Ein Kontrastprogramm zu „Oh du fröhliche...“ bot das Finale des Rockmusik-Wettbewerbs ROCK IT NRW 2002 am 6. Dezember im TOR 3 in Düsseldorf. Knapp 1.000 Fans waren gekommen um zu erleben, wozu die besten sechs jungen Rockbands des Landes Nordrhein-Westfalen fähig sind. Es handelte sich um die Sieger zweier vorangegangener Auswahlverfahren: Zunächst Bewertung nach Tonträgereinsendung, dann Live-Auftritte in insgesamt drei Semifinals. Und entsprechend „fett” ging es auch zur Sache.
Permanent Vacation aus Borken legten punkig-lebendig los. Die Songs waren frech und wurden mit immensem physischen Eifer rübergebracht. Die Jungs aus dem Westmünsterland überzeugten durch frischen Sound und druckvolle Rhythmusarbeit. Der zweite Contester war die Gruppe Nevermind aus Leverkusen. Mächtige Hardcore Sounds, kombiniert mit HipHop- und Rap-Elementen ließen keinen Zweifel daran aufkommen, dass die sechs Jungs es mit ihrer Musik ernst nehmen. Hieran konnte auch die Tatsache nichts ändern, dass die Jugendlichen durch eine Autopanne nur mit Ach und Krach den Soundcheck-Termin hatten halten können.
Danach nutzte die Metal-Band Neverless (Namensähnlichkeit zur Vorgängerband zufällig) aus Essen die von der Wettbewerbsleitung zugewiesene Auftrittszeit auf der großen Bühne von TOR 3 auf eindrucksvolle Weise: Besonders auffallend war die klare, dunkle und manchmal ausdrucksvoll-rauhe Stimme des Leadsängers, der bewies, dass auch „Schwere Jungs“ gefühlvolle Balladen darbringen können. Reggae, Latin, Funk sind die Stilelemente der Eifel-Band Qball. Wie ein Flummi hüpfte der Rasta-belockte Leadsänger über die Bühne und brachte die Menge ins Schwitzen, da die Musik in die Beine ging. Viel intimer war dagegen die Musik des Trios Child aus Mönchengladbach, das seine Musik vielsagend als „Female Rock“ beschreibt. Die Sängerin und Gitarristin Simone Kußmaul ist das Kernelement der Gruppe, unterstützt durch (männlichen) Bass und ebensolches Schlagzeug. Child wirkte auf der großen Bühne fast etwas verloren, ist die Musik doch vielmehr geeignet, in kleineren Clubs ihr Publikum zu finden. Die Jury sollte dies aber nicht stören. Den Abschluss bildete Soda Maker aus Dinslaken, die ihre Fans (leicht erkennbar an den „Liverpooler“ Pilzkopf-Frisuren ihrer jungen Idole) gleich in Reisebussen nach Düsseldorf gelotst hatten. Entsprechend britisch ging es zu: Brit Pop vom Feinsten, mehrstimmiger melodiöser Gesang zu präzisen und sehr transparenten Gitarren, Schlagzeug und schon anachronistischer aber hier passender Hammond-Orgel. Gegen halb zwei Uhr morgens konnte Michael Bender vom veranstaltenden Landesmusikrat NRW – der Wettbewerb ist ein Förderprojekt des Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport NRW – die Sieger und Preise verkünden. Vergeben wurde ein erster Preis in Höhe von 2.000 Euro an Soda Maker, zwei zweite Preise in Höhe von je 500 Euro und je neun vom Veranstalter finanzierte Studiotage an Child und Qball und drei dritte Preise in Höhe von je 300 Euro an Neverless, Nevermind und Permanent Vacation. Christian Wagner, der vom WDR in die Jury entsandt worden war, verkündete, dass er die Absicht habe, Soda Maker im Rahmen eines Rockpalast-Konzerts auftreten zu lassen. Eingerahmt wurden die Beiträge der sechs Finalisten durch die Musik der Gruppe Funghi Faces aus Duisburg, die sich als Sieger des ROCK IT Internet Awards über einen Preis in Höhe von 500 Euro freuen durften. Sachpreise der Firma Music Store Köln sollen nicht unerwähnt bleiben. Und so hieß es sehr spät in der Nacht, für viele jugendliche Rocker doch noch „Oh, du fröhliche…!
