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Tradition und theatralische Vielfalt

Untertitel
Andreas Homoki und gelungene zehn Jahre Musiktheater an der Komischen Oper Berlin
Publikationsdatum
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Kein Buch um irgendein Theater: Es geht um das neben „Bayreuth“ wohl zweite „Sanktuarium“ der deutschen, ja sogar gesamten Opernwelt – um das einstige „Felsenstein-Mekka“, Berlins­ „KO“. Für Nichtberliner ist allein schon theatergeschichtlich in­formativ zu lesen, wie sehr die Institution trotz sorgsamer Arbeits- und Stilpflege durch Harry Kupfer nach 1989 mit der Überwältigung durch „westliche“ und auch im künstlerischen Bereich „kapitalis­tische“ Strukturen und Verfahrensweisen zu kämpfen hatte.

Der Regisseur Andreas Homoki lernte Haus, Ensemble und Publikum bereits 1996, 1998 und 2000 durch drei Inszenierungen kennen, ehe er zum Intendanten berufen wurde – und sich traute, als „Wessi“ diese Ost-Institution zu übernehmen. Im Buch unausgesprochen – bis auf einige Sätze von Hans Neuenfels – kam Homoki zugute, dass die beiden gro­ßen Berliner Häuser mit ganz anderen Problemen zu kämpfen hatten und haben. So ist es ein Buch über zehn musiktheatralisch gelungene, teils glänzende Jahre.

Homoki hat die Grundlinien der Musiktheaterarbeit Felsensteins beibehalten und im Dramaturgenteam um Werner Hintze beste Mitarbeiter ge­habt. Seine traditionsbewusste Fortentwicklung musste das zu Recht selbstbewusste Kollektiv der „Chor-Solisten“ überzeugen und gewinnen – und etliche Fotos belegen deren herausragende Bühnenqualitäten. Mit Kirill Petrenko kam ein Dirigent „mit viel Zukunft“, der die Fortführung des Ensemblegedankens und die völlige Durchdringung von szenischer und musikalischer Arbeit mittrug: nichts von „am ersten Probetag hereinschauen, dann gastieren, ab den Bühnenendproben vom Assis­tenten übernehmen, Premiere und etliche Vorstellungen dirigieren, dann wieder dem Assistenten übergeben“.

Mit Carl St. Clair und dem aus dem Haus herauswachsenden Ex-Domspatzen Patrick Lange hatte Homoki weiterhin musikalisches Glück. Mit 13 Inszenierungen am eigenen Haus zeigte Homoki einerseits Handschrift – etwa zwischen „Verkaufter Braut“, „Mahagonny“, „Meis­tersingern“ und „Schlauem Füchslein“. Doch er vermied den zentralen Fehler eines „inszenierenden Intendanten“: Peter Konwitschny, Katja Czellnik, Willy Decker, David Alden, neben Neuenfels etwa Calixto Bieito (ab 2004) und Sebas­tian Baumgarten (ab 2006) sorgten für stilistische und szenische Vielfalt. Von 2003 an kam mit dem jungen Australier Barrie Kosky regelmäßig der Regisseur zu Gast, dessen Sinn für das „schwere Leichte“ so gut zum Haus passte, dass er als künftiger Intendant nahtlos den zwei Jahre früheren Abschied Homokis ermöglichte.

Besonderes Interesse verdient Homokis Text zur Neupositionierung der „Oper für Kinder“ ab 2004: Dieses Engagement sollten vergleichbare Häuser ebenfalls entwickeln. Beiträge der genannten „Hauptregisseure“ und die Darstellung ihrer Arbeiten machen Repertoirebreite und Positionierung der „Komischen Oper“ als künstlerisch spannendstes Berliner Haus nachvollziehbar. Deutlich wird, dass – wie an Londons ENO oder Münchens Gärtnerplatztheater – künstlerische Spitzenleis­tung nicht vom Geplustere um Star-Solisten abhängt. Insofern wirft der durch gute Bilder „visuell sprechende“ Band am Ende eine Frage auf: Wie wird Andreas Homoki eigentlich künftig in die Opulenz-orientierte, von Peireras Starpolitik geprägte Züricher Oper passen.

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