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Werkausgaben von Max Jobst
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Zwei Violinkonzerte und andere Trouvaillen

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Werkausgaben von Max Jobst und Franz Hofmann
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Während die Musik der Exilanten, der bedeutenden jüdischen und anderen als „entartet“ gebrandmarkten Komponisten aus der Zeit des Dritten Reichs heute weitgehend erschlossen und in Notenausgaben, Monographien und Aufnahmen aufgearbeitet und erhältlich ist, trifft dies auf all jene, die sich – äußerlich unsichtbar – in die ‚innere Emigration‘ begaben oder den Tod an der Kriegsfront fanden, kaum bis gar nicht zu.

Es wäre der Schande genug, die fortgesetzte Ignoranz gegenüber Heinrich Kaminski, Heinz Tiessen oder Paul Büttner überhaupt zu bemerken, und es ist gewiss erschreckend, dass der Mangel an objektivem Geschichtsbewusstsein uns so große Geister wie die im Kriege gefallenen Edmund von Borck (1942) und Heinz Schubert (1945) bis heute komplett vergessen lässt, um nur die bedeutendsten derjenigen zu nennen, die nicht auf der Liste der „Gottbegnadeten“ standen. Doch wer sich nicht mit Beklagen und Empören bescheiden will, kann ja umso mehr entdecken! Es sind natürlich weit mehr Kriegsopfer auszugraben, darunter Hans Humpert und Horst Günther Schnell, oder eben jene zwei Komponisten, für deren Werk sich gerade ein wenig ‚Licht am Ende des Tunnels‘ des Vergessens zeigt: der Regensburger Max Jobst (1908–1943) und der Forchheimer Franz Hofmann (1920–1945).

Max Jobst studierte unter anderem bei Anton Beer-Walbrunn (siehe nmz 2/2019) und Joseph Haas, der ihn als herausragende Begabung pries und jenen Vergleich mit Max Reger aussprach, der schon im vorangegangenen Weltkrieg dem jung gefallenen Genie Rudi Stephan (1887–1915) zuteil geworden war. Jobst ist in dem recht knappen Œuvre, das er bis Anfang der 1940er-Jahre schuf, ein zunehmend eigenständiger Meister in einer recht herben, klar tonalen, wie holzgeschnitzt konturierten, ‚neugotischen‘ Sprache. Das knapp halbstündige Violinkonzert op. 19 von 1939 bildet Abschluss und Höhepunkt seines Instrumentalschaffens. Es fasst das ganze Spektrum der Gegensätze in einem Satz zusammen und ist für den Solisten anspruchsvoll, reizvoll und durchaus auch herausfordernd, ohne sich je der Virtuosität als Selbstzweck zu veräußern. Wie Paul Büttners Konzertstück wurde es 1939 vom Widmungsträger Rudolf Schöne, Konzertmeister der Münchner Philharmoniker und ein großer Musiker auf der Geige, uraufgeführt. In Zusammenarbeit mit dem Sudetendeutschen Institut in Regensburg hat der kürzlich verstorbene Herausgeber Thomas Emmerig (siehe Seite 7) im Frankfurter Laurentius-Musikverlag eine Max-Jobst-Edition begonnen, die sich der Erstveröffentlichung der seinerzeit ungedruckt gebliebenen Werke widmet. Neben dem Violinkonzert, dessen kompakt stringente Qualität es ebenbürtig neben den zeitgenössischen Gattungsbeiträgen etwa von Karl Höller oder Wolfgang Fortner bestehen lässt, finden wir dort im Erstdruck auch das unvollendete Streichquartett von zirka 1933 und die gegen 1937 entstandene h-Moll-Sonate für Violine und Klavier. Die Sonate ist ohne jegliche dynamische Bezeichnungen überliefert und fordert damit die detektivischen Fähigkeiten der Ausführenden besonders heraus. Die Edition widmet sich auch dem vokalen Schaffen und hat mit den vier Vertonungen ‚Ein Mensch‘ für gemischten A-cappella-Chor, einer aphoristischen Auswahl aus den gleichnamigen, einst jedermann geläufigen humoristischen Gedichten Eugen Roths, ein potenzielles Lieblingsstück für heutige Chöre zu offerieren. Jedem Chorleiter, dessen Sänger etwa bei Distler oder Pepping gut zurechtkommen, seien diese Trouvaillen nachdrücklich ans Herz gelegt. Die Musik ist wenigstens ebenso geistreich und pfiffig wie der Text (Kostprobe: „Ein Mensch bemerkt mit bitterm Zorn, dass keine Rose ohne Dorn, doch muss ihn noch viel mehr erbosen, dass sehr viel Dornen ohne Rosen.“). Max Jobst, bemerkenswerter Komponist von echter Eigenart, ist im infernalischen Zusammenbruch der deutschen Invasoren in Stalingrad verschollen geblieben.

Der Fall Franz Hofmann ist ausgesprochen tragisch. Von Carl Rorich in Nürnberg ausgebildet, setzte er im Krieg das Studium in Wien fort. Seine 20 gültigen Werke (die letzten zwei unvollendet) entstanden ab 1940, teils direkt an der Front bei der Abwehr der Roten Armee. Bis auf zwei Hefte Klavierstücke und zwei Lieder handelt es sich durchweg um Kammermusik, mit Ausnahme des hochvirtuosen ‚Kammerkonzerts‘ für Violine solo, Holzbläser, zwei Hörner und Streichorchester von 1943, das die klassische Satzfolge schnell-langsam-schnell in einem einzigen Satz von rund 27 Minuten umschließt – mit einem poetischen, fragil neobarocken Siciliano (mit herrlichem Duett der Flöte mit der Sologeige) zwischen einem musikantisch mitreißenden Präludium und einer gewaltigen Chaconne als unerbittlich voranschreitendem Finale. Hofmann, der, keine 24 Jahre alt, schwer verwundet beim Abtransport aus dem Lazarett in Ostpreußen umgekommen ist, hatte da bereits eine wunderbar ausdifferenzierte, chromatisch reiche, tonal vielfarbig schillernde Tonsprache entwickelt, die – ähnlich wie bei seinen Schicksalsgefährten Humpert oder Jobst – noch auf eine große Entwicklung hoffen ließ. Wie das Violinkonzert sind auch einige Kammermusikwerke in der Sammlung Eschler, sorgfältig ediert von Thomas Eschler, erschienen (zu beziehen bei: teschler [at] nefkom.net (teschler[at]nefkom[dot]net)), darunter das groß angelegte 2. Streichquartett und ein Trio für Flöte, Geige und Bratsche (beide 1943), ein Quintett für Flöte, Klarinette und Streichtrio, die spielfreudig animierende Serenade für Streichtrio, die in 5 Sätzen wirkungsstark kontrastierende „Kleine Musik“ für Geige und Bratsche (alle 1944) und die beiden erhaltenen Sätze (schnell-langsam) der Violin-Solo-Sonate von 1944/45. Es ist jungen Musikern unbedingt anzuraten, sich mit der Musik Max Jobsts und Franz Hofmanns auseinanderzusetzen, im Falle Hofmanns insbesondere den Geigern, die hier das technisch Anspruchsvolle mit dem musikalisch Wertvollen vereinigt finden werden.

 

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