Sport und Musik für Senioren
Bereits in der letzten Ausgabe haben wir auf den erfolgreichen Abschluss der Veranstaltungsreihe „Sport und Musik – Bewegung inTakt“ des LMR und des LSB mit der Fachtagung in Remscheid vom 22. bis 24. November hingewiesen. In diversen Workshops stand die Verknüpfung von Sport und Musik und deren Verankerung in der Vereins- und Musikschularbeit im Vordergrund. Im Laufe verschiedener Arbeitsphasen sammelten die Teilnehmer vielfältige Ideen zur Entwicklung von Kooperationsmodellen für eine Vernetzung. Die Leitung der Workshop-Angebote wurde gemäß der Grundidee jeweils von zwei Dozenten – einem aus dem Musik- und einem aus dem Sportbereich – übernommen.
Während man bei den Zielgruppen „Kinder“, „Jugendliche/Erwachsene“ und „Behinderte“ keine Probleme hatte, geeignete Lehrkräfte zu finden, stellte sich bei den “Senioren” leider ein deutlicher Mangel an Musikdozenten heraus, da musikalische Angebote für Senioren kaum existieren. Für den Sport, wo es besser ausgebaute Angebote für die Älteren gibt, war mit Marianne Eisenburger schnell eine kompetente Fachfrau gefunden. Für die Musik konnte schließlich Anita Brunberg vom Landesverband Seniorentanz NRW gewonnen werden.
„Bewegung ist Leben – Leben ist Bewegung“ – dies wurde eine der Kernthesen des Workshops. Unser Fühlen, Denken und Empfinden hängt ganz stark von unseren Bewegungserfahrungen ab. Wir brauchen Bewegung, um die Welt zu erkunden und um Erkenntnisse zu gewinnen. Ohne Bewegung ist die Kommunikation und soziale Nähe stark eingeschränkt oder gar nicht möglich. Dass sich die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit gegenseitig bedingen, gilt selbstverständlich für jeden Lebensabschnitt eines Menschen; es ist aber gerade im Alter bei nachlassender körperlicher Energie besonders wichtig, in Bewegung zu bleiben.
Hier zeigte sich, dass gerade die Verbindung von Sport und Musik ein gutes Potential für diese Zielsetzung bietet. Der natürlichen Veranlagung des Menschen entspricht es, sich unwillkürlich zu Musik zu bewegen. Die Dozentinnen stellten in diesem Zusammenhang verschiedene Tänze oder Bewegungsübungen nach Musik vor.
Zur weiteren Verknüpfung der Bereiche Sport und Musik regten die Workshop-Teilnehmer eine verbesserte Ausbildung in dieser Hinsicht an. So könnte der Bewegungsaspekt in der Musikausbildung stärker berücksichtigt werden; aber auch im Sport wäre es möglich, mit musikalischen Grundkenntnissen Bewegungsabläufe bewusster zu machen. Darüber hinaus wurden ganz konkrete Kooperationsmodelle entworfen. Eine Dokumentation der gesamten Fachtagung ist beim Landesmusikrat NRW erhältlich.
Bayerischer Musikrat
Dem aktuellen Musikschaffen verpflichtet
Editorial von BMR-Präsidiumsmitglied Elke Tober-Vogt
„Eine dringende Notwendigkeit in heutiger Zeit ist die Aufgabe, eine Brücke zu bauen zwischen traditioneller und sogenannter ‚moderner’ Musik, um diejenigen, die am Vertrauten hängen, nicht zu arg vor den Kopf zu stoßen und gleichzeitig die Progressiven zu befriedigen.”
