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Ulrich Dannemann: Kritik der Geigenpädagogik. Aufsätze und Vorträge aus vier Jahrzehnten. Claus Wefers, Druck und Verlags GmbH & Co. KG, Kempen 1999, 63 Seiten, 36 Mark.
Ulrich Dannemann: Kritik der Geigenpädagogik. Aufsätze und Vorträge aus vier Jahrzehnten. Claus Wefers, Druck und Verlags GmbH & Co. KG, Kempen 1999, 63 Seiten, 36 Mark.Eine solide und verlässlich abrufbare Technik, das wissen wir alle, ist das unverzichtbare Fundament jeglicher künstlerisch-musikalischer Ausdrucksfähigkeit. Doch wie man sie erwirbt und den theoretischen Anspruch in die Praxis umsetzt, gibt auch heute noch immer wieder Anlass zu kontrovers geführten Diskussionen. Geigenpädagoge Ulrich Dannemann zählt zu denen, die sich für eine wissenschaftlich begründete Lehre stark machen. In seiner „Kritik“ gibt er im Lauf von vier Jahrzehnten selbst verfasste Aufsätze und Vorträge heraus. Sie sind ein Plädoyer gegen „vorwissenschaftliche“ Unterrichtsmethoden, die zu sehr auf der empirischen Erfahrung des Lernenden aufbauen. Der Schüler bleibt in diesem Fall auf sein „Talent“ und seine Nachahmungsgabe zurückgeworfen. Eine theoretische Unterstützung, die ihm die Bewegungsabläufe erklärt und dadurch nachvollziehbar macht, wird ihm vorenthalten. Dannemann illustriert die Gefahr einer solchen Anschauung am Beispiel eines der namhaftesten Geiger und Geigenlehrer des 19. Jahrhunderts, Joseph Hellmesberger sen. Der empfahl einem neunjährigen Schüler, das Geigenspiel aufgrund seiner allzu steifen Bogenführung aufzugeben, etwas Rechtes könne er als Geiger wohl nie werden. Der Schüler damals war kein anderer als Joseph Joachim. Auf dem Gebiet der Begabungsforschung ist man heute glücklicherweise einige bedeutende Schritte weiter gekommen. Einen besonders wichtigen Aspekt – gerade für Anfänger und Berufsmusiker – berührt Dannemann mit seinen Beobachtungen zu „muskulären Verspannungserscheinungen beim Geigen“. Um denen entgegenzuwirken benötigt der Spieler nämlich ein optimales Zusammenspiel von Technik und Kondition. Nicht zuletzt spielt auch der psychophysische Faktor, also die Persönlichkeitsdisposition des Musizierenden, eine entscheidende Rolle. Ulrich Dannemanns Publikation ist mehr Bestandsaufnahme denn Methode. Sie dokumentiert, welche vorwissenschaftlichen Anschauungen glücklicherweise schon aus der Instrumentalpädagogik verbannt werden konnten und verdeutlicht, welche Gebiete noch heute Defizite aufweisen.