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Hat Theatergeschichte geschrieben: Anja Silja. Foto: Theater Hamburg
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„Denke nicht ans Aufhören“: die Sopranistin Anja Silja wird 70

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Anfang der 60er Jahre nahm die gerade mal 20 Jahre alte Sopranistin Anja Silja den Grünen Hügel in Bayreuth im Sturm. Das Publikum lag ihr zu Füßen, und auch der verheiratete Intendant Wieland Wagner verfiel ihr. Ein Skandal damals. Doch es blieben dem Liebespaar nur wenige gemeinsame Jahre, Wieland starb plötzlich. Nach vielen Höhen und Tiefen wird die Sopranistin heute noch auf den großen Opernbühnen gefeiert. Mit Anja Silja, die am 17. April 70 Jahre alt wird, sprach ddp-Korrespondentin Angelika Rausch in Paris.

ddp: Frau Silja, Sie werden 70, stehen seit Jahrzehnten auf der


Bühne. Schauen Sie gerne zurück?

Silja: Im Mai stehe ich schon seit genau 60 Jahren auf der Bühne.
Ich werde immer mit meiner Vergangenheit leben, denn die ist Wieland Wagner und Andre Cluytens. Es lässt sich nicht vermeiden, dass man auch mit Wehmut zurückblickt. Wieland ist jetzt 44 Jahre tot, Andre 43. Da gibt es natürlich auch eine gewisse Verklärung. Aber ich lebe tagtäglich damit. Wenn man einen Sinn in all dem sieht, dann kann man darüber auch reden.

ddp: Wo und wie werden Sie den Geburtstag verbringen?

Silja: Es ist für mich kein wichtiger Tag. Ich sage immer: Ich
werde ihn in der Mitte des Ozeans auf einem Schlauchboot verbringen.

ddp: Empfinden Sie Ihr bewegtes Leben manchmal selbst wie eine Oper?

Silja: In gewisser Weise ja. Es kommt auf die Oper an ... es gibt schon viele Ähnlichkeiten. Es ist für einen Interpreten schon sehr
interessant, dass er einen Teil seines Lebens in die Rollen
hineinweben kann. Bis auf die Koloraturrollen, die habe ich nie gerne gesungen, weil ich sie für reine Artistik wie im Zirkus halte.

ddp: Wenn man alles erreicht hat – was treibt einen dann noch an?

Silja: Nichts, außer die Kinder und Enkelkinder. Das beschäftigt
mich mehr und mehr. Was wird aus den Kindern, den Enkelkindern? Was kann man ihnen noch bieten? Nicht mehr der Beruf. Der Beruf gehört zu meinem Leben, spielte aber nie die Hauptrolle. Und trotzdem gibt es noch neue Aufgabe: Ich muss für die Bühne neue Rolle erarbeiten.

ddp: Sie haben mal gesagt, Sie wollten eigentlich nach dem Tod
Wieland Wagners gar nicht mehr weitersingen. Sind Sie stolz, es allen gezeigt zu haben?

Silja: Das „Gezeigt haben“ gilt nur bis Wielands Tod. Als junge
Frau in meiner Bayreuther Zeit habe ich es sehr genossen, die
Zweifler an meiner Stimme und meiner Karriere zu widerlegen. Das war ein Triumph. Es gibt überhaupt keine Sängerin, die so lange im ersten Fach singt, wie ich das jetzt tue. Aber den Kritikern von damals kann ich ja nichts mehr beweisen, die sind alle längst tot.

ddp: In der kommenden Spielzeit werden Sie in Berlin singen. Warum haben Sie so lange einen Bogen um ihre Geburtsstadt gemacht?

Silja: Nicht ich habe den Bogen gemacht, Berlin hat ihn gemacht!
In meiner großen Zeit kam nie ein Engagement aus Berlin. An der
Berliner Oper habe ich 40 Jahre nicht gesungen. Erst seit zehn Jahren bin ich dort wieder ab und zu zu sehen.

ddp: Empfinden Sie sich selbst als lebende Legende?

Silja: Ich selber empfinde mich nicht so, aber ich bin ein Teil
der deutschen Theatergeschichte. Daran ist kein Zweifel. Aber Legende ist man ja heute automatisch, wenn man über 60 ist.

ddp: Sie haben schon sehr früh die schweren Partien gesungen. Wie ist es Ihnen gelungen, Ihre Stimme zu erhalten?

Silja: Zunächst mehr als anderthalb Jahrzehnte lang tägliche
Kontrolle durch meinen Großvater, und dann natürlich die Kraft und
Energie, die ich geerbt habe. Und dazu ein großer Teil Unbekümmertheit. Zweifel sind immer unangebracht, denn dann hat man nicht genügend Mut, und der gehört auch zu unserem Beruf.

ddp: Sie haben nie wieder in Bayreuth gesungen. Gab es eigentlich
Anfragen von dort?

Silja: Bayreuth war für mich immer Wieland Wagner, nicht Richard
Wagner. Mit Wielands Tod waren meine Auftritte dort beendet. Daran habe ich nie einen Zweifel gelassen.

ddp: Was gibt es für Zukunftspläne?

Silja: In den kommenden zwei Jahren werde ich auch neue Rollen
singen. So gibt es «Candide» in Berlin, «Der Spieler» in Frankfurt am Main und eine Uraufführung in Wien und dann die «Pique dame» in Wien, Tel Aviv und Berlin. Dazu gibt es noch einige Konzerte. Ans Aufhören denke ich noch nicht.

ddp: Sie haben drei Kinder aus der Ehe mit Christoph von Dohnanyi. Ist eines der Kinder in Ihre Fußstapfen getreten?

Silja: Nein, keiner hat den Beruf ergriffen. Vielleicht aus Sorge,
dass man es mit zwei so berühmten Eltern nicht einfach haben wird.

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