Als vor über 50 Jahren die Firma Nescafé ihren Instant-Kaffee auf den Markt brachte, verkaufte sich dieses Produkt entgegen aller Erwartungen sehr schlecht und das, obwohl die Kaffeezubereitung dadurch wesentlich zeitökonomischer wurde. In einer Untersuchung wurde gezeigt, dass die Ablehnung nicht unbedingt mit der objektiven Qualität des Nescafés zusammenhing, sondern eher irrationale Gründe hatte. Man fand heraus, dass die Käuferinnen des Nescafés von Hausfrauen als faul, schlecht planend und verschwenderisch charakterisiert wurden. Diese Einstellung machten im wesentlichen den Misserfolg erklärbar. Durch eine geänderte Werbestrategie konnten die Verkäufe erhöht werden. Die Einstellung der Käuferinnen gegenüber Nescafé würde man heute als Image bezeichnen. Der Begriff selbst wurde 1955 von Gardner und Levy in die Marktpsychologie eingeführt. Warum interessiert heute das Image auch im Kulturbereich so sehr? Viele Angebote unterscheiden sich kaum noch in ihrer objektiven Qualität. Daher hat sich der eigentliche Wettbewerb von der Ebene der objektiven Gegebenheiten auf die subjektive Wahrnehmung verlagert.
Gardner und Levy fassen Image als einen Komplex von Ideen, Gefühlen und Haltungen gegenüber einem Imageobjekt auf. Imageobjekte sind in einem weiten Sinne zu verstehen. Es können nicht nur Kaffeesorten, sondern auch Jugendorchester, Musiker, ein Medium (zum Beispiel Publikationen eines Orchesters), einzelne Projekte und so weiter sein. Beim Image werden Bewertungsdimensionen und Meinungsdimensionen unterschieden. Bewertungsdimensionen beschreiben, wie man die Bedürfnisbefriedigung durch ein Imageobjekt subjektiv wahrnimmt. Meinungsdimensionen beinhalten Merkmale, die einem Imageobjekt direkt zugeschrieben werden. Das Paket der Einstellungen, die ein bestimmter Personenkreis gegenüber einem Objekt hat, wird Image genannt.
Bei dem hier angewendeten Verfahren zur Imagemessung wird das Image in den Dimensionen „Aufrichtigkeit, Erregung/Spannung, Kompetenz, Kultiviertheit und Robustheit“ erfasst. Den einzelnen Dimensionen werden dann Kurzbeschreibungen und charakterisierende Adjektive zugeordnet. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die einzelnen Dimensionen, Kurzbeschreibungen sowie Begriffe, die mit den Dimensionen zusammenhängen.
In der Regel wird das Image mit Hilfe von Fragebögen gemessen. In diesen Fragebögen sind solche Adjektive und Items enthalten, die in einem engen Zusammenhang zu den oben genannten Dimensionen stehen. Damit nicht durch die mögliche Ungenauigkeit eines Items ein falsches Messergebnis zustande kommt, werden pro Dimension mehrere Items in einen Fragebogen aufgenommen.
Die JMD Bayern hat es sich zur Aufgabe gemacht, der Image-Bildung von Jugendorchestern auf den Grund zu gehen. Dabei ging es in einem ersten Schritt um das Image, das einzelne Ensembles bei ihren Mitgliedern selbst haben. In einem weiteren Schritt ist diese Fragestellung auch auf ein vorhandenes oder potenzielles Publikum erweiterbar.
Im Sommer 2002 wurde ein standardisierter Fragebogen verschiedenen Jugendorchestern während der Proben vorgelegt. Aus Gründen der zugesagten Vertraulichkeit können die Namen der Orchester nicht genannt werden. Der Fragebogen enthielt 42 Items, die von den Orchestermitgliedern auf einer Skala von 1 („trifft überhaupt nicht zu“) bis 6 („trifft voll und ganz zu“) bewertet werden sollten. Jedes Orchestermitglied erhielt jeweils einen Fragebogen und füllte diesen aus. Dabei blieb die Anonymität gewahrt. Als Belohnung erhielten die Orchester die Ergebnisse der Auswertung für ihr Orchester sowie die der anderen Orchester zur Kenntnis. Die Ergebnisse für die einzelnen Orchester sind in Tabelle 2 dargestellt (N bedeutet Anzahl der Personen, die an der Befragung teilgenommen haben).
Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass kein Orchester in allen Punkten überlegen ist. Jedes Orchester scheint seine Vorzüge zu haben. Orchester 2 etwa schneidet besonders gut in der Dimension „Aufrichtigkeit“ ab. Orchester 4 hat die beste Bewertung in der Dimension „Kompetenz“. Orchester 5 schneidet hervorragend ab in der Dimension „Erregung/Spannung“ während Orchester 6 hinsichtlich der Dimension „Kultiviertheit“ besonders gute Werte aufweisen kann. Wie es zu diesen Bewertungen kommt, darüber ließe sich trefflich spekulieren.
Diese Form der Imagemessung beinhaltet auch eine gewisse so genannte Normorientiertheit. Diese fordert, dass die Bewertung hinsichtlich der Dimensionen „Aufrichtigkeit, Erregung/Spannung, Kompetenz, Kultiviertheit und Robustheit“ für die unterschiedlichsten Imageobjekte (zum Beispiel Radiostationen, Restaurants, Autofirmen) ermittelt wird, woraus sich die Norm ergibt. Diese Norm ist dann ein Mittel aus den unterschiedlichen Werten. Sie liegt in unserem Fall in der Tat vor und ebenso die Durchschnittswerte von sechs Jugendorchestern, die in Tabelle 3 gemeinsam mit den Werten einer kommunalen Musikschule dargestellt werden.
Aus dieser Tabelle wird nun ersichtlich, dass das Image von Jugendorchestern durchaus deutlich über dem Image einer kommunalen Musikschule sowie einer Norm liegt. In aller Vorsicht kann man nun etwa Vermutungen anstellen über den Wert, den ein Musikschulorchester für eine Musikschule hat. Wenn man nämlich von einem Imagetransfer des Orchesters auf die Musikschule ausgeht, dann würde die letztere von einem Orchester hinsichtlich des Images profitieren. Somit wäre ein unterstützendes Argument gefunden für die Förderung der Orchesterarbeit in Musikschulen. Auch bezüglich der Norm, die ja die unterschiedlichsten Unternehmungen beinhaltet, kann spekuliert werden. Hier könnte ein Imagetransfer vom Orchester auf die Unternehmung im Rahmen eines Sponsorings interessant und damit eine Argumentationshilfe für ein Sponsoren-Engagement sein.
Wie kann nun die Imagemessung in Jugendorchestern noch konkreter eingesetzt werden? Um die Bedeutung des Images für die Jugendorchesterarbeit weiter zu erhöhen, könnte das Image im Rahmen psychologischer Marktmodelle untersucht werden. Wenn es etwa Autofirmen im Rahmen der Modellpolitik gelingt, mittels Imageanalysen Marktnischen zu erkennen und zu besetzen, sind entsprechende Nischen auch für Jugendorchester ermittelbar.
Vorläufig wird die Jeunesses Musicales Bayern unter der Leitung ihres Vorsitzenden Ralph Lange die Imagemessung für alle interessierten Jugendorchester kostenfrei anbieten. Interessierte Jugendorchester können sich einfach wenden an Ralph Lange, c/o Jeunesses Musicales Bayern, PF 20 40, 89210 Neu-Ulm, Tel. 0731/980 7725, www.jeunesses-musicales-bayern.de