„Die Technik des Geigenspiels ist ja nicht schwierig, ich beherrschte sie nach sehr kurzer Zeit. Es ist die Musik, für die man Jahre, ja ein Menschenleben braucht, wenn man sie meistern will“, sagte einst Nathan Milstein, einer der größten Violinisten des 20. Jahrhunderts. Wie kann man aber diese Meisterschaft als Geiger erlangen? Wie soll der Geigenunterricht aussehen? Soll den Kindern zunächst nur die reine Technik beigebracht werden? Kann man von den jüngsten Adepten der Violinkunst eine ausdrucksreiche Interpretation eines Musikstücks erwarten? Kann man ihnen als Pädagoge zu einer bewussten Auseinandersetzung mit dem Werk verhelfen?
Die Antwort darauf liefert eine neue Serie des AMA-Verlags, „Zakhar Bron unterrichtet“. Der namhafte Violinist und Professor für Geigenspiel an der Kölner Musikhochschule ist für seine pädagogischen Erfolge weltweit berühmt: Seine ehemaligen Schüler, unter anderem Vadim Repin, Maxim Vengerov und Natalia Prischepenko, zählen inzwischen zur internationalen Solistenelite. Bron unterrichtet auch in Zürich und Madrid sowie auf Meisterkursen überall in der Welt. Um seine Ansichten über Musik unter jungen Geiger/-innen zu verbreiten, nutzt er auch neue Medien. Die fünf DVDs umfassen Schülerkonzerte, durch die jeder Anfänger mal „durch muss“: Bachs Violinkonzert BVW 1041 a-Moll, Vivaldis Violinkonzert a-Moll op. 3 Nr. 6, Riedings Violinkonzert h-Moll op. 35 sowie Violinkonzerte von Accolaÿ (a-Moll Nr. 1) und De Bériot (a-Moll op. 104 Nr. 9).
Gut eine Stunde lang arbeiten sich der Meister und seine Schülerin oder Schüler durch jedes Stück, das zuerst ganz vorgespielt wird. Dann fängt die harte Arbeit an. Jeder Satz wird Phrase für Phrase, Note für Note zergliedert und analysiert, mit Berücksichtigung des historischen Hintergrunds des Werkes, den Bron kurz schildert. Er hält aber keine langen Vorträge, vielmehr geht es darum, den Schülern die Ziele des Unterrichts vorzustellen. Zu denen gehören natürlich unter anderem eine geeignete Bogenführung und bequemerer Fingersatz. Das sind aber lediglich Mittel zum Zweck. Das wichtigste Ziel ist bewusstes Musizieren und die Vermittlung der Intentionen des Komponisten. Das geschieht durch Entdecken von Emotionszuständen, die in der jeweiligen Phrase oder dem Satz versteckt sind. Zakhar Bron zeigt seinen Schülerinnen und Schülern unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten auf und demonstriert ihnen praktische Lösungen.
Die richtige Technik, Dynamik oder Akzentsetzung dient zum Beispiel der Hervorhebung einer inneren melodischen Struktur oder der Erzeugung von Spannung. So erfahren die jungen Geigerinnen und Geiger, dass jede Note ihre Bedeutung hat und jede Phrase ein wichtiger Bestandteil einer größeren musikalischen Konstruktion ist. An den anscheinend leichten oder gar banalen Stücken lernen sie bewusstes Sich-Selbst-Zuhören und Selbstkontrolle. Und dass sie im Unterricht nicht milde sondern wie Erwachsene behandelt und durch das ständige Wiederholen einer Stelle „gequält“ werden, scheint sie gar nicht zu stören.
Natürlich ist es schwierig, von Kindern und Jugendlichen eine emotionale Reife zu erwarten – das weiß Zakhar Bron auch. Deshalb präsentiert und erklärt er ausführlich seine Interpretationsvorschläge, die von den Schülerinnen und Schülern „lediglich“ nachgespielt werden. Sie lernen aber dabei, ein Musikstück ganzheitlich zu betrachten, ohne die Technik von der Interpretation zu trennen. Da alle Aufnahmen mit den Noten der Solopartie versehen sind, können die Zuschauer/-innen den Verlauf der Stunde gut verfolgen oder auch nur abschnittsweise ansehen. Die ganze Serie ist auf jeden Fall empfehlenswert, besonders für Musiklehrer/-innen.
Zakhar Bron unterrichtet
Unterrichtsvideos sind im AMA Verlag erschienen