Franz Sauter: Die tonale Musik. Anatomie der musikalischen Ästhetik, Verlag Franz Sauter, Hamburg 2000. 144 Seiten, 17,60 Mark.
Franz Sauter: Die tonale Musik. Anatomie der musikalischen Ästhetik, Verlag Franz Sauter, Hamburg 2000. 144 Seiten, 17,60 Mark.Die tonale Musik und die Gesetze ihrer Schönheit stehen im Mittelpunkt dieser rationellen Musiktheorie, die den Nachweis für die notwendige Zusammengehörigkeit der drei Bereiche Harmonie, Rhythmus und Melodie in der Musik erbringen und gleichzeitig erklären möchte. Ausgehend von seiner Kritik, dass sich Musiktheoretiker bislang nur mit der Interpretation dieser Bereiche befassten, analysiert Sauter die in Europa entstandene Musik der letzten Jahrhunderte mit Hilfe acht ästhetischer Prinzipien des Zusammenpassens von Klangfiguren.Das Wesen der Konsonanz sieht der Autor etwa in der klanglichen Übereinstimmung der Töne. Dabei treten die auffälligen Frequenzverhältnisse nur als notwendige Erscheinungsform der Konsonanz auf. Bisherige Theorien seien spekulativ und irritierten durch Fehlinterpretationen akustischer Experimente und ihrer Beziehungen zu Zahlen- und Naturmystik.
Die Modulation sieht Sauter in seiner Untersuchung ebenfalls in differenzierter Form: So verweist er auf die Absurdität der in der Musiktheorie verbreiteten „Umdeutung“ eines Klanges, „dass der Übergang in eine andere Tonart ausgerechnet durch solche Töne bewirkt werden soll, in denen die respektiven Tonarten übereinstimmen. Die neue Tonart soll sich angeblich schon ankündigen, bevor der Übergang in die neue Tonart vollzogen ist.“ (S. 61) Dann weist er den Begriff der „Umdeutung“ als „zirkulär“ zurück und entwickelt ein „neues“ Erklärungsmodell der Modulation (Konstitution der Ausgangstonart – Übergang in eine andere Tonart – Herausbildung der Identität einer neuen Tonart), welches sich in dieser flexiblen Beschreibungsform, die primär an der Musik und weniger an der tradierten Theorie orientiert ist, auch schon bei anderen Musiktheoretikern findet, so etwa in Diether de la Mottes bereits vor 25 Jahren erschienenen Harmonielehre.
Auch in seiner abschließenden Zusammenfassung wettert Sauter gegen die spekulative Musikwissenschaft, die mit Hilfe von eigens entwickelten Theorien zum sinnvollen und tieferen Verständnis von Musik führen möchte. Seiner Auffassung nach jedoch besitzt tonale Musik als zum Objekt des Klanggenusses ausgestaltete Kunst eine „ästhetische Charakteristik und Eigengesetzlichkeit, die sie gegenüber jeglicher Unterordnung unter außermusikalische Zwecke entwickelt hat und wahrt“ und sie als „Musik sans phrase“ (S. 137) erscheinen lässt. Damit entbehrt tonale Musik eigentlich jeder Analyse. Und Sauter verkennt auch hier, dass es durchaus einige musiktheoretische Ansätze der letzten Jahre gibt, die den Blick für die Eigengesetzlichkeiten und Individualgestalten der Musik schärfen wollen. Trotz mancher Unschärfen handelt es sich aber um eine interessante Untersuchung.
http://www.tonalemusik.de/ (Hörbeispiele als MIDI-Sequenzen)