Verehrter Herr von Loeffelholz, ich freue mich nicht nur, dass der Sprecherrat, das Auswahlgremium des Deutschen Kulturrats für diese Auszeichnung, entschieden hat, Sie mit diesem Preis auszuzeichnen, ein kulturpolitischer Preis, der leider nicht dotiert, allerdings von hohem symbolischem Wert ist.
Verehrter Herr von Loeffelholz, ich freue mich nicht nur, dass der Sprecherrat, das Auswahlgremium des Deutschen Kulturrats für diese Auszeichnung, entschieden hat, Sie mit diesem Preis auszuzeichnen, ein kulturpolitischer Preis, der leider nicht dotiert, allerdings von hohem symbolischem Wert ist. Ich freue mich insbesondere darüber, dass Sie heute wirklich hier sind. Die Kenner wissen, dass wir letztes Jahr ein kleines Problem mit unserem Kulturgroschen- Preisträger hatten. Denn ohne eigenes Verschulden ist er uns kurzfristig abhanden gekommen. Umso mehr bin ich nicht nur voller Freude, sondern auch sehr beruhigt, dass es so aussieht, als ob heute Abend das vorgesehene Programm seinen Verlauf nehmen kann. Ich danke der Stiftung „Brandenburger Tor“, dass sie diese schönen Räume, die auch sehr angemessen sind für diesen Anlass, zur Verfügung gestellt hat und dass es auch bei dem anschließenden Empfang eine Kooperation mit dem Deutschen Kulturrat geben wird. Denn wir sind auf diese Kooperationen dringend angewiesen. Ich habe schon gescherzt: wir verleihen leider nur einen Kulturgroschen, bei der Kulturmark oder dem Kultureuro als wertvolleren Münzen sind wir noch nicht angelangt. Insofern sind wir für solche Kooperationen besonders dankbar, und diese sind auch ein Teil dessen, was wir heute bei Herrn von Loeffelholz würdigen wollen: Die produktive Zusammenarbeit von Kultur und Wirtschaft.Ich bedanke mich auch – und gratuliere zugleich zur Wiederwahl – bei Frau Antje Vollmer dafür, dass sie die Laudatio halten wird. Ihre Verdienste um das Stiftungsrecht sind bereits erwähnt worden. Wir haben in ihr eine wichtige Mitstreiterin in allen kulturpolitischen Fragen, und ich werde nicht umhinkommen, auch heute einen Problempunkt anzusprechen, bei dem wir dieses Mitstreiten ganz aktuell wieder benötigen. Und ich freue mich zum Schluss über die Musikerinnen und Musiker, die ein Beispiel für die Tätigkeit von Herrn von Loeffelholz darstellen. Sie werden diesen Abend abschließen. Herr von Loeffelholz ist Gründungsmitglied der Orchesterakademie der Stiftung Berliner Philharmoniker, von der die Musikerinnen und Musiker kommen, so dass das Wirken von ihm heute an einem guten Beispiel demonstriert wird. Erlauben Sie mir einige inhaltliche Bemerkungen. Denn wenn ein Verband einen Preis verleiht, will er zwar auch eine Person ehren. Aber er will natürlich letztlich sich auch selbst ehren und sich mit der geehrten Person schmücken. Ich habe überhaupt keine Scheu einzugestehen, dass sich der Deutsche Kulturrat mit Ihnen, Herr von Loeffelholz, sehr gerne schmücken will. Und dies hat politische und konzeptionelle Gründe, die ich mit einem Blick in die Geschichte kurz erläutern möchte. Es wird allerdings nur ein kleiner Blick sein, lediglich zwei, drei Bemerkungen über das schwierige Verhältnis zwischen Kultur und Wirtschaft. Ich beginne nicht mit der Antike, sondern in den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Denn es begann Mitte der achtziger Jahre eine sehr lebhafte Diskussion über das Verhältnis von Kultur und Wirtschaft. Viele hier, das erkenne ich an den Gesichtern, haben das miterleben können. Diese Diskussion war und ist in Deutschland besonders schwierig. Und dies haben wir insbesondere Adorno und Horkheimer zu verdanken. Denn ihr Verdikt des Ökonomischen in allen Fragen, die Kunst und Kultur betreffen, in dem berühmten Kulturindustriekapitel der „Dialektik der Aufklärung“, steckt allen, die ihre Sozialisation in den 70er-Jahren erlebt haben, tief im Bewusstsein.
