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Joe Jackson. Foto: Another Dimension
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Pfiffiges Tribute: Joe Jackson verneigt sich vor dem amerikanischen Jazz-Heiligen Duke Ellington

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Männer im Klimakterium neigen zu Erkenntnisalben. Joe Jackson zum Beispiel feiert demnächst seinen 58. Geburtstag und da der Sänger, Pianist und Komponist aus dem südenglischen Burton-upon-Trent von jeher dazu neigt, sich von Kollegen inspirieren zu lassen, passt es ganz gut ins Bild, dass er sich nun Duke Ellington widmet, einer der übermächtigsten Persönlichkeiten der vergangenen hundert Musikjahre.

Ein Held sei der Miterfinder des Jazz für ihn schon als Teenager gewesen, gibt Jackson zu Protokoll, allerdings habe er sich den Weg zu dessen Musik erkämpfen müssen: „Ich wuchs nicht gerade in einer musikalischen Umgebung auf. Alles außerhalb des Radio musste ich selbst für mich entdecken. Die einzige Musik, die ich als Kind kannte, waren Beatles, Stones, Kinks und ähnliches. Jazz, klassische Musik, Rhythm & Blues und alles andere kam erst viel später. Auf Ellington stieß ich, als ich so etwa sechzehn Jahre alt war, aber niemand um mich herum kannte sich damit aus. Also habe ich mir ganz billige Second-Hand-Platten gekauft oder etwas in der Bücherei darüber gelesen“.

Augenzwinkern inklusive

Ein bisschen Stilisierung spielt da mit: der Underdog, der in Portsmouth, der Stadt seine Jugend, als kränkelndes Kind sich gegen die Gleichförmigkeit des Arbeiterdaseins wehrt; der sich ein Klavier erstreitet, es sogar an die Londoner Royal Academy Of Music schafft, mit Band im rostenden Tourbus durch die Lande tingelt und im Gefolge von Punk und Wave 1979 den Durchbruch schafft; der dann eine Zeitlang mit Elvis Costello verglichen wird, bis er sich mit „Night and Day“ dem Art Pop zuwendet und fortan in keine Schublade mehr wirklich passt. Beschrieben hat Joe Jackson diese Entwicklung bereits ausführlich in seiner vor einem guten Jahrzehnt erschienenen, übrigens erfrischend ironischen Autobiographie „Ein Mittel gegen die Schwerkraft“. Und im Laufe der Jahre hat er für seinen Hang zum Eklektizismus auch reichlich journalistische Häme abbekommen, denn das Prinzip Nachahmung ist nicht jedes Kritikers Sache. Die Phase, als er sich darüber noch ärgerte, aber ist vorbei. Joe Jackson wirkt entspannter denn je und so ist er auch bereit, sich an seinen Knicks vor Ellington zu wagen.

„The Duke“ klingt in mancher Hinsicht ungewöhnlich. Insgesamt 15 Songs hat Jackson bearbeitet, mehrere davon in Medleys zusammengefasst. Die meisten davon sind Evergreens, „Mood Indigo“ zum Beispiel, „Take the 'A' Train“ oder „Satin Doll“. Manche Näherung klingt ein wenig schmaltzy, getragen vom typischen Pathos des Sentimentalen, zu dem Joe Jackson neigt, wenn Balladen auf dem Plan stehen. Doch die Verbeugung wird nicht zum Kniefall, denn bevor er die Musik zu sehr treiben lässt, stellt er ihr ein Augenzwinkern entgegen. Die Gast-Sängerin Sussan Deyhim stimmt „Caravan“ eben nicht auf Englisch an, sondern auf Farsi, ihre Kollegin Lilian Vieira konvertiert „Perdido“ in Brasilianische. Sharon Jones trifft den Soul, auch wenn sie Ellington singt, und Steve Vais getragene Gitarre macht aus „Isfahan“ eine Elegie.

Jacksons Swing, Iggys Pop

Das funktioniert, weil Joe Jackson bei aller Reflexion letztlich wie schon immer seinen Eingebungen folgt. „So genau weiß ich gar nicht, warum ich gerade diese Stücke ausgewählt habe. Das geschah eigentlich ganz intuitiv. Es waren vor allem Lieder, von denen ich glaubte, dass ich da interessante Arrangements hinbekomme. Ich habe auch noch andere ausprobiert, aber die sind dann entweder nicht fertig geworden oder haben es nicht auf das Album geschafft. Bei 'In a sentimental Mood' zum Beispiel, für mich das schönste Stück, dass Ellington jemals geschrieben hat, habe ich keinen Weg gefunden, es neu und interessant genug zu spielen, also blieb es in der Schublade. Überhaupt glich die Arbeit ein wenig einem kreativen Prozess, wo man seinen Füßen folgt, die in eine bestimmte Richtung gehen wollen, um nachzuschauen, was sich am Ende des Weges verbirgt. Manchmal muss man umdrehen, ein anderes Mal hat man etwas entdeckt“.

Männer im Klimakterium neigen zur Nostalgie, aber eben auch zu einer Gelassenheit, die sie ihren jüngeren Kollegen voraus haben. Im Fall von Joe Jackson heißt das, dass er den Hymnen der amerikanischen Jazzgeschichte durchaus seine typisch britische, zwischen Sophistication und Ironie pendelnde Deutung hinzuzufügen versteht. Iggy Pop hingegen, der noch ein paar Jährchen mehr vorzuweisen hat, ist einfach nur noch cool. Sein Beitrag zu „The Duke“ ist ein gerauntes „It don't mean a Thing (if it ain't got that Swing)“ und es ist als letzter Song des Albums zugleich auch eine herzlich, humorvolle Relativierung des potentiell ernsten Unterfangens: „Iggy Pop ist ist ein sehr entspannter Typ und er hat sofort zugesagt, als ich ihn gefragt habe. Und es scheint ihm Spaß gemacht zu haben, sich mit dem Song zu beschäftigen. Allerdings habe ich mit ihm nur über Telefon, E-Mail und Bänder Kontakt gehabt, weil er gerade auf Tour war, als ich das Album produzierte. Er hat seine Takes in einem Studio in Miami aufgenommen. Und ich hatte ihn gebeten, mir mehrere Versionen zu schicken. Ich dachte, da kommen drei oder vier, doch Iggy schickte zwölf. Es muss ihm also wirklich getaugt haben“. Vielleicht hätten sie das ganze Album zusammen machen sollen. Ein Triumvirat über Zeiten, Stile, Generationen hinweg – auch keine schlechte Idee.

Joe Jackson: The Duke (earMusic / Edel, VÖ 22.6.12)

Tourtermine:
“Joe Jackson + the Bigger Band, featuring Regina Carter”
14.10.12 A-Graz, Orpheum (EL: 19:30 Uhr, B: 20 Uhr)
16.10.12 Köln, Theater am Tanzbrunnen (EL: 19 Uhr, B: 20 Uhr)
18.10.12 Ludwigsburg, Scala: On Tour! im Forum am Schlosspark (EL: 19 Uhr, B: 20 Uhr)
19.10.12 München, Circus Krone (EL: 19 Uhr, B: 20 Uhr)
21.10.12 CH-Zürich, Spirgarten (EL: 19 Uhr, B: 20 Uhr)
06.11.12 Berlin, Admiralspalast (EL: 19 Uhr, B: 20 Uhr)

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