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Soldiers of Music
Sony, 1 Std. 30 Min.
„Soldiers of Music“ – ein Wort Schostakowitschs als Titel dieses Videos, ganz ohne militärische Absichten und erst recht ohne entsprechende Musik: Barbers „Adagio for Strings“, Dvoráks „Concerto für Cello und Orchester op. 104“, Griegs „Åses Tod“ aus Peer Gynt, Puccinis „Madama Butterfly“, Prokofjevs „Fünfte Sinfonie op. 100“, Rachmaninows „Vocalise op. 34 No. 14“, Schostakowitschs „Achte Sinfonie“ und Tschaikovskys „Sechste Sinfonie“, das ist die Musik, aus dem dieses Video ist. Und es ist noch aus weit mehr! Denn wer sich nun einen Konzertfilm erhofft, wird enttäuscht sein. Die Musik gibt es nur häppchenhaft: total music time about 15 minutes - bei eineinhalb Stunden Gesamtlänge des Videos. Es ist ein Personality-Video über Slawa, Ruhm und Kosename für Rostropowitschs Vorname Mstislaw zugleich. So kehrt Mstistlaw Rostropowitsch 1990 nach 16 Jahren USA-Exil nach Rußland zurück, zurück zu „seinem“ Volk, das weder Zaren noch Oberster Sowjet zu dem gemacht haben, sondern die einfachen Leute wie der Maurer Vasya oder die Leute, die während Rostropowitschs russischen Absenz das Haus gehütet haben, das Volk, das der westliche Bürger weder richtig verstehen noch entsprechend würdigen kann. Entsprechend stark die Symbolkraft der Bilder: Hammer-Sichel-Monument im flüchtigen Nebel, die Städte Moskau, Leningrad und Kronstadt im vermatschten Winter, zudem vielfach bei Nacht; Natur mit Krähe und nackten Bäumen (Winterreise). Ganz anders die Begegnungen mit Menschen: herzlich bis huldigend, auf dem Flughafen, dem Moskauer Hauptbahnhof, bei Autofahrten durch Publikumspalier (Michael Jackson ist also nicht alleine!), bei Pressekonferenzen und Tischreden, bei Besuchen in ehemaligen Wohnstätten mit blumenreichen Versprechungen, und Rostropowitsch kümmert sich wirklich um alles, sogar um Kartenwünsche bis kurz vor Konzertbeginn. Zum Verhängnis wurde ihm seine Solidarität mit Alexander Solschenizyn und anderen Dissidenten. So verwundert es nicht, daß dieses Politikum den Mittelpunkt des Videos ausmacht, in Gesprächen und Interviews, trotz aller Initimität von Reisevorbereitung und Garderobenatmosphäre und schwarz-weiß fotografisch getränkter Erinnerungen. Und die Bedeutung der Musik im Politikum Rostropowitsch? Medium seiner Präsentation oder profitiert sie gerade durch diesen „außermusikalischen Inhalt“? Sicher ist sie unentbehrliches Gestaltungsmittel des Videos, besitzt aber als Konzertsituation einen verschwindend geringen Anteil. Unverzichtbar aber ist sie in der Präsentation von „russischer Seele“: „Åses Tod“ aus Peer Gynt von Grieg während des Besuchs an Sacharows Grabstätte oder Rachmaninows „Vocalise op. 34, No. 14“ zu den Bildern des Besuchs der Vishnewskaya in Leningrad. Im Sinn geschickt ausgesuchter „Filmmusik“ nimmt sie dem Dokumentarischen den Charakter der Distanz.