Das betreffende Kapitel dieses Buches heißt „Aufklärung als Massenbetrug“. Der Massenbetrug kommt dadurch zustande, dass, falls Kunst und Kultur kommerzialisiert sind, sie dadurch fremden Zielen und Handlungslogiken unterworfen werden. Kunst und Kultur werden so zu Mitteln der Entfremdung, der Anpassung an Unterdrückungsverhältnisse. Die Kulturindustrie ist daher in den Augen von Adorno und Horkheimer nur von Übel.
Diese Sichtweise hat in der Folgezeit sehr viele Schwierigkeiten bereitet, so dass es nur selten zu einer produktiven Kooperation zwischen Wirtschaft und Kultur gekommen ist. Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass zunächst die „sanfte Version“ von Ökonomie als erstes den Weg in den Kulturdiskurs fand, und diese sanfte Version ist die Volkswirtschaftslehre. Anfang der 80er-Jahre gab es die ersten Studien über die volkswirtschaftliche Bedeutung des Kulturbereichs als Arbeitsmarkt. Man hat diesen Arbeitsmarkt mit der Automobilindustrie oder der Nahrungsmittelindustrie verglichen. Auf alle Fälle war man beeindruckt, auch im Kulturbereich selbst, wie wichtig man ist, dass man also auch in ökonomischer Hinsicht ein ernst zu nehmender Faktor war. Ein zweiter wunderschöner Begriff, der damals eine unglaubliche Konjunktur hatte – es soll ihn in kleineren Städten immer noch geben –, ist der Begriff der „Umwegrentabilität“. Dies war eine tolle Erfindung, die darin bestand, dass kluge Leute ausgerechnet hatten, dass jede Mark, die für den Kulturbereich ausgegeben wird, eine Mark fünfzig zurück in die Kassen bringt, also eine geradezu unglaubliche Rendite für öffentliche Kulturausgaben zu verzeichnen war. Dieses Argument haben alle Kulturleute damals mit Begeisterung aufgegriffen. Denn es hat Kultur auch in ihrer ökonomischen Einträglichkeit und Rentabilität aufgewertet. Aber damit war die hohe Zeit der volkswirtschaftlichen Diskussion des Kulturellen auch schon wieder abgeschlossen.
Denn jetzt kam die Hardcore-Version der Ökonomie, die Betriebswirtschaftslehre. Und die Betriebswirtschaftler wollten doch in der Tat sehen, wo diese eine Mark fünfzig denn ist. Und zwar nicht frei flottierend irgendwo in der Gesellschaft, sondern in der Kasse jedes einzelnen Kulturinstituts. In jeder Musikschule, in jedem Theater, in jedem Museum sollte nachgesehen werden: Wo ist sie denn? Und sie war dort leider nicht – zumindest in den wenigsten Fällen. Das hat dann doch ein wenig in ökonomischer Hinsicht zur Ernüchterung geführt. Die Betriebswirtschaftler haben die Ernüchterung in die Kultur gebracht.
