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Formale Reform

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Unsere Topp-Meldung Brand aktuell: Nach fünfzigjähriger Diskussion beschloss die Konferenz der Musikhochschul-Rektoren eine Notenschreibreform. Erstens werden alle Doppel-Kreuze und Doppel-Bs abgeschafft, da sie enharmonisch gesehen einen schieren poetischen Anachronismus darstellen. Zweitens ergeht die Anordnung, Kompositionen künftig nur noch in C-Dur oder a-Moll zu verfassen. Existierende Tonschöpfungen kann man nach Möglichkeit computertechnisch transskribieren. Das vereinfacht die Analyse und kommt einer Ökonomisierung des Musikunterrichtes entgegen. Der Stoff von bislang zwei Jahren lässt sich nun in einem halben vermitteln. Ein dritter Schritt verfügt, dass die zwölf Töne der chromatischen Tonleiter einfach von „a“ bis „l“ durchbuchstabiert werden. a-Moll bliebe a-Moll, aber aus C-Dur wird so konsequenterweise D-Dur. Beispiel: Tscheikofski, Sinfonie Nr.4 in i-Moll. Modisch-gra- fische Partiturgestaltung geht direkt in den Zuständigkeitsbereich der Bildenden Kunst über. Für Ton- oder Klangbeschreibung, die sich nicht an diese Regeln hält, entfällt generell die GEMA-Berechtigung. Bei all diesen Maßnahmen handelt es sich freilich nur um eine vorbereitende Zwischenlösung: Um eine Vorstufe zur rein binären Ton- und Klang-Definition, die ab dem Jahr 2005 als einzig abrechnungsfähige DIN-Norm zur Geltung kommt. Die durch klare Reglementierung des klangdefinitorischen Wildwuchses und seiner pä-dagogischen Verbreitung eingesparten Milliarden kommen zur einen Hälfte der Aktion „Copy kills music“ zu Gute. Der Rest wird zur Überwachung dieses Regelwerkes verwandt. Bei Warner, Viva und Bertelsmann geschulte Ton-Inspektoren sorgen künftig unnachsichtig für ordnungsgemäß programmierte Midifiles... ...also gut: Der Berufs-Glosseur ist knurrig, weil nun auch die nmz von der sogenannten Rechtschreibreform eingeholt wurde. Er unterlag in redaktionsdemokratischer Abstimmung. Das Hauptargument seiner Gegner gerade zu Schuljahresbeginn: „Geh nicht bei Rot über die Straße, auch wenn weit und breit kein Auto zu sehen ist – sei Kindern ein Vorbild“. Wie halten es damit die Teilnehmer jener Kultusministerkonferenz, die für diese sprachfunktionale Reform verantwortlich zeichnen? Dass der aktive Wortschatz von Hauptschülern (einschließlich der Hilfsverben) mittlerweile die Zahl Fünfhundert unterschreitet, kann nur noch erschüttern. Immerhin hat dieses Reformwerk unsere Kultusminister offensichtlich so belastet, dass keine Zeit mehr für Augenmerk auf aktuelle Lehrer-Bedarfszahlen blieb: So fehlen jetzt auch im Kultur-Musterland Bayern jede Menge Musiklehrer. Bloß gut, dass man aus Altersgründen persönlich von solchen Fehlleistungen nicht mehr beschädigt wird, seufzt erleichtert Ihr

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