Dieser Satz des Komponisten Klaus Sonnenburg umschreibt die Situation, in der sich Komponisten unserer Zeit mit ihrer Musik befinden. Der Publikumsgeschmack orientiert sich an Vertrautem, an Vergangenem; der Kommerz gibt diesem nach. Wie aber soll neu geschaffene Musik bekannt und vertraut werden, wenn sie kaum Chancen hat, außerhalb von den einer kleinen Fan-Gemeinde vorbehaltenen Festivals aufgeführt, außerhalb von unfreundlichen Sendezeiten gehört oder außerhalb von regionalabhängigen Nischenkonzerten ein zweites Mal gespielt zu werden?
Die Förderung der zeitgenössischen Musik und deren Weiterentwicklung war und ist ein Schwerpunkt meiner langjährigen Arbeit, sei es im Beruf oder im Ehrenamt. In fast 20-jähriger Tätigkeit als Leiterin des Bayerischen LandesJugendZupfOrchesters (1983 bis 98) beziehungsweise -erwachsenenorchesters (1997 bis 2001) durfte ich, teilweise in enger Zusammenarbeit mit den Komponisten, zahlreiche zeitgenössische Werke einstudieren und etliche auch zur Uraufführung bringen, viele davon von bayerischen Komponisten (W. Hollfelder, H. Benker, H. Baumann, R. Leistner-Mayer, G. Thim und anderen).
Ich hoffe sehr, dadurch vor allem in den aktiv beteiligten Jugendlichen eine positive Grundeinstellung gegenüber zeitgenössischer Musik geweckt zu haben. Als Musikverlegerin widmet sich mein Beruf nahezu ausschließlich dem aktuellen Musikschaffen. Neben dem „Alltagsgeschäft“ des Verlegens und Verbreitens der Werke unserer zahlreichen, überwiegend bayerischen Komponisten vergeben wir Kompositionsaufträge und veranstalten Kompositionswettbewerbe, wie für Kammermusik oder für Soloinstrument und Orchester.
Als zweite stellvertretende Landesvorsitzende des Landesverband Bayerischer Tonkünstler im DTKV setze ich mich neben der Interessenvertretung für alle im Verband vertretenen Musikberufe auch besonders für die bayerischen Komponisten ein.
Mit der derzeit in einer Projektgruppe des Bayerischen Musikrates diskutierten und neu konzipierten CD-Reihe „Bayerische Komponisten“ kann sich jeder Musikinteressierte, der bereit ist, über den Tellerrand des etablierten Konzertlebens hinauszuschauen, Informationen über das aktuelle kompositorische Schaffen in Bayern ins Haus holen.
Die geplante CD-Reihe bietet außerdem eine Fülle wertvollen Materials für allgemein bildende Schulen, Berufsfachschulen, Hochschulen, Musikschulen, Archive, Bibliotheken, Wissenschaftler ... Die ersten beiden CDs werden voraussichtlich Lehrer-Schüler-Linien zum Thema haben (Kreise um Wilfried Hiller und Peter Kiesewetter).
Die Konzeption sieht derzeit die Veröffentlichung von 2-3 CDs jährlich vor, sofern sich genügend Abonnenten – oder Sponsoren – finden.
Als neues Präsidiumsmitglied des Bayerischen Musikrates unterstütze ich deshalb – neben allen musikpolitischen Anliegen und Notwendigkeiten der heutigen Zeit – dieses mit Hilfe des Bayerischen Rundfunks neu geplante und ehrgeizige Projekt des Musikrates, das Schaffen möglichst vieler bayerischer Komponisten auf CDs verfügbar zu machen.