Produktiver Austausch
Trotzdem war das Ganze nicht bloß ein kurzes und folgenloses Intermezzo, sondern ein produktiver Austausch, der einiges gebracht hat. Er hat der Kultur eine verstärkte Anerkennung im gesellschaftlichen Diskurs auch als ökonomische Veranstaltung und nicht bloß als Veranstaltung der Sinnvermittlung gebracht. Auch der Wirtschaft hat das Vorteile gebracht. Denn seitdem erprobte und erprobt die Wirtschaft vielfältige Kooperationsmöglichkeiten zwischen Betrieben und Kultureinrichtungen. Meine eigene Einrichtung, die Akademie Remscheid, hat etwa einige Jahre mit den Gothaer Versicherungen den Wettbewerb „kultur plus“ durchgeführt, bei dem besonders gelungene Kooperationsprojekte zwischen Einrichtungen der Kinder- und Jugendkulturarbeit und Wirtschaftsbetrieben ausgezeichnet wurden. Es war uns dabei nicht genug, lediglich einen Scheck über den Tisch wandern zu sehen, sondern das entscheidende Kriterium war, dass die Kulturarbeit selbst inhaltlich in den Betrieben spürbar sein musste. Es gab eine Fülle von hervorragenden Projekten, bei denen beide Seiten mit gesundem Eigeninteresse profitiert haben.
Natürlich hat es, weil ich eben etwas bösartig über die Betriebswirtschaftslehre gesprochen habe, der Kultur auch gut getan, mit professionellem Management in Kontakt zu kommen. Seither gab es eine erhebliche Professionalisierung des Kulturmanagements. Und das war auch wirklich nötig. Es gibt inzwischen viele etablierte Studiengänge in Kulturmanagement, bei denen man von den Managementerfahrungen im Wirtschaftsbereich profitiert hat und wo man sich darum bemüht, ein geeignetes Managementkonzept für Kultureinrichtungen zu entwickeln und zu vermitteln.
Wichtig ist bei dieser Zusammenarbeit zwischen Kultur und Wirtschaft die Leitlinie, die wir auch bei Herrn von Loeffelholz gefunden haben: nämlich Respekt; Respekt vor der jeweils verschiedenen Arbeitsweise von Wirtschaft beziehungsweise von Kunst und Kultur. Denn Kunst und Kultur leben von ihrem Eigensinn, leben vom Nicht-Funktionalen und leben auch davon, dass das mit der einen Mark fünfzig gar nicht funktionieren kann. Kunst und Kultur sind oft genug das Nicht-Rentierliche. Eine Kooperation zwischen Wirtschaft und Kultur kann daher nur funktionieren, wenn dieses Prinzip, auf den Punkt gebracht wird: „Kulturwaren sind Waren eigener Art“. Dies war einer der Grundgedanken 1998 bei der Weltkonferenz „The power of Culture“ in Stockholm, an der auch der Kulturrat als so genannte NGO beteiligt war.
Doch wie steht es heute mit der Umsetzung dieser Forderung? An dieser Stelle wollte ich nun einen ganz versöhnlichen Abschluss dieses Rückblicks auf die oft spannungsvollen, aber auch spannenden Beziehungen zwischen Wirtschaft und Kultur bringen, zumal wir auch kürzlich zusammen mit dem Kulturstaatsminister eine im Ganzen erfreuliche Bilanz der letzten Legislaturperiode gezogen haben. Ich erinnere nur an das Stiftungsrecht oder die Besteuerung ausländischer Künstlerinnen und Künstler, ich erinnere an die Erhaltung der Buchpreisbindung und die Bundeskulturstiftung – alles Ergebnisse, an denen der Kulturrat beratend und zum Teil sogar gestaltend mitgewirkt hat. An dieser Stelle muss ich allerdings von den Notizen, die ich vorbereitet habe, abweichen und auf etwas hinweisen, das mir Olaf Zimmermann noch während meiner Herfahrt gemeldet hat, nämlich dass „Die Welt“ die Streichliste von Herrn Eichel heute veröffentlicht hat. Viele haben das vermutlich schon mitbekommen: Eine Errungenschaft, die ganz besonders wichtig ist und ohne die vermutlich auch diese Stiftung, bei der wir heute zu Gast sind, nicht existieren würde, soll gestrichen werden.
