Bis heute hat Mike Cornick (re. Foto: UE) über 50 Klavierschulen und -sammlungen veröffentlicht. Die neue musikzeitung nahm die Veröffentlichung seiner neuesten Schule für Anfänger und Wiedereinsteiger (UE 34991) als Anlass zu einem Gespräch auf der Musikmesse 2011.
neue musikzeitung: Worin unterscheidet sich diese aktuelle Publikation von Ihren früheren?
Mike Cornick: Die Grundidee dieses Buches war, dass viele Erwachsene als Kinder angefangen haben, Klavier zu lernen, dann aber aufgehört haben. Vielen war es auch nicht möglich, mit dem Klavierspiel zu beginnen, so dass sie das jetzt nachholen möchten. Diese Menschen sind hochmotiviert, haben aber wenig Zeit für Unterrichtsstunden. Ein weiterer Grund sind die Instrumentalprüfungen in Großbritannien. Dort werden im Alter von 16 Jahren in jedem Schulfach die GCSE-Prüfungen abgelegt, unter anderem in Musik. Es gibt Erwachsene, die dieses Examen ablegen wollen, weil es zu ihrer Schulzeit noch nicht Bestandteil der Prüfungen war. Ich habe also einen Kurs gegeben, durch den sogar betagte Menschen dieses Examen bestanden haben. Auf Anregung der Universal Edition habe ich begonnen, ein Lehrbuch zu entwickeln. Ich dachte, es muss technische Anleitungen enthalten, aber auch Gehörbildung vermitteln. Ich habe außerdem festgestellt, dass Pianisten oftmals schlecht in Gehörbildung sind, weil sie den Ton nicht anstimmen müssen. Deshalb muss das Gehör mit Rhythmus- und Intervalldiktaten trainiert werden.
nmz: Eine Besonderheit ist, dass Sie auch eigene Stücke für die Klavierschule entwickelt haben.
Cornick: Ich kam oft in die Situation, dass ich kein Stück finden konnte, das etwas Bestimmtes aufweist. Ich musste also eines komponieren.
nmz: Wenn man die Klavierschule im Internet sucht, stößt man auf viele Videos, in denen Schüler Ihre Stücke spielen. Es handelt sich also um sehr bekannte Stücke.
Cornick: Das liegt an meiner Auswahl der Stücke, in Zusammenarbeit mit der Prüfungskommission. Die Kinder mussten viele der Stücke lernen, um die Prüfungen zu bestehen.
nmz: Prüfungen, die wir in Deutschland so nicht haben. Glauben Sie, dass die Stücke bei den Spielern hier trotzdem ankommen?
Cornick: Ich hoffe, dass sie sie interessant finden. Eine andere Schwierigkeit besteht darin, bei einfachen Stücken für Abwechslung zu sorgen. Es ist äußerst schwierig, sie unterschiedlich zu gestalten. Außerdem versuchte ich, Elemente des Swing im Anfangsstadium einzuarbeiten. Ich weiß, dass die Menschen das können, solange sie es hören. Das ist der Grund für die beiliegende CD. Der Spieler möchte sagen können: „Okay, so geht das.“
nmz: Sie verbleiben sehr lange im Fünf-Finger-Raum.
Cornick: Richtig. Genau das erlaubt uns, sehr früh das Transponieren einzuführen. Danach kann man den Fünf-Finger-Raum verlassen sowie zum Übersetzen und zur weiten Lage übergehen.
nmz: Das Einzige, was mir fragwürdig erscheint, ist, dass Sie den Schülern zwar den Jazz näherbringen, nicht aber das Improvisieren. Könnten sie dabei nicht auch versuchen, eigene kleine Stücke zu erfinden? Ist das Spielen von Klassik und Jazz wirklich vergleichbar?
Cornick: Eine wirklich gute Frage! Ich glaube, man braucht ein gewisses Maß an Technik, um zu improvisieren und Spaß daran zu haben. Deshalb greife ich erst am Ende von Band 2 die Improvisation auf, wenn der Technikunterricht beendet ist. In den meisten Klavierschulen geht es ja immer nur darum, die Noten vom Papier zu übernehmen; ich aber will Musik, die aus dem Inneren der Menschen kommt. Ich benutze zwei Herangehensweisen, um das Improvisieren einzuführen: zum einen das Arbeiten mit sehr kleinen Fragmenten, zum anderen das Schaffen von Variationen, zum Beispiel in Bezug auf Rhythmus und Stil.
nmz: Sie beschränken auch den Klavierlehrer nicht. Wenn er mit seinem Schüler diesen Band durchgearbeitet hat, muss er nicht zwangsläufig Ihre Schule weiterbenutzen.
Cornick: Teilweise gebe ich Hinweise auf andere Schulen, damit die Leute nicht glauben, dass sie nur durch dieses Buch das Klavierspiel beherrschen. Ich versuche deshalb, die Stücke mit anderen Publikationen zu verbinden. Im Theorieteil verweise ich beispielsweise auf ein Buch, das ich mit James Rae geschrieben habe und das sich stärker dem Komponieren widmet.
nmz: Können Sie etwas zum Einsatz von CD und Internet im Buch sagen?
Cornick: Für die CD gibt es einen einfachen Grund. Natürlich will man wissen, wie das Stück klingt, und möchte, dass der Lehrer es vorspielt. Aber die CD hilft uns ebenfalls bei der Gehörbildung. Außerdem befinden sich darauf Begleitungen. Viele spielen nie mit einem anderen Spieler zusammen, und manchmal werden die Stücke auch erst mit einer Begleitung lebendig.
nmz: Welche Downloads gibt es?
Cornick: Für jeden Schritt im Buch gibt es spezielle Stücke zum Download, die frei verfügbar sind. Dadurch können wir das Buch leichter zugänglich und günstiger gestalten.
nmz: Kann die Klavierschule für einen Wiedereinsteiger und sein Kind eine Chance sein, gemeinsam Klavier zu lernen?
Cornick: Natürlich! Ich wurde einmal gebeten, samstagvormittags einen Kurs zum elektronischen Keyboard für Kinder und ihre Eltern zu geben. Raten Sie, wer zuerst aufgegeben hat: Kinder oder Eltern? Am Ende bestand die Klasse fast ausschließlich aus Erwachsenen!
nmz: Im Juli folgt der nächste Band: Was ist da neu?
Cornick: Der Band 2 hat das gleiche Konzept. Ich habe versucht, in jedem Kapitel ein zentrales Stück einzubauen, etwa das „Lacrimosa“ aus dem Mozart-Requiem in verschiedenen Bearbeitungen. Jedes Kapitel beinhaltet also ein großes Stück, das es zu erarbeiten gilt. Der Schüler bestimmt das Tempo. Ich spiele die Stücke gern. Ich hoffe, die Schüler auch.
Das Gespräch führte Andreas Kolb