Ein barockes Gesamtkunstwerk
Solisten und Chor der Bayerischen Singakademie mit Buxtehudes „Jüngstem Gericht“
Das Dießener Marienmünster gab den eindrucksvollen Rahmen ab für eine prächtige Aufführung des Oratoriums „Das jüngste Gericht” von Dietrich Buxtehude (1637-1707) durch die Bayerische Singakademie am 2. und 3. November 2002. Dem Leiter der Singakademie Gerd Guglhör gebührt das Verdienst, den Kantatenzyklus verstaubten Bibliotheksregalen entrissen und eine Aufführung initiiert zu haben, die in ihrer Komplexität und in ihrem Anspruch überregionale Bedeutung hatte.
Regisseur Georg Blüml, der seit einiger Zeit die jungen Sänger der Singakademie in schauspielerischer Hinsicht hervorragend betreut, entwickelte ein szenisch-theatralisches Konzept, das den gesamten Kirchenraum mit einbezog. Bewusst wird im Regiekonzept am Prinzip der Allegorie festgehalten, im Eingangsbild der ersten Vorstellung ähneln die Figuren der drei Todsünden in ihren weißen, engelsgleichen Kostümen den überlebensgroßen weißen Heiligenfiguren des Dießener Altarraumes, der auferstandene Jesus tritt auf, wie auf Votivbildern der Barockzeit zu sehen, die statuarischen Bewegungen und die lange Zeit eingefrorenen Haltungen der Darsteller unterstützen das Bildhafte der allegorischen Darstellung. Hier haben Maske (Julia Schmidt, Franziska Molz) und Kostümbildnerin (Nani Weixler) überzeugende Lösungen gefunden.
Das Publikum wird durch den Chor und die Schauspieler, die ab und an im gesamten Kirchenraum agieren, in aufrüttelnder Weise einbezogen. Der Altar wird, überbaut mit einer schrägen Rampe, zur Bühne, von der Kanzel spricht die „Stimme Gottes“. Protestantische, pietistische Theologie wird in der Ikonographie des Katholizismus’ dargestellt.
Eine ausgeklügelte Lichtregie, mit großem Aufwand in der Kirche installiert (Maran Fesser) trägt das ihrige dazu bei, alles buchstäblich ins rechte Licht zu rücken.
Das eigentliche Wunder dieser Aufführung ist aber das Zusammenwirken von schauspielerischer und musikalischer Ausdruckskraft in Gestalt der jungen und ganz jungen Mitglieder der Bayerischen Singakademie. Der Chorklang ist völlig unangestrengt, locker, transparent und absolut homogen. Die Solisten, die allesamt aus dem Chor kommen und sich nach ihrem Soloauftritt dort wieder problemlos einreihen, zeigen natürlicherweise noch unterschiedliche Qualitäten.
In der Spitze erlebt man aber fraglos schon professionelle Qualität. Beson- ders hervorzuheben Larissa Neudert als „Böse Seele”, mit beeindruckender schauspielerischer Präsenz und überzeugender stimmlich-musikalischer Gestaltung einer Rolle, die ihr auf den Leib geschneidert schien, Angelika Huber und Brigitte Bayer mit weichen, obertonreichen Sopranstimmen in überzeugender Gestaltung ihrer Gesangspartien als „Gute Seele”, sowie Lukas Schmid mit sonorem Bass als „Göttliche Stimme”. Gerd Guglhör schärfte in der Verbindung mit dem sehr guten Barockorchester „Il Ponticello” alle Fassetten barocken Affekts in der Musik Buxtehudes.
Besonders hervorzuheben auf instrumentaler Seite die agile Continuo-Gruppe um den Dießener Münsterorganisten Franz Günthner und den Cembalisten Johannes Weiß. Insge- samt darf diese in allen Dingen beeindruckende Aufführung als Beweis dafür gewertet werden, dass die Bayerische Singakademie auf dem richtigen Wege ist.
Hier wird ausgesprochen sinnvoll und erfolgreich staatliche Förderung eingesetzt. Hoffentlich kann in Zeiten zunehmender öffentlicher Finanznot eine solche Institutionen weiter und womöglich noch besser gefördert werden!