Es geht um die Möglichkeit des Spendenabzuges. Wir werden morgen früh eine Pressekonferenz hierzu durchführen, denn es kann nicht sein, dass die kulturpolitischen Errungenschaften der letzten Jahre bei aller verständlichen Not, den blauen Brief aus Brüssel zu vermeiden und den Haushalt zu sanieren, an diesem bezogen auf den Gesamthaushalt minimalen Betrag beschädigt werden. Wir bitten auch Sie, Frau Vollmer, an dieser Stelle um Ihre bewährte Unterstützung. Das war also leider kein so harmonischer Abschluss, wie ich ihn vorgesehen hatte. Möglicherweise wollen Sie, Herr von Loeffelholz, auch darauf eingehen. Ich hoffe sehr, dass diese fatale Entscheidung rückgängig gemacht wird. Denn der Schaden für das Soziale und Kulturelle, für Sport, Bildung und Wissenschaft wäre unvorstellbar.
Ich möchte abschließend zwei Blicke in die Zukunft werfen. Sie wissen es: Ebenso wie es bei einer Rede unvermeidbar ist, auf die Geschichte hinzuweisen, so ist es heute auch unvermeidbar, auf die Globalisierung zu sprechen zu kommen.
Auch in dieser Hinsicht will ich Ihren Erwartungen entsprechen. Globalisierung hat – das wird Sie vielleicht überraschen – auch mit dem Kulturrat sehr viel zu tun. Ich erwähne nur das GATS-Abkommen. An diesem haben wir uns heftig abgearbeitet und ein umfangreiches Positionspapier erarbeitet. Es geht bei diesem Abkommen (GATS = General Agreement on Trades and Services) darum, dass nach den Gütern (GATT) nunmehr auch die Dienstleistungen der Deregulierung des Weltmarktes unterzogen werden sollen. Das „S“ bei GATS heißt nämlich „services“, Dienstleistungen. Kultur und Bildung gelten dabei im internationalen Sprachgebrauch als Dienstleistungen. Es geht also darum, dass diejenigen, die in der Weltwirtschaftspolitik Verantwortung tragen, diese Unterschiede, die die UNESCO („Kulturwaren sind Waren eigener Art“) formuliert hat, nicht akzeptieren.
Wir bemerken allerdings die Globalisierung auch dann, wenn wir mit Brüssel reden. Denn es ist immer häufiger der Wettbewerbskommissar, mit dem wir es zu tun haben, und nicht die Kulturkommissarin. Ich erinnere nur an die Buchpreisbindung. Da ging das Problem nicht von der Kulturkommissarin, sondern von dem Wettbewerbskommissar aus. Man könnte noch viele weitere Beispiele anfügen, die belegen: Die Verflechtung zwischen Kultur und Wirtschaft ist schon längst in der Kulturpolitik angekommen. Kulturpolitik muss heute kulturelle Wirtschaftspolitik einschließen, wenn sie wirkungsvoll die Rahmenbedingungen für das kulturelle Leben gestalten will. Ich will dies an zwei kleinen Lesefrüchten zum Abschluss exemplarisch verdeutlichen.
Sie wissen, dass es immer wieder Enquete- Kommissionen im Bundestag gibt. Diese Kommissionen sind unglaublich fleißig. Ich weiß nicht, ob Sie alle schon einmal die Abschlussberichte solcher Kommissionen gesehen haben. Die wiegen etwa drei bis vier Kilo, haben etwa tausend Seiten im DIN A 4 Format und eignen sich überhaupt nicht, um sie mal eben im Zug lesen zu können. Auf einen dieser Berichte, die oft ganz spannend sind – und neuerdings auch mit vielen bunten Bildern, wie ich festgestellt habe –will ich jetzt zu sprechen kommen.
