Aspekt einer Dramaturgie zum „Rimini Protokoll“ ist ein Beitrag gewidmet, auch wird der dramaturgische Aspekt von Bühnenbild und Ausstattung beleuchtet.
Die Entwicklung, Autoren ins Theater hereinzunehmen und in die Produktion einzubinden (Andreas Beck), liest sich spannend und offen für viel „Zukunft“ – wobei der Theaterfreund sich diesen Usus im Schauspiel unbedingt auch für den Bereich des Musiktheaters und die oft theaterfern wirkenden Komponisten wünschen würde. Schon dieser „Überflug“ über die 18 unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche eines Dramaturgen belegt: Der Band ist die neue Grundlage für alles Nachdenken und die künftige Tätigkeit als Dramaturg.
Anke Roeder/Klaus Zehelein (Hrsg.): Die Kunst der Dramaturgie. Theorie – Praxis – Ausbildung, Henschel Verlag, Leipzig 2011, 288 S., € 24,80, ISBN 978-3-89487-655-5