Es handelt sich dabei nicht um den Bericht, der sehr nahe liegen würde, weil der Kulturrat mittelbar damit verbunden war, nämlich den Bericht der Enquete-Kommission zum Bürgerschaftlichen Engagement, sondern um den Abschlussbericht „Globalisierung der Weltwirtschaft“, der unter der Leitung von Ernst Ulrich von Weizsäcker erstellt wurde. Dies, lieber Herr von Loeffelholz, hat wiederum mit Ihrer beruflichen Tätigkeit zu tun. Denn ich habe in Ihren biografischen Daten gelesen, dass Sie von 1961 bis 1968 bei der Einrichtung „Cepes“ gearbeitet haben, die sich schon damals mit der Liberalisierung des Welthandels befasst hat. Zwei Punkte habe ich beim Durchblättern dieses sehr, sehr dicken und schweren Berichtes gesehen, die beide relevant sind, und beide möchte ich ganz kurz ansprechen.
Der erste Punkt heißt „global governance“. „Global governance“ bezeichnet eine kluge Idee, die letztlich ihren Ursprung in Deutschland hat. Denn sie entsprang einer Initiative von Willy Brandt, der seinerzeit die Nord-Süd-Kommission der UNO geleitet hat. Man war darauf gestoßen, dass das weltweite Problem der ungerechten Verteilung von Reichtum auch etwas damit zu tun hat, und sie funktioniert heute immer noch so schlecht, weil man sich zu stark auf den Staat oder Staatenbündnisse als einzige Akteure konzentriert. Die Idee der „global governance“ ist sehr komplex. Sie wurde von einer hochrangigen UNO-Kommission (Commission of Global Governance) entwickelt, der von deutscher Seite etwa der heute hier anwesende Professor Kurt Biedenkopf angehörte und die 1995 ihren Bericht vorlegte („Our Global Neighbourhood – Nachbarn in einer Welt“).
Herr Biedenkopf hatte zugleich viele Jahre Verantwortung für die „Stiftung Entwicklung und Frieden“ in Bonn, die ebenfalls von Willy Brandt gegründet wurde und die zu den wichtigsten deutschen Popularisatoren dieser Idee der „global governance“ gehört. Es geht dabei sehr verkürzt darum, ein Konzept von politischer Steuerung im Weltmaßstab zu entwickeln, bei dem der Staat oder Staatenbündnisse zwar weiterhin eine große Rolle spielen, bei dem jedoch NGOs (Non-governmental Organisations) wie etwa Wirtschaftsverbände oder gesellschaftspolitische Organisationen – also all das, was im internationalen Sprachgebrauch „Zivilgesellschaft“ heißt – an der Steuerung des Gemeinwesens mitwirken. Und zu diesen NGOs gehört auch der Deutsche Kulturrat.
Global Governance
Jetzt meinen Sie vielleicht, dass dies ja ganz interessant sein mag, doch was hat das mit Kultur und dem Kulturrat zu tun? Vor drei Wochen haben wir etwa 50 Meter von hier in der deutschen Vertretung der Europäischen Union eine Veranstaltung über die Frage durchgeführt: Wie entwickelt sich die europäische Verfassung? Wir konnten dabei erleben, wie wenig dieses Konzept der global governance – das heißt, der politischen Gestaltung und Mitwirkung nichtstaatlicher Akteure – bei denjenigen, die in Brüssel Verantwortung tragen, angewandt wird. Es besteht zwar formell eine bestimmte Möglichkeit der Mitgestaltung bei diesem wichtigen Dokument für das zukünftige Europa. Aber das Verfahren ist ausgesprochen mühsam, und eher sieht es danach aus, als ob es Formen bloß symbolischer Politik sind, bei denen eine Einbeziehung von NGOs stattfindet. Das heißt, es gibt gute und richtige Konzepte dafür, wie eine Politik, die ihre Legitimation nicht verlieren will, als Netzwerk gestaltet werden muss; aber die Europäische Union scheint ein wenig resistent bei deren Anwendung zu sein.
Wir brauchen aber, wenn wir erfolgreich Kulturpolitik, auch kulturelle Wirtschaftspolitik machen wollen, mehreres: Wir brauchen gute Ideen und Personen – engagierte Personen –, die Initiativen vor Ort in Gang bringen; wir brauchen sie, damit die Realisierung von Ideen erleichtert und nicht erschwert wird. Dies alles werden wir nur mit solchen Menschen machen können – aus allen verschiedenen gesellschaftlichen Feldern –, die bereit und in der Lage sind, über die Grenzen ihres eigenen Faches hinauszublicken und die sich auf zunächst unsichere Kooperationen oder unbekannte Kooperations-Partner einlassen. Dann gelingt auch eine gemeinsame Gestaltung der Zukunft, dann realisiert sich die gemeinsame Verantwortung, so wie sie etwa dem global-governance-Konzept zugrunde liegt.
Wissensgesellschaft
Mein zweiter Punkt, den ich in dem Abschlussdokument der Enquete-Kommission „Globalisierung der Weltwirtschaft“ herausgreife und der höchste kulturpolitische Relevanz hat, ist sehr viel kürzer. Er bezieht sich darauf, dass das Thema „Wissens- oder Informationsgesellschaft“ sowohl wirtschafts- als auch kulturpolitisch höchst relevant ist. „Wissensgesellschaft“ bedeutet Information, bedeutet Informationstechnologie, hat also unter anderem mit Medien zu tun.
Die Entwicklung der neuen technischen Medien ist geradezu Motor und Kern der ökonomischen Globalisierung. Denn im Mittelpunkt der ökonomischen Globalisierung stehen die globalen Finanzmärkte, und die wären in ihrer Dynamik und Brisanz überhaupt nicht möglich, wenn es die moderne Informationstechnologie nicht gäbe. Das heißt: Natürlich ist die Politik zur Herstellung einer Wissensgesellschaft eine ökonomische Frage. Aber eben nicht nur. Es geht auch und entschieden um kulturelle Inhalte, es geht um kulturelle Teilhabe auch an den Möglichkeiten der Informationsgesellschaft („access“). Deswegen haben wir uns als Deutscher Kulturrat aktuell ein wenig unbeliebt gemacht, als wir gehört haben, dass es einen „Superminister“ für Arbeit und Wirtschaft geben sollte, der bislang Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen war. Dieser hatte bereits in dieser Funktion als ehemaliger Journalist größtes Interesse an Medienfragen. Wir haben daher riskiert zu sagen, dass es günstig wäre, wenn man die ökonomische und die kulturelle Medienpolitik nicht auseinander dividiert. Ich hoffe, man wird es dem Deutschen Kulturrat verzeihen, dass er die kulturellen Interessen auch bei der Herstellung der Informations- und Wissensgesellschaft vertritt. Auch dies ist also ein Beispiel dafür, wie sehr kulturpolitisch relevante Themen in anderen Politikfeldern bearbeitet werden. Erfolgreiche Kulturpolitik muss sich heute in die Rechts- und Sozialpolitik, in die Wirtschafts- und Außenpolitik einmischen. Denn „Kultur“ ist keine Insel oder Oase, sondern aufs engste mit diesen Gesellschaftsfeldern verzahnt.
All dies bedeutet, dass man Grenzen überschreiten muss, Grenzen des eigenen fachlichen Feldes, wenn das eigene fachliche Feld die Wirtschaft ist, aber auch, wenn das eigene Arbeitsfeld die Kunst ist. Das oben angesprochene Verdikt von Adorno kann dann in einer Praxis überwunden werden, die von respektvollem Kooperationswillen geprägt ist. Herr von Loeffelholz hat uns gezeigt, wie dies möglich ist, und er ermutigt andere dazu, dasselbe zu tun. Daher werden wir ihn heute mit dem Kulturgroschen des Deutschen Kulturrats auszeichnen.